• 20.11.2002 08:34

  • von Fabian Hust

Ecclestone: "Die Ideen der Hersteller sind albern"

Bernie Ecclestone spricht ausführlich über die Probleme in der Formel 1 und durchgeführte und geplante Reglementänderungen

(Motorsport-Total.com) - Formel-1-Boss Bernie Ecclestone sprach im Rahmen einer Pressekonferenz in Australien ausführlich über die Probleme in der Formel 1 sowie durchgeführte und geplante Reglementänderungen.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone

Bernie Ecclestone glaubt an eine erfolgreiche Zukunft der Formel 1

Frage: "Glauben sie, dass die neuen Regeln für spannendere Rennen sorgen werden?"
Bernie Ecclestone: "Ich denke, dass dies so sein wird. Die Leute arbeiten zwei Tage daran, eine gute Startposition zu erzielen und der Schnellste zu sein. Der Schnellste steht auf Pole und jeder wird überrascht sein, wenn dem nicht so ist, das ist logisch. Es wäre schön, wenn man den Schnellsten ganz nach hinten setzen könnte, ihn durch das Feld fahren lässt, aber das ist nicht die Formel 1, darum dreht es sich hier nicht. Aber mit diesem neuen System könnte das durchaus passieren, denn jeder hat nur eine Runde. Es sieht danach aus, als wäre das für Michael Schumacher gut, aber sogar jemand wie Michael kann Fehler machen und wenn sie am Limit fahren, kann es sein, dass sie von der Strecke rutschen und sich am Ende des Feldes wieder finden. Die Wetterbedingungen können sich innerhalb von einer Runde verändern, die Strecke kann ölig werden, oder andere Dinge können passieren. Wir könnten also andere Startaufstellungen sehen. Wenn wir eine andere Startaufstellung haben, werden wir sicherlich auch andere Rennen sehen."

Frage: "Was sagen sie zu der neuen Möglichkeit, dass man zwei Stunden vor Ort auf der Strecke testet und dafür auf Testfahrten verzichtet?"
Ecclestone: "Wenn ich ein Team leiten würde, so würde ich lieber zwei Extra-Stunden fahren als auf einer Strecke zu testen, auf der wir nicht sofort danach fahren. Ich würde mit meinem Team nach Melbourne kommen und zwei Stunden mehr fahren als ein paar andere Teams. Das ist ein großer, großer Vorteil."

Frage: "Sind sie mit den durch die Formel-1-Kommission durchgenommenen Veränderungen vollständig zufrieden?"
Ecclestone: "Ja."

Regeländerungen waren notwendig

Frage: "Sie hätten das ja vielleicht gar nicht alles machen müssen, wenn Frank Williams oder Ron Dennis ausreichend gut gearbeitet hätten?"
Ecclestone: "Absolut. Wie sie gesagt haben, sie müssen es auf die Reihe bekommen. Dann müssten wir solche Diskussionen gar nicht führen. Aber gleichzeitig bin ich mir da gar nicht sicher. Wir haben schrecklich lange mit diesen Regeln gelebt und wir hätte vielleicht ein paar von diesen Dingen anschauen müssen und hätten sie verändern sollen. Das gilt auch für die technischen Regeln, die Leute legen immer wieder nach, das kostet jeden eine Menge Geld. Sobald jemand etwas unternimmt, müssen die anderen nachziehen."

Frage: "Es besteht die Möglichkeit, dass die Teams spezielle Qualifying-Autos für dieses System bauen. Können sie das verhindern?"
Ecclestone: "Warum machen sie es jetzt nicht schon? Wenn sie es machen werden, dann hätten sie es doch auch schon jetzt getan. Nein, das denke ich nicht. Im Moment bauen sie ihr Auto um 60 Kilogramm untergewichtig, um 60 Kilogramm Zusatzgewichte dort zu platzieren, wo sie es möchten, was für die Balance des Autos ein großer Vorteil ist. Es kostet aber eine Menge, dies zu tun. Das ist komplett verrückt. Für alle ist es das gleiche. Es ist nicht so, dass man jemandem einen Vorteil oder Nachteil verschafft. Wir müssen alle diese Dinge überdenken."

"Ferrari war ein wenig arrogant"

Frage: "Die Teamorder ist eine andere Sache. Das ist immer schwierig zu überwachen."
Ecclestone: "Absolut. Die Diskussionen begannen, wie wir alle wissen, nach Österreich. Das Problem war, dass Ferrari ein wenig arrogant wurde. Sie haben sich nicht genügend Gedanken darüber gemacht, wen sie damit aufregen werden. Sie haben sich gesagt 'Es gibt keine Regel, die uns daran hindert, das zu tun'. Sie hätten das vielleicht ein wenig intelligenter machen können. Rubens Barrichello hätte den Sieg verdient gehabt, warum haben sie ihn nicht gewinnen lassen? Jeder wusste sowieso, dass Michael die Weltmeisterschaft gewinnen wird, warum haben sie dies dann tun müssen?"

