Reifenspiel in der Formel 1: Was Pirellis C6 in Monaco bewirken soll

Spektakel statt Prozession: Mit dem neuen C6-Reifen will Pirelli mehr Spannung und Strategievielfalt nach Monaco bringen - Wie das funktionieren soll

(Motorsport-Total.com) - In Monaco werden in diesem Jahr zwei Boxenstopps verpflichtend sein - in der Hoffnung, die Show etwas spannender zu machen. Doch das funktioniert hier wie auch anderswo nur, wenn es verschiedene Strategiemöglichkeiten gibt, und dabei spielt der neue C6-Reifen von Pirelli eine zentrale Rolle.

Titel-Bild zur News: Pirelli Motorhome

Ob Pirellis Strategieplan für Monaco wirklich aufgeht? Zoom

Überholmanöver auf dem Straßenkurs in Monte-Carlo sind eine Seltenheit. Fahrer beklagten sich seit jeher über die engen Gassen. Tatsächlich vermuten wir, dass das letzte echte Überholmanöver um die Führung, das nicht direkt am Start stattfand, 1985 geschah.

Damals drängte Michele Alboreto sich in der Sainte Devote in Runde 24 an Alain Prost vorbei. Positionswechsel resultieren sonst meist aus Boxenstrategien oder Zwischenfällen.

Letztes Jahr führte eine rote Flagge nach einem Dreifachcrash in der ersten Runde dazu, dass das gesamte Feld den vorgeschriebenen Reifenwechsel während der Unterbrechung absolvieren konnte. Das Ergebnis war eine Prozession: Das Reifenmanagement dominierte und die Punkteränge entsprachen der Startaufstellung.

"Ich glaube, zeitweise fuhren wir langsamer als die Formel 2", sagte Oscar Piastri, der hinter Charles Leclerc Zweiter wurde. Niemand wollte erneut an die Box und dadurch die Position verlieren. Und obwohl langsamer gefahren wurde, gab es kaum Überholversuche, weil das Reifenmanagement Vorrang hatte.

Mehr Boxenstopps, mehr Action?

Im Februar verabschiedete der Motorsport-Weltrat der FIA auf Vorschlag der Formel-1-Verantwortlichen daher die Regel, dass alle Fahrer mindestens drei Reifensätze verwenden müssen, was das Rennen faktisch zu einem Zwei-Stopp-Rennen macht.

Das ist bestenfalls eine Notlösung und soll auf andere Rennen nicht angewendet werden, denn Teams würden sonst wohl wieder ähnliche Boxenstopp-Zeitpunkte wählen.

Um strategische Vielfalt zu ermöglichen, müssen mehrere Optionen mit realen Vorteilen zur Verfügung stehen - und genau deshalb setzt Pirelli große Hoffnungen in den neuen C6-Reifen. Dieser wurde speziell für Stadtkurse wie Monaco entwickelt und kam am vergangenen Wochenende erstmals in Imola zum Einsatz.


Fotostrecke: Schwarzes Gold: Alle Reifenhersteller der F1

Bislang stammten die drei verschiedenen Trockenreifenmischungen, die Pirelli zu jedem Rennwochenende mitbringt, aus dem Spektrum eines fünfteiligen Reifenportfolios. Sollte der C6 häufiger eingesetzt werden als geplant, könnte man Mischungen "überspringen", was zu größeren Leistungsunterschieden führt.

"Teams finden immer einen Weg, eine Einstoppstrategie umzusetzen", sagte Pirelli-Motorsportchef Mario Isola vergangenes Wochenende. "Wir versuchen, sie zu einer Zweistoppstrategie zu bewegen, denn das sorgt für mehr Action, mehr Unvorhersehbarkeit und bessere Rennen. Aber wenn die drei Mischungen so nah beieinanderliegen, versuchen sie immer, mit hart und medium einen Stopp zu machen."

Dass die Reifenmischungen zu ähnlich sind, ist ein bekanntes Problem, das in diesem Jahr stärker ins Gewicht fällt. Denn Pirelli hat sie überarbeitet, um sie widerstandsfähiger zu machen - auf Wunsch der Fahrer, die länger pushen wollen.

