• 20.02.2002 17:55

  • von Marcus Kollmann

Hamashima: Wollen erneut bester Reifenhersteller sein

Bridgestones Chef der Reifenentwicklung spricht über die Wintertests, den Wechsel von McLaren zu Michelin und die neuen Reifen

(Motorsport-Total.com) - Wie in jedem Jahr wird auch in dieser Saison die Leistungsfähigkeit der Reifen eine wichtige Rolle im Ausgang der Rennen spielen. Während McLaren-Mercedes Ende letzter Saison zu Michelin wechselte und sich von der Zusammenarbeit mit den Franzosen langfristig Vorteile verspricht, setzt Ferrari als einziges Top-Team auch dieses Jahr auf Bridgestone. Schon letzte Saison bekam der japanische Reifenlieferant vier Mal zu spüren, dass Michelin in die Formel 1 zurückgekehrt ist, um so schnell wie möglich mit einem seiner Partner-Teams Weltmeister zu werden.

Titel-Bild zur News: Bridgestone-Techniker

Bridgestone betreibt diese Saison ein noch intensiveres Testprogramm

Zwar hatten die Franzosen in der Saison 2001 mehrmals Lehrgeld zu bezahlen, doch insgesamt lieferten sie in ihrer Debüt-Saison eine beeindruckende Vorstellung ab. In diesem Jahr erwarten Motorsport-Experten einen regelrechten "Reifenkrieg" zwischen beiden Reifenlieferanten. Wie sich Bridgestone auf die Saison 2002 vorbereitet hat, welchen Einfluss das Wintertestverbot und der Wechsel von McLaren zur Konkurrenz auf die Entwicklung hatte und welche Ziele man verfolgt, darüber spricht Hirohide Hamashima, der Leiter der Reifenentwicklungsabteilung, im nachfolgenden Interview.

Frage: "Welche Prioritäten hat Bridgestone bei der Entwicklung über den Winter gesetzt?"
Hirohide Hamashima: "Konstanz in der Leistungsfähigkeit. Denn bei der Weiterentwicklung der Autos sind Reifen die eine konstante Leistung bringen besser als Reifen die gewisse Leistungsspitzen haben. Außerdem kann man so akkuratere Daten bei den Testfahrten gewinnen, was später wiederum bei der Wahl der richtigen Rennstrategie von Vorteil ist. Als Beispiel kann man anführen, dass man mit abnehmender Benzinmenge schnellere Rundenzeiten fahren kann, wie viel schneller man aber sein wird, hängt maßgeblich auch von der Konstanz der Reifenperformance ab. Die Leistung der Reifen in den ersten fünf Runden, in welchen für gewöhnlich viele Positionsänderungen vorkommen, sind ebenfalls ein entscheidender Faktor."

Frage: "Inwiefern haben Sie sich bei der Verbesserung auf in der Saison 2001 zum Vorschein gekommene Probleme und Schwächen konzentriert?"
Hamashima: "Mit Fortschreiten der letzten Saison war klar zu erkennen, dass wir auf den technischeren Strecken am stärksten waren. Nichtsdestotrotz konnten Bridgestone-bereifte Autos 13 von insgesamt 17 Rennen gewinnen, was keine schlechte Quote ist. Aber natürlich besteht immer Raum für Verbesserungen. Wenn wir uns jedoch zu sehr auf die Hochgeschwindigkeitsstrecken konzentriert hätten, wären wir auf den anderen Strecken vermutlich schlechter gewesen. Aber es macht keinen Sinn darüber nachzudenken ob wir in 2001 jene Rennen gewinnen hätten können. Hätten wir uns darüber den Kopf zerbrochen, so wäre unsere Einstellung für die neue Saison nicht richtig, nicht aggressiv genug gewesen. Unsere Strategie ist die, dass wir unsere Simulationen über den Ausgang eines jeden Rennens anhand der gesammelten Daten verbessern und für jede Strecke den passenden Reifen herstellen. Wir glauben, dass das unser Schlüssel zum Erfolg in diesem Jahr sein wird."

Neue Reifenmischungen für Saisonauftakt in Australien

Frage: "Was unterscheidet die Reifen dieser Saison von denen der letzten?"
Hamashima: "Wir werden mit brandneuen Reifenmischungen, sowohl weichen als auch harten Mischungen, in die Saison starten. Diese sind so entworfen worden, dass sie mehr Grip bieten und noch besser der Hitze widerstehen, was bessere Rundenzeiten zur Folge haben wird. In punkto Reifenkonstruktion hat es nur wenige Veränderungen gegeben."