Im Vergleich zu anderen Sportarten steht die Formel 1 sehr gut da

Frage: "Glauben sie, dass die ganzen Veränderungen die Zuschauerzahlen wieder verbessern werden? Es gibt ja keine Probleme mit den Ländern, sie alle wollen Rennen, doch mit den Zuschauerzahlen geht es nach unten."
Ecclestone: "In diesem Jahr gingen die Zahlen in Frankreich zurück, aber dies lag an den Wahlen und statt live um 14 Uhr wurde es spät in der Nacht gezeigt. In England gab es zur gleichen Zeit Tennis, was natürlich in Europa ein Problem war bei den Leuten, die sich für Tennis interessieren. Wenn sie sich die Zahlen angucken, so waren die meisten gleich hoch wie im Jahr zuvor und wenn man sich die Formel 1 im Vergleich zu anderen Sportarten anschaut, so haben wir uns sehr, sehr gut gehalten. Ich möchte da nicht stehen bleiben, ich möchte zulegen."

"Pay per view funktioniert nicht"

Frage: "Das digitale Fernsehen war eine große Enttäuschung. Sie wurden in dieser Woche zitiert, dass sie sich wundern, dass es nicht mehr Leute in der Welt anschauen."
Ecclestone: "Ja. In der Welt? Es ist nicht in der ganzen Welt verfügbar. Frankreich, Italien und England. Was wir produziert haben ist sehr, sehr gut. Was die Leute zahlen wollen, darüber war ich erschüttert, sie haben es nicht gezahlt und sie werden es auch nicht. Aber das ist ein weltweites Problem. Pay per view funktioniert nicht. Und niemand weiß warum."

Frage: "Und was passiert nun in Zukunft?"
Ecclestone: "Ich möchte zu diesem Thema sagen, dass mit der all der Erfahrung und der Ausrüstung, die wir haben, wir nun das Free-TV füttern können, so dass jeder eine viel, viel bessere Show bekommen wird, wenn dies das richtige Wort ist. Es wird eine Menge mehr zu sehen geben."

"Ein paar neue Gesichter sind immer gut"

Frage: "Was sagen sie zum Wechsel Mark Webbers in einer größeres und besseres Team. Sie werden wohl auch für Pizzonia Applaus spenden, der in die Formel 1 kommt. Ist das eine gute Sache?"
Ecclestone: "Ja, und Fernando Alonso bei Renault. Es ist gut, ein paar neue Gesichter zu sehen, denn wie bei unseren Regeln waren vielleicht einige der Älteren zu lange dabei, vielleicht war ich das auch, und vielleicht sollten wir etwas anderes machen. Ich denke, dass es immer gut ist, ein paar neue Gesichter zu sehen."

Frage: "Der neuste Teameigner ist Paul Stoddart. Spüren sie eine Seelenverwandtschaft zu ihm? Er hat wirklich hart gearbeitet, um sein kleines Team am Leben zu erhalten."
Ecclestone: "Er hat persönlich ein paar finanzielle Risiken auf sich genommen, um sicher zu stellen, dass es weitergehen wird. Ich würde es aus diesem Fall schrecklich finden, wenn ich sehen müsste, wie er untergeht, denn es sieht so aus, als käme er nun mit allem zurecht. Ich bin mir sicher, dass er nun alles gelernt hat, was notwendig ist und im nächsten Jahr wird man ein anderes Minardi-Team sehen."

Vorteil für Sponsoren kleinerer Teams

Frage: "Gibt es in der Formel 1 überhaupt noch Raum für Formel-1-Teams, die nicht an einen großen Hersteller gebunden sind?"
Ecclestone: "Es gibt Raum für sie, aber ich denke, dass es die Sponsoren anders sehen müssen, als dies zum Beispiel Vodafone und Marlboro bei Ferrari tun. Sie sollten denken 'Wir gewinnen nicht, aber wir können trotzdem daraus eine Menge machen' und mit dem neuen Qualifying-System, werden sie die gleiche Qualifying-Abdeckung erhalten wie Ferrari, exakt die gleiche. Im Rennen werden wir auch etwas mehr Zeit im hinteren Feld verbringen als nur beim Sieger zu hängen, wer auch immer das sein mag."

"Alberne Ideen"

Frage: "Es soll nun noch ein paar andere Veränderungen an der Formel 1 geben, vor allem in Bezug auf die Technik. Wo sehen sie den Grand-Prix-Sport in zwei oder drei Jahren?"
Ecclestone: "Wenn wir vernünftig handeln, so kann der Sport noch enorm wachsen, aber wir müssen mit dem Unsinn der Hersteller und ihren albernen Ideen der Konkurrenzserie und all diesen Dingen umgehen. Wir müssen uns zusammensetzen, das Concorde Agreement verlängern, so dass es eine langfristige Stabilität gibt und dann können wir enorm wachsen."

