Emil-Frey-Teamchef über Verstappen: "Bester Testfahrer der Welt!"
Max Verstappen sorgte mit seinem GT3-Test auf dem Nürburgring für Aufsehen - So spricht Teamchef von Emil Frey Racing über die jüngste Zusammenarbeit
(Motorsport-Total.com) - Am Freitag, dem 9. Mai, bereiteten sich die Fahrer der Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) auf einen Testtag vor, der dem dritten Rennen der Meisterschaft vorausging. An diesem Tag richteten sich viele Blicke auf Emil Frey Racing, das neben Chris Lulham - dem Teamkollegen von Thierry Vermeulen in der GT World Challenge Europe - auch den Niederländer "Franz Hermann" für das Training gemeldet hatte.

© Max Verstappen (Twitter)
Max Verstappens Nordschleifen-Test hat hohe Wellen geschlagen Zoom
Schnell stellte sich heraus, dass es sich dabei um den vierfachen Formel-1-Weltmeister Max Verstappen handelte, der unter diesem Pseudonym im Ferrari 296 GT3 des Schweizer Teams Runden drehte.
Seitdem hat dieser Test für viel Wirbel gesorgt, insbesondere nachdem bekannt wurde - und Verstappen es später selbst bestätigte -, dass er den Rundenrekord gebrochen hatte.
In einem exklusiven Interview mit Motorsport.com, einer Schwesterseite von Motorsport-Total.com, erklärt Emil-Frey-Racing-Teamchef Lorenz Frey-Hilti, dass dieser Test schon länger geplant war. Es gab jedoch einige Unsicherheiten, ob er tatsächlich stattfinden würde.
"Es ist immer etwas schwierig mit Max' und unserem Zeitplan", erklärt Frey-Hilti. "Vor ein paar Wochen haben wir uns entschieden, es durchzuführen, aber bis es soweit war, war ich mir nicht sicher, da er gerade erst Vater geworden war."
Frey-Hilti selbst war beim Test nicht vor Ort. "Ich hatte wichtige Meetings in der Schweiz", erklärt der ehemalige Rennfahrer. "Aber von dem, was ich gehört habe, hatte Max wirklich Spaß - und das war das Ziel des Tests."
Verstappen selbst sagte ebenfalls, dass er es aus Freude gemacht habe, doch auch für Emil Frey Racing bot der Test wertvolle Erkenntnisse. "Es ist immer großartig, Feedback von einem viermaligen Weltmeister zu bekommen", sagt Frey-Hilti. "Wir hatten schon ein paar Mal die Gelegenheit, mit ihm zu testen."
Unglaubliches Engagement
"Die Abstimmungskonfiguration auf der Nordschleife ist ganz anders als anderswo", führt Frey-Hilti weiter aus. Er verweist zudem auf die viel diskutierte Balance of Performance (BoP), die die GT3-Autos näher zusammenbringen soll.
In der DTM wird mit einer anderen BoP gefahren als in der NLS, was in den sozialen Medien zu Spekulationen führte, dass Verstappen möglicherweise mit der günstigeren DTM-BoP gefahren sei. Auch der erfahrene GT3-Fahrer Maro Engel äußerte sich dazu und vermutete nach Gesprächen im Fahrerlager, dass Verstappen die DTM-BoP verwendet habe.
"Jeder sprach darüber, dass wir mit einer völlig anderen BoP gefahren seien, aber es war wirklich die NLS-Spezifikation", betont der Teamchef, der den Test als "wirklich interessant" beschreibt. "Wir hatten vorher noch nie mit dem Ferrari auf der Nordschleife getestet. Wir wollten eine Grundabstimmung finden. Wir haben viele Mitarbeiter mit Nordschleifen-Erfahrung, aber nicht in Kombination mit dem Ferrari."
"Deshalb war es ein guter, lehrreicher Tag für uns. Wir haben verschiedene Einstellungen ausprobiert, und es ist einfach fantastisch zu sehen, dass der beste Fahrer der Welt Feedback gibt", sagt er mit Blick auf Verstappen.
"Das Engagement von Max ist unglaublich. Man kann sich kaum vorstellen, wie intensiv er in jedes Detail involviert ist und wie sehr er sich dafür einsetzt, das Auto zu verbessern - das ist wirklich fantastisch mitzuerleben."
