• 08.07.2007 09:55

  • von Fabian Hust

"Fall Stepney" wie ein Agenten-Thriller

Der suspendierte Ferrari-Ingenieur berichtet von Verfolgungsjagden, Beschattungen und bleibt dabei, dass Ferrari ein schmutziges Spielchen treibt

(Motorsport-Total.com) - Der von Ferrari suspendierte Ingenieur Nigel Stepney hat gegenüber britischen Medien im Spionage-Fall noch einmal seine Unschuld beteuert.

Titel-Bild zur News: Nigel Stepney

Der "Fall Stepney" wird zu einem echten Agenten-Thriller...

Dem Briten wird vorgeworfen, 500 Seiten mit vertraulichen Informationen über den Ferrari F2007 an den bei McLaren-Mercedes beschäftigten Chefdesigner Mike Coughlan übermittelt zu haben und an den Autos vor dem Monte Carlo-Rennen einen Sabotageversuch unternommen zu haben.

"Ich weiß natürlich, wo die Leichen begraben liegen." Nigel Stepney

"Ich bin seit 14 Jahren bei Ferrari", so Stepney gegenüber der 'Sunday Times'. "Es gab während der Jahre viele Kontroversen. Ich weiß natürlich, wo die Leichen begraben liegen."#w1#

Stepney gibt vor, dass er zusammen mit seiner Freundin Ash und seiner kleinen Tochter fliehen musste, weil seine Wohnung in Italien beschattet worden sein soll: "Es gab Verfolgungsjagden mit dem Auto bei hoher Geschwindigkeit", wird Stepney vom 'Guardian' zitiert, der sich derzeit irgendwo am Mittelmeer zurückgezogen hat.

Verfolgungsjagd im PKW

"Wir wurden von mehr als einem Auto verfolgt, mit italienischen Nummernschildern, und als wir vergangenen Donnerstagabend einen der Männer in die Enge trieben, verweigerte er zu sprechen. Ich glaube nicht, dass sie Journalisten waren. An meinem Auto war ein Kursverfolgungs-Gerät. Jemand wäre verletzt worden. Ich hatte keine andere Wahl, als aus Italien zu gehen."

An den Ferraris von Kimi Räikkönen und Felipe Massa soll vor dem Monaco-Grand-Prix ein mysteriöses weißes Pulver gefunden worden sein: "Ich war in dem Bereich der Fabrik, wo der so genannte Zwischenfall stattfand", so Stepney. "Denn das ist ein Bereich, zu dem ich Zutritt hatte. Aber es ist nicht wahr, dass ich etwas getan habe."

"Das war nur ein Treffen zwischen alten Freunden." Nigel Stepney

Auch von den Insiderinformationen, die in Coughlans Wohnung gefunden wurden, will Stepney nichts wissen, wie er im von 'autosport.com' veröffentlichten Schreiben mitteilt: "Ich habe keine Ahnung, wie sie diese erhalten haben, überhaupt keine Ahnung. Wir trafen uns Ende April in Spanien, das war nur ein Treffen zwischen alten Freunden", so Stepney, der verrät, dass Spykers Technischer Direktor Mike Gascoyne Zeuge dieses Treffens war.

Mit Brawns Auszeit nahm alles seinen Lauf

Das "erste Anzeichen eines potenziellen Problems" sei im September vergangenen Jahres aufgetreten, als Technikdirektor Ross Brawn erklärte, dass er eine Auszeit einlegen wird und das technische Management des Teams umstrukturiert werden soll. Er habe diese Situation mit Teamchef Jean Todt besprochen. Ihm wurde die Verantwortung für das Renn- und Testteam übertragen.

Er wollte daraufhin Aldo Costa unterstellt sein, dem Chefdesigner des Chassis': "Er war die richtige Person dafür. Ich wollte nicht Mario Almondo, dem neuen Technischen Direktor unterstellt sein." Dieser ist in Stepneys Augen nicht mit dem notwendigen technischen Wissen gesegnet.

"Ich konnte nicht mit ihnen arbeiten." Nigel Stepney

Stepney gibt zu, dass die Beziehung Mitte Februar begann, schlechter zu werden: "Ich konnte nicht mit ihnen arbeiten. Ich vermisste die direkte Beziehung zu Ross. Er wusste exakt, was ich tun kann, ich hatte immer die hundertprozentige Unterstützung von Ross. Nun hatte ich fünf Leute, denen ich berichten musste. Das war sehr frustrierend."