Frage: "Sie sprechen mit den Herstellern und man kann davon ausgehen, dass das ein Herr Ecclestone in den Griff bekommt?"
Ecclestone: "Ja, wir tun unser Bestes."

"20 Autos reichen aus"

Frage: "Wir haben zurzeit weniger Teams als in der Vergangenheit. Prost ist verschwunden, wir sind uns im Moment nicht sicher, was mit Arrows ist. Wissen sie näheres über Arrows und sind 20 Autos in der Startaufstellung ausreichend genug Autos?"
Ecclestone: "Sie sollten das eigentlich besser wissen. Wir haben mehr Teams als in der Vergangenheit. Sie können sich sicherlich daran erinnern, dass wir weniger Teams hatten."

Frage: "Ich kann mich daran erinnern, dass wir 16 Autos in der Startaufstellung hatten."
Ecclestone: "Exakt. Das ist also nichts Neues. Es war schlecht, als wir die Vorqualifikation hatten. Das war alles andere als gut. Die ganze Finanzierung hat sich in den letzten 25 Jahren um 20 Autos gedreht, wir haben also immer mit 20 Autos gerechnet."

"Es wäre schön, alle Fahrer in einem Ferrari zu sehen"

Frage: "Glauben sie, dass Niki Lauda mit Jaguar einen Schritt nach vorne machen kann?"
Ecclestone: "Nun, Niki ist nicht gerne dort, wo er im Moment ist, sie geben also ihr Bestes. Sie haben im kommenden Jahr einen neuen Motor, der hoffentlich zuverlässig sein wird. Hoffentlich werden sie mehr PS haben, auch wenn ihr diesjähriger Motor nicht so schlecht war. Am Chassis arbeiten sie natürlich wie jeder andere auch dran. Irvine hatte ein oder zwei gute Rennen in diesem Jahr, als sie es auf die Reihe bekamen, es gibt also keinen Grund, warum ihnen das nicht gelingen sollte. Wenn jemand denkt, dass Webber ein Superstar werden wird und er im kommenden Jahr drei oder vier Mal auf dem Podium steht, so wird das meiner Meinung nach nicht passieren, auch wenn ich hoffe, dass es so kommen wird. Aber er wird mit Sicherheit einen guten Job machen, gar keine Frage. Wir haben von ihm noch nicht das Beste gesehen in dem Auto, in dem er bisher saß und wir werden auch jetzt vielleicht nicht das Beste von ihm sehen. Es wäre schön, alle Fahrer in einem Ferrari zu sehen. Wenn Ferrari irgendwo seine Autos hinbringen würde, und man würde einmal alle damit fahren lassen, so würde man sehr schnell herausfinden, wer gut ist und wer nicht."

Frage: "Ist es mit den ganzen Fahrhilfen heute einfacher ein Formel-1-Auto zu fahren?"
Ecclestone: "Ich habe in letzter Zeit keines gefahren."

"Es ist für mich schwierig, einen Computer zu verwenden"

Frage: "Denken wir doch einmal 40 Jahre zurück."
Ecclestone: "Es ist für mich schwierig, einen Computer zu verwenden, ich denke also, dass es für mich nicht mehr möglich ist, ein Formel-1-Auto zu fahren. Ist es einfacher? Ich denke, dass heute ein anderer Typ Fahrer benötigt wird. Der Fahrer, der heute gewinnt, ist jemand, der sich durch den Sport denkt und weniger die Augen schließt und auf der letzten Rille bremst."

Frage: "Werden wir also alles in allem eine prächtige Zukunft in der Formel 1 vor uns haben?"
Ecclestone: "Ja. Wenn man darüber nachdenkt, dass wenn Michael die gleiche Zuverlässigkeit wie Rubens gehabt hätte und sie Rubens nicht langsamer gemacht hätten ? denn wenn sie wollten, dass er Zweiter wird, dann haben sie das wohl getan. Michael wäre in vier oder fünf Rennen ausgefallen und man hätte eine völlig andere Weltmeisterschaft gesehen. Und Rubens hätte vielleicht die Rennen gewonnen, in denen er ausgefallen wäre. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, dass ein Fahrer nicht nur 17 Rennen beendet hat sondern auch alle 17 auf dem Podium beendet hat."

Frage: "Das war ziemlich außergewöhnlich."
Ecclestone: "Das war eines dieser Jahre."

Frage: "Bestes Auto, beste Mechaniker und der beste Fahrer kamen zusammen."
Ecclestone: "Und eine ziemliche Menge Glück."

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