• 08.05.2004 10:12

Dupasquier: "Dann sollte man keine Rennen fahren"

Michelins Motorsportchef Pierre Dupasquier über die Einwände der Franzosen bezüglich eines Alleinausrüsters bei den Reifen

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michelin hat ein Statement herausgegeben ..."
Pierre Dupasquier: "Wir haben eine Abmachung mit Hamashima-san (gemeint ist Horihide Hamashima, Bridgestone-Entwicklungsschef; d. Red.), dass wir nur Fragen über Rotwein beantworten."

Titel-Bild zur News: Michelin-Motorsportdirektor Pierre Dupasquier

Pierre Dupasquier möchte auch weiterhin einen Wettbewerb in der Formel 1 haben

Frage: "... aber vom Rotwein mal abgesehen. Im Statement heißt es: 'Wir wollen Vorschläge machen, um die Kosten zu reduzieren, die gleichzeitig den Geist des Wettbewerbs aufrechterhalten.' Kannst du dir vorstellen, welche Vorschläge das sein werden? Wie wollt ihr das bewerkstelligen?"
Dupasquier: "Wir arbeiten daran. Die Idee dahinter ist, dass man ohne den Wettbewerb nicht weiß, was man macht. Man ist ein Reifenlieferant, das ist schön, aber deswegen sind wir nicht im Rennsport, weder bei den Motorrädern, Le Mans oder der Formel 1. Wir brauchen den Wettbewerb, um zu sehen, wo wir stehen, und zu versuchen einen guten Job zu machen. Die Reifenfirmen sollten in der Formel 1 willkommen sein. Dann fragen wir: 'Was können wir tun, um das Ziel (der Kostensenkung), welches wir zu 100 Prozent unterstützen, zu erreichen?' Motorsport ist nicht billig, aber vielleicht geht es jetzt zu weit. Das ist seine Entscheidung."#w1#

"Aber die Leistung muss beibehalten werden. Wir müssen die Balance zwischen den Maschinen und der Umgebung wahren. Kartfahren auf einer Formel-1-Strecke ist unsinnig, umgedreht ist das genauso. Auch die Sicherheit ist wichtig. Er (FIA-Präsident Max Mosley; d. Red.) hatte die gleichen Ideen auch für die Rallye. Wir sagten damals: 'Wenn du willst, dass wir einen Reifen pro Tag in der Rallye haben, egal bei welchen Bedingungen - ich rede dabei von Asphalt - dann weiß ich nicht, ob das möglich ist. Aber wir werden es versuchen.' Das würde total unsinnig sein. Ein solcher Reifen existiert nicht, noch nicht einmal ein Standardreifen der Serie würde das schaffen. Wir müssten also einen Reifen bauen, der aus Titan oder Holz oder sonst was ist, aber Gummi geht da nicht mehr. Das Auto wird dem entsprechend langsam sein, aber auch billig. Diese Idee kann man anbieten."

Frage: "In der letzten Woche waren sieben Lkws von euch in Silverstone, um drei Teams bei Testfahrten zu beliefern. Als es dann regnete, hattet ihr nicht die richtigen Reifen dabei. Die Kosten für diesen drei Tage langen Test dürften enorm gewesen sein."
Dupasquier: "Ist es. Aber ein Unternehmen wie wir würde das Leben für das Testen geben. Wir haben Lkws, um 24 Stunden lang zu testen. Wir müssen Tests machen, selbst wenn wir sehr effiziente Simulationen haben. Aber am Ende muss man einen realen Test machen. Wir haben bisher keine Simulationen, die alle Fragen beantworten können. Wir arbeiten daran, haben es aber noch nicht geschafft. Und ja, es ist teuer. Wir stimmen zu 100 Prozent zu, dass es zu teuer ist. Die Kosten zu senken, ist ein Ziel für alle."

"Jemand erzählte mir gestern, die Formel 1 sei wie ein Film. Wir borgen uns Geld, wir investieren es, um den Film zu machen, wir machen ein großes Spektakel, aber wenn keine Leute kommen, dann macht das keinen Sinn. Es ist aber nicht nur ein Film oder ein Spektakel. Es geht auch um Geduld. Man erwartet vom Gipfel des Rennsports auch, dass da etwas Technologie drinsteckt, Verbesserungen, Hightech und neue Sachen. Auch deshalb lieben sie es. Wenn wir das zu sehr beschneiden, dann ist das eine philosophische Entscheidung der FIA. Außerdem existiert so etwas schon. Wir haben die Formel 3000. Wir viele schauen dort zu?"