Gefragt, inwiefern die Beiträge von Verstappen dem Rennteam geholfen haben, antwortet Frey-Hilti: "Es ist schwierig, das direkt von der Stoppuhr abzulesen. Wir haben eine sehr starke Fahreraufstellung bestehend aus Thierry Vermeulen - unterstützt von Max -, Chris Lulham, Ben Green, Konstantin Lappalainen und Jack Aitken. Das sind ebenfalls starke Fahrer mit viel Erfahrung im GT3-Rennsport."
"Wie ich immer sage: Er geht die Sache dank seiner Formel-1-Schule auf eine analytische Weise an, und das hat uns definitiv geholfen. Ich kann nicht genau sagen, was das für die Rundenzeit bedeutet, aber er unterstützt uns auf jeden Fall enorm."
"Bei jedem Test geht es ihm um den Spaß, aber er findet auch Freude daran, ein Auto schneller zu machen. Das ist für uns ein großer Vorteil", betont Frey-Hilti-
Süchtig nach Motorsport
Der Test auf der Nürburgring-Nordschleife wirft auch die Frage auf, ob dies ein möglicher erster Schritt zur Vorbereitung auf eine spätere Teilnahme am berühmten 24-Stunden-Rennen war. Dafür müssen die Fahrer jedoch ein Lizenzverfahren durchlaufen, das unter anderem vorsieht, dass sie mindestens zwei Rennen in der NLS gefahren sein müssen.
Ob Verstappen das in Zukunft tun wird, um an den 24 Stunden vom Nürburgring teilzunehmen? "Das wissen wir nicht, das ist noch völlig offen", antwortet Frey-Hilti. "Es gibt Regeln, die er erfüllen muss. Ich weiß nicht, ob es für ihn bald Möglichkeiten gibt, die Nordschleife wieder zu besuchen."
Sollte es dazu kommen, ist Frey-Hilti bereit, den 27-jährigen Niederländer mit seinem Team zu unterstützen. "Immer wenn er darum gebeten hat, haben wir unser Bestes gegeben, um seine Autos so gut wie möglich vorzubereiten", sagt der Teamchef.
"Er liebt die Nordschleife absolut, und ich hoffe, dass diese Begeisterung nach seinen ersten echten Runden noch zugenommen hat. Also denke ich, dass die Chancen gut stehen - wenn es der Formel-1-Kalender zulässt und so weiter ... Sobald er die Lizenz hat, wird er sicher ein paar Rennen im GT3 fahren."
Dass Verstappen die Nordschleife liebt, steht fest. Nach dem Formel-1-Qualifying in Imola war zu sehen, wie der Red-Bull-Pilot an einem Sim-Rennen auf iRacing teilnahm - und zwar, wie könnte es anders sein, auf der Nordschleife.
Angesprochen auf Verstappens offensichtliche Faszination für die "Grüne Hölle", ergänzt Frey-Hilti: "Er ist süchtig nach Motorsport. Wenn du zu einem privaten Test fährst ... Er macht das in seiner Freizeit, aber trotzdem sitzt er bis spät in die Nacht mit den Ingenieuren und Mechanikern zusammen, um unser GT3-Auto zu verbessern."
"Seine Hingabe und sein Fokus auf den Motorsport ... Er kennt alle Details, auch über alle GT3-Fahrer. Er schaut sich all unsere Rennen an und fragt nach den Entscheidungen, die wir getroffen haben - und warum. Er stellt also viele Fragen. Diese Hingabe ist unglaublich."
Der Max-Faktor
Nach dem Test ging es - neben seinem Pseudonym - vor allem um die angebliche Verbesserung des Rundenrekords. Offiziell ist diese Zeit nicht in den Büchern verzeichnet, aber Frey-Hilti bestätigt, dass das Team die Rundenzeit durchaus festgehalten hat.
Eine genaue Zeit nennt er nicht, aber er lässt durchblicken, dass Verstappen "superschnell" war. "Und ehrlich gesagt, hat mich das nicht wirklich überrascht", fügt er sofort hinzu. "Auf anderen Strecken war er nach nur einer Runde ebenfalls sofort auf Tempo. Was er im GT3 zeigt, ist einfach von einer anderen Welt."