Das hat dazu geführt, dass es seltener Strategien mit unterschiedlichem Reifenzustand gibt, bei denen Fahrer mit frischen Reifen am Ende des Rennens aufholen.

C6 nicht nur für Monaco in Planung

Da die Mischungen homologiert sind und während der laufenden Saison nicht verändert werden dürfen, bleibt nur die Möglichkeit, die vorhandenen Optionen auf andere Weise einzusetzen. Pirelli plant, für die kommenden Rennen neue Simulationen mit den gesammelten Daten der ersten Rennen zu erstellen.

Isola meint, dass Pirelli dadurch "sehen kann, ob es Lösungen gibt, zum Beispiel eine Stufe im Reifenspektrum zu überspringen, einen harten Reifen zu haben, der härter ist - wenn man also den harten Reifen nutzen will, wird man durch die Rundenzeit bestraft. Man kann pushen, aber er ist langsamer."

"Und wir müssen verstehen, ob wir mit diesem System einige dazu bringen, im Rennen auf eine Soft-Medium-Strategie zu gehen, was dann ein Zweistopprennen wäre. Wenn man dagegen bei Medium-Hard bleibt, ist das Tempo langsamer."

Hier kommt der C6 ins Spiel. Pirelli wollte ihn auch in Imola ausprobieren, um ein breiteres Leistungsspektrum zu ermöglichen. Als diese neue Mischung - noch weicher als der bisherige C6 - erstmals angekündigt wurde, rechnete man damit, dass sie nur in Monaco oder vielleicht in Las Vegas eingesetzt würde - einem schnelleren Stadtkurs mit niedrigeren Temperaturen wegen des Nachtrennens.

Jetzt bringt Pirelli ihn nach Kanada und denkt auch über Baku, Singapur und sogar Mexiko nach. Zunächst musste er jedoch unter Rennbedingungen außerhalb von Monaco getestet werden, wie Chefingenieur Simone Berra letztes Wochenende erklärte.

"In Monaco Daten für den C6 zu sammeln, wäre nicht wirklich aussagekräftig", sagte er. "Monaco ist ein besonderer Kurs - man kann dort schon wegen des glatten Asphalts und der langsamen Kurven Graining bekommen. Für uns ist es wichtig, hier [in Imola] Daten zu sammeln, auch für die Auswahl in der zweiten Saisonhälfte."

Imola diente als Machbarkeitsnachweis, ob der C6 mit Kurven zurechtkommt, die den Reifen höheren Energien aussetzen. Die wichtigste Erkenntnis: Der Reifen hat ein enges Leistungsfenster. Auf einer Strecke wie jener Imola mit ihren schnellen, fließenden Kurven bauen sich schnell thermische Spannungen auf, und der Reifen kann schon innerhalb einer Runde aus dem Optimalbereich fallen.

Der Medium-Reifen wurde damit theoretisch zur besseren Qualifying-Wahl - allerdings auf Kosten eines für das Rennen vorgesehenen Reifensatzes. Zwar kann dies strategisch interessant sein, doch die Beteiligten bevorzugen eine Unterscheidung der Mischungen über das Renntempo, nicht über solche "Risiken".

"Wenn wir uns das Ergebnis hier [in Imola] ansehen", sagte Berra, "können wir besser bewerten, ob es zu riskant ist. Etwa für Singapur überlegen wir, den C6 zu bringen, und auch Mischungen zu überspringen. Also C2, C4, C6 bei bestimmten Rennen einzusetzen, um andere strategische Ansätze zu testen - oder C3, C4 und C6."

Damit das funktioniert, muss der C6 mindestens ein guter Qualifying-Reifen sein. Aber zumindest war der erste Einsatz bereits erfolgreicher als ein früherer Versuch, das Reifenportfolio um eine weichere Stufe zu erweitern. 2018 brachte Pirelli unter einem anderen Namensschema den "Hyper-Soft" in Monaco.

Das unbeabsichtigte Ergebnis war ein größtenteils prozessionsartiges Rennen, bei dem die Fahrer mit der neuen Mischung sehr vorsichtig unterwegs waren. Zwei Pflichtstopps sollten dieses Jahr verhindern, dass das Rennen auf ähnliche Weise verläuft.

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