Stepney fühlte sich wie ein Verräter

Er habe Todt aus diesem Grund mitgeteilt, dass er nicht mehr reisen möchte, stattdessen über seine Zukunft nachdenken wolle. Ferrari habe dies schlecht verkraftet: "Meine Rolle wurde der Chef der Leistungsentwicklung mit Basis in der Fabrik. Ich begann mich zu fühlen, als wäre ich eine Art Verräter, nur weil ich nicht länger reisen wollte."

Zu diesem Zeitpunkt habe er sich nicht anderswo umgesehen, aber die Zusammenarbeit mit dem Team sei kontinuierlich schwieriger geworden: "Die Leute hatten Angst, mit mir zu sprechen. Ich wurde in eine Position gebracht, in der es schwierig war, meine Arbeit zu erledigen. Ende März war die Situation unerträglich. Ich begann, mich nach anderen Teams umzuschauen und ging auf Nick Fry (Honda-Teamchef; Anm. d. Red.) zu."

Weitere Ferrari-Mitarbeiter wollten sich Stepney anschließen

Am 28. April habe er sich in Port Ginesta (Spanien) mit Coughlan getroffen, nachdem er ein Treffen mit Fry hatte und in ein zweites nicht allein gehen wollte. Coughlan wollte zunächst nicht wechseln, auch wenn er "mit dem McLaren-Management unglücklich war". Dann haben "drei oder vier" Leute bei Ferrari angedeutet, dass sie interessiert wären, ein technisches Team zu bilden und zu einem anderen Team zu gehen, als sie Berichte über seinen Kontakt zu Honda lasen: "Sie wollten uns in eine Struktur folgen, in der sie sich wohl fühlen."

Er könne jedoch "kategorisch dementieren", dass "irgendwelche technische Informationen" an Coughlan geflossen seien. Man habe vielmehr über die Infrastruktur und Werkzeuge gesprochen, die man braucht, um in einem anderen Team seinen Job zu erledigen. Er habe seine Zukunft darin gesehen, eine solche Struktur bei Honda zu installieren. Man habe Fry am 1. Juni zusammen in Heathrow getroffen.

Funkstille zwischen Stepney und Todt

Am 17. Mai hatte Ferrari rechtliche Schritte gegen Stepney eingeleitet und nach Aussage von Stepney seien Ferrari-Mitarbeiter von der Polizei befragt worden, seine Wohnung in Serramazzoni sei zweimal durchsucht worden. Er habe Jean Todt daraufhin telefonisch informiert, dass er in Urlaub gehe und erst dann zurückkehren werde, wenn das Thema geklärt ist: "Seitdem haben wir nicht miteinander gesprochen."

Stepney will es erst von einem Journalisten erfahren haben

Er habe erst am vergangenen Dienstag (3. Juli) von einem britischen Journalisten über den "Fall Coughlan" erfahren: "Ich gebe zu, dass dies hervorstechend offensichtlich aussieht. Aber da passiert etwas bei Ferrari."

"Ich nahm die Papiere und warf sie auf Almondos Schreibtisch. Am nächsten Tag lagen sie wieder auf meinem!" Nigel Stepney

"Ich wurde von Mario Almondo beschuldigt, einige Zeichnungen genommen zu haben." Er habe diese legitim in seinem Besitz gehabt, da er diese für Arbeiten am Simulator gebraucht habe: "Ich nahm die Papiere und warf sie auf Almondos Schreibtisch. Am nächsten Tag lagen sie wieder auf meinem!"

Er könne "kategorisch verneinen", dass er die Informationen kopiert oder sie an Mike Coughlan übermittelt habe. Er habe gewusst, dass er in der Fabrik ständig unter Beobachtung stand, dass berichtet wurde, was er sagte und wann auch immer er auf Daten auf dem Computer zugriff.

Stepney fragt sich, ob Coughlan überhaupt Informationen vorliegen

Er habe "keine Ahnung", wie Informationen in Coughlans Besitz gekommen sind: "Er hat sie kategorisch nicht von mir bekommen." Es sei doch "etwas dumm", mit solchen Unterlagen woanders hinzugehen: "Ich hatte alles Material in meinem Kopf, warum hätte ich das alles nochmal gebraucht? Ich zweifle ernsthaft an, dass Mike diese Dokumente hat."

Er habe "nichts zu verstecken" und sei "etwas verwirrt", weil er in die Enge getrieben wurde, sobald er sich gegen das Ferrari-System gestellt hatte: "Ferrari ist in Italien einzigartig, es ist eine Religion. Wenn du gegen sie bist, ist das, als bist du gegen den Vatikan. Ich bin natürlich besorgt, klar, aber ich habe nichts Falsches getan und ich glaube an das Rechtssystem in Italien."