Dass ein Formel-1-Fahrer sofort in einem GT3-Auto schnell ist, ist laut Frey-Hilti keineswegs selbstverständlich. "Der Fahrstil ist nämlich ein anderer", erklärt der ehemalige Rennfahrer, der 2015 noch auf dem Podium der SP8-Klasse bei den 24 Stunden am Nürburgring stand. "Aber auch im GT3 ist er eine Klasse für sich."
"Ich habe viele Rennen auf der Nordschleife bestritten und erinnere mich daran, dass ich eine ganze Weile brauchte, um auf Tempo zu kommen - obwohl ich damals nicht so viel gezockt habe!", scherzt Frey-Hilti in Anspielung auf Verstappens Sim-Racing-Aktivitäten. "Es ist wirklich unglaublich. Nach sechs Runden fuhr er bereits die schnellste Zeit."
Die GT3-Meisterschaften sind bekannt für ihre harten Duelle auf der Strecke, nicht zuletzt, weil viele erfahrene Fahrer die Autos und Strecken in- und auswendig kennen.
Dass Verstappen bei einem Test ins Auto steigt und nach nur wenigen Runden einen inoffiziellen Rundenrekord aufstellt, zeigt laut Frey-Hilti sein "unglaubliches Talent". "Ebenso wie seine großartige Hingabe, sich selbst und das Auto zu verbessern", sagt der Schweizer.
Max Verstappen's first steps on the Nordschleife
"Er hat uns mit wertvollem Feedback zur Abstimmung versorgt. Aber es war kein offizieller Testtag, und es war weder unser Ziel noch das von Max, einen Rekord aufzustellen. Er wollte einfach Spaß haben und testen. Die Bedingungen für schnelle Runden waren gut: die Temperatur, wenig Verkehr am Morgen ..."
"Wir wissen nicht einmal, welche Rundenzeiten die anderen gefahren sind. Aber das ist die Max-Faktor. Wir können mit vielen schnellen Fahrern testen, aber er ist einfach unglaublich."
Bester Testfahrer der Welt
Dass Verstappen bei Emil Frey Racing ins Auto steigen konnte, liegt daran, dass es eine Zusammenarbeit mit Verstappen.com Racing gibt - dem eigenen Rennteam von Max Verstappen.
Verstappen.com Racing ist selbst in der GT World Challenge Europe Endurance mit dem Aston Martin Vantage GT3 aktiv, während in der DTM und GT World Challenge Europe Sprint eine Kooperation mit Emil Frey Racing besteht. Dies bringt beiden Parteien erhebliche Vorteile.
"Wir haben die Möglichkeit, zwei Fahrer aus seiner Akademie in der GT World Challenge einzusetzen - und Thierry in der DTM", erklärt Frey-Hilti. "Wir haben also eine starke Fahreraufstellung, und er testet für uns. Auf technischer Ebene haben wir eine großartige Zusammenarbeit mit Verstappen.com Racing."
"Ich denke, wir haben den besten Testfahrer der Welt für ein GT3-Auto!", lacht der Teamchef. "Das ist wirklich ein großer Vorteil. Und wir haben gute Fahrer, die viel pushen."
Frey-Hilti hebt dabei auch Chris Lulham hervor. Der 22-jährige Brite hat über das Sim-Racing-Team von Verstappen, Team Redline, den Sprung in den echten Motorsport geschafft und das gleich auf höchstem GT3-Niveau.
"Stellen Sie sich vor, Sie kommen aus dem Sim-Racing und erzielen solche Ergebnisse im wettbewerbsintensivsten GT3-Championship", zeigt er sich beeindruckt.
Lulham war ebenfalls beim vielbeachteten Test auf der Nordschleife dabei und schlug sich laut Frey-Hilti beachtlich: "Es war sein erstes Mal auf der Nordschleife, und er war nicht viel langsamer als Max", berichtet er. "Diese neue Generation ist unglaublich. Ich hätte nie erwartet, dass jemand wie Chris aus dem Sim-Racing kommt und dann so schnell ist."


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