Frage: "Ferrari sagt, dass die Meisterschaft durch den gegnerischen Reifenhersteller komplett umgedreht werden kann, wenn er mit einem anderen Reifen kommt. Wie stehen die Chancen hierfür?"
Dupasquier: "Wenn Ferrari mit einem nicht konkurrenzfähigen Reifen kommen würde, dann könnte sich die Meisterschaft sofort drehen. Ich weiß aber nicht, was hinter dieser Frage stecken soll. Erwarten sie, dass einer von uns fünf Zehntelsekunden pro Runde findet? Das wird nicht passieren. Wir waren mit sieben Trucks in Silverstone, um eine Zehntelsekunde zu finden. Wenn wir es vermasseln, dann schenken wir die Meisterschaft jemand anderem. Aber erwartet nicht, dass die Reifenfirma irgendetwas herumreißt. Seit Beginn der Saison höre ich nur, dass man Ferrari, Ferrari, Ferrari und nochmals Ferrari einholen muss. Wo ist da die Reifenfirma?"

Frage: "Aber es gibt doch eine Partnerschaft."
Dupasquier: "Natürlich gibt es die, absolut. Wenn man aber einige der Teilnehmer vergisst, dann bekommt man eine völlig andere Meisterschaft."

Frage: "Der Reifenkampf macht es für Zuschauer allerdings nicht einfacher. In Imola musste man ihnen erklären, dass der nächtliche Regen die Leistung verschoben hat. Und wenn es regnet, dann muss man wissen, dass es viele verschiedene Nässegrade gibt, in denen ein Reifen dann besonders gut funktioniert. Wenn nur ein Reifenhersteller für die Zukunft keine Idee wäre, wie könnte man den Reifenkampf denn sonst aufbrechen?"
Dupasquier: "Ich verstehe das nicht ganz, auch wenn weiß, was du meinst. Du sagst, dass es schwer sei, zu erklären, was genau passiert. Ist doch besser, als wenn man gar nichts mehr zu tun hätte. Wir sollten besser werden, euch mehr Informationen zukommen lassen. Das können wir, aber dank der Reifenhersteller habt ihr schlussendlich etwas, über das ihr in der Formel 1 reden könnte."

Frage: "Max Mosley sagt, es gibt drei Gründe, warum es nicht mehr zwei Reifenfirmen geben sollte. Die Kostenfrage habt ihr schon beantwortet, aber die anderen beiden sind die Sicherheit - man kann die Rundenzeiten kontrollieren - und die Fairness - ein Reifenhersteller kann keinen Einfluss mehr auf die Meisterschaft nehmen. Wir geht ihr auf diese beiden Punkte ein? Und wenn ihr nicht erfolgreich seid, werdet ihr die Formel 1 dann verlassen?"
Dupasquier: "Was den letzten Punkt angeht, so haben wir gerade ein Statement gemacht und haben nun viel Zeit, darüber nachzudenken. Das Beispiel, das ich für die Rallye gab, zeigt, dass man die Leistungsvorgaben bei den Reifen erreichen kann. Wenn wir beispielsweise einen Reifen für drei Rennen haben, was komplett sinnlos wäre, dann kann er 2000 oder 3000 Kilometer fahren. Bei 900 PS wäre das ein wirklich sehr, sehr schlechter Reifen. Die Leistung wäre so miserabel, dass er langsamer als ein Formel-3-Auto wäre. Damit würde man also auch erreichen, dass die Autos langsamer werden. Das ist einfach. Max Mosley hat bereits eine weitere Rille vorgeschlagen. Das ist einfach, eine kleine Änderung reicht aus, und man kann die Leistung dramatisch beeinflussen."

"Bei der Fairness haben wir eine andere Ansicht. Wenn man irgendwo antritt, dann gibt es einen Gewinner und einen Verlierer. Auf Französisch sagen wir 'donnez à chacun ses chances égales' (Gib jedem eine gleiche Chance). Aber eine richtige Gleichheit gibt es nicht. Wenn man zu Beginn die gleichen Chancen hat, Regeln, die man versteht und die für alle gleich sind, dann hat man einen Wettbewerb. Einer gewinnt, der andere verliert, darum geht es. Wenn man diese Situation am Ende eines Rennens nicht haben möchte, dann sollte man keine Rennen fahren."