Frage: "Die Fahrer verlangen immer nach mehr Grip. Wie gehen Sie mit den persönlichen Wünschen der Piloten um?"
Hamashima: "Es ist ganz normal, dass jeder Fahrer sich bestimmte Charakteristiken eines Reifens wünscht. Unsere Ingenieure sprechen mit den Piloten bei den Rennen und Testfahrten und hören ihnen gewissenhaft zu, sodass die geäußerten Vorschläge auch in die Reifenentwicklung einfließen können. Das Reglement erlaubt jedoch nur zwei Reifenspezifikationen für Trockenwetter und wir haben fünf Teams und zehn Fahrer, weshalb nicht alle immer zufrieden sein können. Unsere Aufgabe kann nur sein die besten Reifen für jede Rennstrecke mit so viel Grip und Konstanz in der Performance wie möglich zu entwickeln."

Frage: "Die Regenreifen und Intermediates von Bridgestone waren in der letzten Saison sehr gut. Werden Sie größere Veränderungen an diesen Reifen vornehmen?"
Hamashima: "Unsere Regenreifen waren in der Saison 2001 wirklich gut, aber das war im letzten Jahr, weshalb wir uns auf die neue Saison konzentrieren müssen. Insbesondere auch deshalb, weil wir wissen, dass unsere Konkurrenz in diesem Bereich ebenfalls versucht sich stark zu verbessern. Wir haben ein kontinuierliches Programm, um unsere Regenreifen und Intermediates zu entwickeln. Sobald wir glauben einen besseren Reifen gefunden zu haben werden wir diesen auch einsetzen."

Wechsel von McLaren zu Michelin war kein Nachteil

Frage: "Ist die dieses Jahr kürzere Vorbereitungszeit bei den Wintertests ein Nachteil in Sachen Reifenentwicklung gewesen?"
Hamashima: "Nun, die Tatsache, zwei Monaten weniger Zeit für die Tests zu haben, ist natürlich hart gewesen. Wir mussten ja in einer kürzeren Zeit die Arbeit verrichten wozu wir vorher länger Zeit hatten. Auf der anderen Seite hatten wir aber auch mehr Zeit für die Vorbereitungen der Tests und konnten in unseren Anlagen in Japan selbst testen. Auf Grund der langen Winterpause haben wir uns zum Ende der letzten Saison mit allen unseren Partner getroffen, um die Richtung der Entwicklung zu besprechen."

Frage: "Wird der Wechsel von McLaren-Mercedes zu Michelin einen größeren Einfluss auf die weitere Entwicklung der Reifen haben?"
Hamashima: "Nein, denn unsere anderen Partner-Teams versuchen uns die Informationen und Daten zu liefern die wir vorher von McLaren bekommen haben. Bei den Testfahrten gibt sich jedes Team sehr viel Mühe und es wird noch einige Testarbeit geben. Wir verdoppeln unsere Bemühungen sogar.?

Frage: "Einige Teams haben sich mit speziellen Test-Teams ausschließlich den Reifentests gewidmet. Hat sich das ausgezahlt? Machen Sie sich keine Sorgen darüber, dass sie die Teams mit der Testarbeit etwas überfordern könnten?"
Hamashima: "Es ist sehr hilfreich für uns gewesen, dass sich einige Teams teilweise rein auf die Reifentests konzentriert haben. Sowohl für uns als auch für die Teams war das von Vorteil. Es hat bedeutet, dass wir mehr Informationen bekamen und die Teams gleichzeitig mehr Einfluss auf die Entwicklung nehmen konnten, wovon sie ja auch selbst profitieren. Ich mache mir jedenfalls keine Sorgen, denn wir haben niemanden überfordert."

Bridgestone will auch dieses Jahr Fahrer- und Konstrukteursweltmeister stellen

Frage: "In Sachen Reifen hat es keine Reglementveränderungen für diese Saison gegeben. Erwarten Sie, dass die Rundenzeiten erneut fallen werden?"
Hamashima: "Wir gehen davon aus, dass sich die Rundenzeiten nicht in der Weise verbessern werden wie im letzten Jahr. Die Verbesserungen werden nicht alleine von den Reifen, sondern vielmehr von der Verbesserung des gesamten Paketes - Chassis, Motor und Reifen - kommen. Aus diesem Grund muss Bridgestone die Reifen ja auch in enger Zusammenarbeit mit seinen Partner-Teams entwickeln. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass man nicht nur den Reifen als Reifen oder den Motor als Motor betrachten muss, sondern dass man die Reifen so entwickeln muss, dass sie auf das Verhalten des Chassis und des Motors abgestimmt sind."

Frage: "In den letzten vier Jahren haben Bridgestone-bereifte Fahrer und Teams immer beide Weltmeisterschaftstitel gewonnen. Welches Ziel haben Sie sich für die Saison 2002 gesteckt?
Hamashima: "Wir wollen diese Erfolge in dieser Saison und den nächsten Jahren fortsetzen. Wir haben eine starke Partnerschaft mit dem amtierenden Weltmeister-Team, der Scuderia Ferrari, aber wir wollen allen unseren Partnern dazu verhelfen so viele Punkte wie möglich zu sammeln und alle erfahren von uns dieselbe Unterstützung. Unser Ziel ist einfach: Wir wollen im fünften Jahr hintereinander die Weltmeisterschaft gewinnen."