• 22.02.2002 10:17

  • von Reinhart Linke/Marcus Kollmann

Dupasquier: "Müssen noch eine Menge lernen"

Der Franzose im Interview über die Reifen, BMW-Williams, McLaren und warum vermutlich kein Michelin-Team den Weltmeister stellen wird

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Da das McLaren-Mercedes-Team in diesem Jahr genauso wie der BMW-Williams-Rennstall mit Michelin-Reifen antritt, glauben einige Experten, dass der eigentliche Kampf um den Fahrertitel in diesem Jahr in erster Linie zwischen Michael Schumacher und dem französischen Reifenhersteller ausgetragen wird. Im vergangenen Jahr konnte Michelin mit den BMW-Williams-Fahrern Ralf Schumacher und Juan-Pablo Montoya vier Rennen gewinnen. Diese Erfolge feierten die Franzosen jedoch alle auf Kursen mit langen Geraden. Da in diesem Jahr auch McLaren-Mercedes auf Michelin-Reifen fährt, wird der Reifenhersteller eine weitere Vergleichsmöglichkeit haben, um festzustellen ob es auf einigen Kursen mit den Reifen ein Problem gibt oder ob etwaige Schwierigkeiten vielleicht eher auf Probleme mit dem Auto der Partner zusammenhängen.

Titel-Bild zur News: Michelin-Motorsportdirektor Pierre Dupasquier

Dupasquier glaubt, dass Michelin noch viel lernen muss

Michelin hat aus den Erfahrungen der letzten Saison gelernt und seine Reifen für den Einsatz in dieser Saison weiter verbessert. In diesem Zusammenhang wurde in diesen Tagen von einem angeblich regelwidrigen Reifen gesprochen, den Michelin entwickelt haben soll. Bevor diese Gerüchte auftauchten, sprach Michelin-Motorsportdirektor Pierre Dupasquier über die Erfolge in der letzten Saison, die neue Situation, mit BMW-Williams und McLaren-Mercedes zwei Top-Teams zu haben, sowie seine Meinung über die Chancen der Michelin-Piloten im Kampf um die Weltmeisterschaft.

Frage: "Williams hat letzte Saison vier Rennen gewonnen. Waren Sie mit dieser Anzahl zufrieden?"
Pierre Dupasquier: "Ja, mehr als zufrieden. Aber man weiß natürlich nicht bei jedem Mal, warum man gewinnt. Wir haben nur erlebt, dass Williams großartige Arbeit geleistet hat, ein gutes Auto hatte und unter einigen Umständen schnell war. Aber unter anderen Umständen kannten wir die Gründe für unsere Langsamkeit nicht. Zum Beispiel wussten wir in Spa-Francorchamps, als Fisichella es auf das Podium schaffte, dass etwas mit dem Williams-Boliden nicht in Ordnung gewesen sein muss, doch darüber gab es keine Gewissheit. Mit McLaren in unseren Reihen werden wir nun eine bessere Vergleichsmöglichkeit haben."

Frage: "Glauben Sie, dass es positiv für Williams sein wird, dass ein weiteres Top-Team auf Michelin-Reifen unterwegs sein wird?"
Dupasquier: "Zu Beginn hat Frank Williams gesagt: 'Ich kann Ron Dennis gut leiden, denn er ist ein Freund, aber er ist gleichzeitig auch ein Gegner.' Jetzt ist er aber glücklich und sagt: 'Das war die richtige Entscheidung, denn nun wissen wir auch besser Bescheid wo wir stehen.' Wenn unsere vier Fahrer von McLaren und Williams keine Leistungen zeigen können, dann werden wir definitiv wissen dass wir ein Reifenproblem haben. Aber wenn ein Team gut ist und das andere nicht, dann liegt das Problem vielleicht an etwas anderem. Am ersten Testtag in Barcelona mit Regen war McLaren beispielsweise 1,5 Sekunden schneller als das Williams-Team unterwegs. Williams sagte daraufhin: 'Wir müssen am Auto arbeiten und es verbessern.' Wenn man in der Formel 1 erfolgreich ist, dann liegt das am Gesamtpaket, welches aus der Aerodynamik, dem Chassis, dem Motor und den Reifen besteht."

