F2003-GA-Debüt: "Heimliches Genie" Rory Byrne

Ferrari-Chefdesigner Rory Byrne wird die Premiere "seines" F2003-GA verpassen ? seine Analyse zur neuen "roten Göttin"

(Motorsport-Total.com) - Rund drei Monate nach der Präsentation des neuen Ferrari wird der F2003-GA am kommenden Wochenende in Barcelona auch im Rennen debütieren. Rory Byrne, geistiger Vater der "roten Göttin", wird diese Premiere aber nicht mitverfolgen können, weil er sich nach den harten letzten Monaten zunächst einmal ein bisschen Urlaub gönnt.

Titel-Bild zur News: Rory Byrne

Rory Byrne ist das "heimliche Genie" hinter den unglaublichen Ferrari-Erfolgen

Der Südafrikaner befindet sich derzeit gemeinsam mit seiner thailändischen Frau und seinem zweijährigen Sohn auf Mauritius, von wo aus er ? sonst eher medienscheu ? einige Kommentare übermittelte. Grundaussage: Der F2003-GA ist viel besser als sein Vorgänger und inzwischen auch zuverlässig genug ? kurzum das beste Rennauto, das je gebaut wurde. Vergessen werden darf dabei aber nicht, dass sich auch die Konkurrenz weiterentwickelt hat.

Neuer Ferrari "definitiv besser" als der F2002

"Früher war es so", philosophierte das Design-Genie, das sich Mitte der 90er-Jahre eigentlich schon von der Formel 1 zurückziehen wollte, "dass man nie wirklich wissen konnte, ob das neue Auto viel besser als das alte sein würde. Heutzutage ist das anders, denn man weiß, dass das neue Auto schneller sein wird. Die Wahrscheinlichkeit, dabei eine 'Zitrone' zu produzieren, ist praktisch nicht mehr vorhanden."

"Ich kümmere mich um vier separate Arbeitsgruppen", schilderte er. Dazu gehören Design, Struktur, Aerodynamik und Fahrwerksdynamik. Außerdem ist er im Forschungs- und Entwicklungsprogramm involviert. In all diesen Bereichen wurden offenbar Fortschritte erzielt, weshalb man sich bei den Italienern so sicher sein kann, dass der F2003-GA "um einiges" besser sein wird als das Vorjahresmodell, wie Byrne selbstsicher zu Protokoll gab.

Seine einzige Sorge sind unerwartete Defekte: "Wir können alle Belastungsfaktoren anhand von 'Worst-Case'-Szenarien berechnen und simulieren ? zum Beispiel die Randsteine in Monza oder die 'Eau Rouge' in Spa, aber es tauchen trotzdem immer wieder kleine Fehler auf, weil andere Materialien verwendet werden oder weil die Montage-Methode verändert wurde oder vielleicht auch wegen menschlichen Versagens."

Badoers Testunfälle inzwischen geklärt

Gekommen ist es zu solchen Kinderkrankheiten bei den Vorbereitungstests mit dem F2003-GA gleich zweimal, was jeweils zu schweren Unfällen von Luca Badoer führte, die aber Gott sei Dank glimpflich ausgegangen sind. Ferrari agierte in der Folge noch vorsichtiger, was das Debüt des neuen Fahrzeugs anging, weshalb es bis Barcelona vertagt wurde. Laut Byrne habe aber auch das neue Punktesystem eine Rolle gespielt, weil die Zuverlässigkeit jetzt wichtiger geworden ist.

Mit dem F2002 hat das neue Auto übrigens nicht viel gemein, erklärte er weiter: "Die Chassiskonstruktion ist ähnlich, aber die seitlichen und hinteren Knautschzonen sind komplett anders gestaltet, weil sie kleiner geworden sind. Die Aerodynamik und die Gewichtsverteilung konnten mit dem neuen 052-Motor verbessert werden, der speziell aus diesem Grund gebaut wurde und nicht nur wegen der zusätzlichen Drehzahlen und PS."

Von einer Revolution kann beim F2003-GA trotz einiger neuer Details wie beispielsweise der "Kiemen" zur Kühlung auf den Seitenkästen oder neuen Barge-Boards keine Rede sein, weil einige grundlegende Elemente wie etwa das Getriebe nur modifiziert wurden. Es sei aber "jedes einzelne Teil" zumindest überarbeitet worden, versicherte Byrne ? und die Summe der Verbesserungen soll überaus befriedigend sein.

Späte Premiere wegen neuer Regeln ein Vorteil

Ein grundlegender Vorteil, den Ferrari durch die späte Premiere haben könnte, ist das neue Regelwerk, weil man im Gegensatz zu Williams viel Zeit hatte, um sich darauf einzustellen. Wegen des Nachtankverbots nach dem Qualifying beispielsweise kann man die Möglichkeit in Betracht ziehen, zu Gunsten einer besseren Gewichtsverteilung einen kleineren Benzintank zu verwenden. Diese Entscheidungen trifft Byrne aber in Absprache mit Ross Brawn.

Bei den Rennen wird sich Byrne übrigens weiterhin nicht blicken lassen ? mit der Ausnahme Monza: "Ich kann da einen Tag hinfahren und mir anschauen, wie alles so läuft, aber im Prinzip habe ich vor Ort keine wirkliche Aufgabe. Es ist die Aufgabe von Ross, die technische Seite bei den Rennen zu betreuen. Ich besuche nur ein paar Testfahrten." Beim Shakedown eines neuen Fahrzeugs ist der 59-Jährige beispielsweise immer mit von der Partie.

Grundsätzlich gilt Byrne aber als extrem scheu ? noch extremer als sein McLaren-Pendant Adrian Newey, der bei allen Rennwochenenden in der Boxengasse steht. Auch die Medien meidet er tunlichst, sieht man einmal von einem jährlichen Abendessen zu Saisonbeginn mit Journalisten in seinem Heimatland ab. Selbst als 2001 in Ungarn beide WM-Titel geholt wurden, saß Byrne arbeitend in der Fabrik in Maranello.

Byrne: Das heimliche Genie hinter den Ferrari-Erfolgen

Begonnen hat er seine Karriere im Motorsport in den frühen 70er-Jahren in Großbritannien und 1978 wechselte er zum Formel-1-Rennstall Toleman. Dort kletterte er langsam die Karriereleiter hoch, um die Autos für spätere Superstars wie Ayrton Senna (1984) oder nach dem Verkauf bei Benetton für Michael Schumacher (1991 bis 1995) zu bauen. Nach dem Zerfall des Erfolgsteams beschloss er dann, seine Laufbahn zu beenden und in Thailand eine Tauchschule zu gründen.

Dort verliebte er sich in seine heutige Ehefrau ? doch nur wenig später unterbreitete ihm Jean Todt das unwiderstehliche Angebot, gemeinsam mit der alten Benetton-Allianz Schumacher/Brawn für eine nicht minder lukrative Millionengage ein Siegerteam aufzubauen. Byrne heiratete seine thailändische Liebe, nahm sie mit nach Italien und wird dort noch bis mindestens Ende 2004 seine Einfälle für Ferrari zu Papier bringen.

Beim italienischen Traditionsrennstall ist er entgegen der allgemeinen Ansicht vieler Fans nicht die zweite Geige hinter dem Technischen Direktor Ross Brawn, sondern vielmehr der Schöpfer der Boliden, die Michael Schumacher in beängstigender Regelmäßigkeit WM-Titel einfahren lassen. Brawn hat eher die strategischen und koordinierenden Aufgaben vor Ort über und bringt sich kaum unmittelbar ins Design ein.