Frage: "Wird es Situationen geben in denen Ihre beiden Top-Teams in Sachen Entwicklung der Reifen anderer Meinung sein werden?"
Dupasquier: "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob wir uns in dieser Situation befinden werden oder nicht. Die Autos in der Formel 1 liegen leistungsmäßig sehr nah beieinander. Der Unterschied zwischen ihnen ist doch lediglich der, dass man in einigen Autos Rennen gewinnen kann und in anderen nicht. Von den technischen Spezifikationen her sind sie sich sehr ähnlich - gleiches Gewicht, gleiche PS-Zahl, gleiche Aerodynamik. Kleine Unterschiede entscheiden darüber ob ein Auto für Siege gut ist oder nicht. Wenn wir Verbesserungen an den Vorderreifen für ein Auto vornehmen, so ist die Chance recht groß, dass es auch für die anderen Teams und deren Autos von Vorteil sein wird. Wenn sich dadurch die Balance jedoch verändert, dann müssen wir untersuchen ob es nun wirklich eine Verbesserung oder nur einer Änderung der Balance ist und ob das Auto entsprechend angepasst werden muss, sodass es vom neuen Reifen profitieren kann oder nicht. Ich bin sicher, dass die Ingenieure, mit denen wir zusammenarbeiten, alle sachkundig und schlau genug sind, um sich mit uns zusammenzusetzen und herauszufinden wo die Verbesserung zu suchen ist und wer etwas verändern muss."

Frage: "In der letzten Saison sind die Michelin-Teams oftmals mit angefahrenen Reifen in die Grand Prix gestartet. Wird das auch dieses Jahr wieder so sein?"
Dupasquier: "In der letzten Saison hatten wir Reifen die man nicht hätte anfahren müssen. Doch diese Reifen haben die Teams nicht gemocht. Wir haben das auf keinen Fall mit Absicht gemacht. Unsere Reifenkonstruktion unterscheidet sich aber sehr von der Bridgestones. Wir stellen sehr weiche Reifenmischungen zur Verfügung, was mit dem Reglement zusammenhängt, wodurch das Verhalten in den ersten 10 oder 12 Runden ziemlich unvorhersehbar sein kann. Wir haben versucht an diesem Verhalten mittels der Rillen und einigen Tricks zu arbeiten, doch es scheint nicht zu funktionieren."

Frage: "Glauben Sie, dass McLaren etwas Zeit benötigen wird, um das Verhalten Ihrer Reifen zu verstehen?"
Dupasquier: "Nun, um diese Frage zu beantworten möchte ich gerne ein Beispiel bringen. 1981, als wir alle Teams mit Reifen belieferten, hatten die britischen Teams keinen Michelin-Reifen zuvor gesehen und doch dominierten sie von Beginn an. Alan Jones gewann gleich das erste Rennen im Williams. Ich glaube, dass unsere Partner als auch wir selbst noch eine Menge verstehen lernen müssen. Deshalb wird es nicht leicht werden, doch ich bin zuversichtlich, dass Adrian Newey hart arbeitet, um zu verstehen was Sache ist und herausfindet wie wir noch mehr Vorteile aus unseren Reifen bekommen können. Ganz zum Anfang hatten wir keine Ahnung wie sich unsere Reifen verhalten würden, doch wir haben das herausgefunden. Jetzt ist das Verhalten der Michelin-Reifen bestens bekannt. Ich bin überzeugt, dass die Ingenieure von McLaren aufmerksam verfolgt haben was wir letzte Saison so getrieben haben. Die Technik und Art wie man die Reifen nutzen kann ist zu diesem Zeitpunkt weitaus besser bekannt als im letzten Jahr zur selben Zeit."

Frage: "Aber Sie denken schon, dass McLaren sich erst anpassen muss oder?"
Dupasquier: "Die Reifen zu 100 Prozent richtig zu benutzen ist nicht so einfach. Wenn einem das jedoch gelingt, ist man ganz vorne, spielend einfach. Es ist so wie mit allen anderen Sachen auch. Wenn ein Motor 900PS leistet aber nur für sehr kurze Zeit, macht sein Einsatz keinen Sinn. Aber wenn es einem gelingt diese unglaubliche Power kontinuierlich zu Nutze zu machen ist man ganz vorne. In der letzten Saison war es so, dass wir, wenn wir ein gutes Package hatten, absolut dominiert haben. Niemand konnte Ralf oder Juan-Pablo, wenn diese an der Spitze fuhren, gefährlich werden."

Frage: "Denken Sie, dass eine gute Chance besteht, dass einer Ihrer Fahrer dieses Jahr Weltmeister wird?"
Dupasquier: "Nein, glaube ich nicht. Denn das Punktesystem ist so aufgebaut, dass man es sich nicht leisten kann Punkte zu verlieren. Michael Schumacher wird ganz sicher keine Gelegenheit auslassen Punkte zu holen, denn von den Bridgestone-bereiften Teams und Fahrern sehe ich keinen der vor ihm liegen wird. Wenn aber jemand wirklich die Nerven besitzen sollte sich dem entgegenzusetzen, dann wird man diesem jemanden schon sagen, dass das so nicht richtig ist. So denke ich darüber. Ich hoffe jedoch, dass viele unserer Fahrer Punkte holen werden und das schließt Rennsiege mit ein, doch das alleine reicht nicht zum Gewinn der Weltmeisterschaft. Aber wir wissen ja noch nicht wie sich alles entwickeln wird... Wir werden sehen, wie die Karten dieses Jahr gemischt sind."