• 30.09.2002 11:04

  • von Fabian Hust

Die "Ziel-Panne": Peinlich? Ein Skandal? Ein Geschenk?

Die Formel 1 ist immer wieder für Überraschungen gut, doch gut findet die Überraschung von Indianapolis längst nicht jeder

(Motorsport-Total.com) - Michael Schumacher beteuerte zunächst, dass er Rubens Barrichello eigentlich gar nicht gewinnen lassen wollte um seine Meinung dann doch wieder zu ändern und der Brasilianer meinte mit einem echt wirkenden Gesichtsausdruck, dass der Platztausch auf der Ziellinie nicht geplant war, er sich schlichtweg verschätzt hatte. "Jetzt ist es das wichtigste, dass der Pressesprecher sich mit beiden einigt, was sie gleich sagen werden", analysierte McLaren-Mercedes-Testfahrer Alexander Wurz nach dem Zieleinlauf im 'RTL'-Studio. Der Österreicher konnte genau absehen, wie die Medien und Fans sich wieder auf die Roten stürzen werden.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher, Rubens Barrichello

So knapp ging es in der Formel 1 schon lange nicht mehr zu...

Kann man einen Vorsprung von 0,011 Sekunden planen? Sicherlich nicht. War es Leichtsinn, ein Foto-Finish zu planen und dadurch das zu riskieren, was letztendlich in Indianapolis eingetreten ist? "Nach Österreich war das nicht ganz clever", meinte Eddie Jordan nach dem Rennen gegenüber 'Reuters' und sprach dabei die Stallorder von Spielberg an. Wieder einmal hat Ferrari einen Rennausgang beeinflusst. Zocker, die wohl nicht zu unrecht vor dem Rennen auf Schumacher gesetzt hatten, würden wohl am liebsten die sieben Zentimeter Vorsprung vom Zielbild wegradieren.

Eddie Jordan befürchtet durch solche Vorkommnisse negative Auswirkungen auf einen "finanziell angeschlagenen" Sport, schon jetzt würden nach Meinung des Iren viele Fans zu anderen Sportarten abwandern, wo der Sport noch eine größere Rolle spielt, zum Beispiel im Golf-Sport: "Die Leute wollen einen richtigen Wettbewerb sehen, einen Kampf, der bis zur letzten Unze ausgetragen wird. Das geschieht zum Beispiel beim Golf und niemand schaut sich die Formel 1 an, wenn nicht der Rennsport sondern jemand anderes den Rennausgang entscheidet."

"Rotzfreche Demütigung der Gegner"

Die Meinung vieler nach dem Rennen: Wenn Ferrari so derart dominiert wie in Indianapolis, dann soll man wenigstens Rennsport bieten: "Was Ferrari gemacht hat, grenzt an maßloser Demütigung der Gegner. Sich ein solches Spielchen auf der Ziellinie zu liefern ist einfach nur rotzfrech", meinte ein Experte nach dem Rennen. "Geplant" wurde das Foto-Finish in den letzten Sekunden wohl von Michael Schumacher, bei Ferrari machte man jedenfalls ebenfalls riesige Augen, als der Name Rubens Barrichello als Rennsieger auf den Monitoren auftauchte.

Peinliche Kommentare

Peinlich: Michael Schumacher und Rubens Barrichello legten den Platztausch nach dem Rennen als "Wiedergutmachung" für Spielberg aus, "nun sind wir quitt" meinte "Rubinho" nach dem Rennen. Und der fünffache Weltmeister entschuldigte sich mit der Aussage, dass er auf gleicher Höhe mit seinem Teamkollegen über die Ziellinie fahren wollte ? oder wollte er ihn doch gewinnen lassen? "Ich hatte das Gefühl, dass er es verdient hat, dieses Rennen zu gewinnen, das Team bat mich aber, nichts zu unternehmen. Wir fuhren Seite an Seite und am Ende war er der Gewinner.

"Ich hatte gefragt, ob ich ihn vorbeilassen könnte, und sie haben nein gesagt. Das Team wollte das nicht", erklärte Michael Schumacher nach dem Rennen. "Wir wollten einfach in Go-Kart-Manier nebeneinander über die Linie fahren, das haben wir nicht ganz geschafft". Für Teamchef Eddie Jordan ein leistsinniges Vorhaben: "Einen Gleichstand gibt es doch gar nicht mehr, dank Laser ist die Zeitmessung heute viel zu genau. Michael scheint das noch nicht kapiert zu haben." War Schumi also unprofessionell? "Man muss im Leben ehrlich und fair sein. Das wollte ich sein", verteidigt Schumacher seinen gebremsten Siegeswillen.

IRL-Star Gil de Ferran war einer der wenigen Motorsportexperten, der die Szene zum Schluss gelassen sah: "Es war klar zu sehen, dass sie nach dem letzten Stopp nur noch herumfuhren. Sie fuhren deutlich langsamer als zuvor. Und ich glaube, dass Michael sich einfach entschied, Rubens vorbeizulassen. Nur er kennt die Gründe, warum er die Entscheidung traf. Das gab doch ein schönes Foto! Sehen wir es einfach mal so."

Villeneuve: "Rubens hat seine Chance genutzt"

Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve, bekanntlich kein Schumacher-Fan, sah die Sache nach dem Rennen etwas anders: "Ich glaube, dass sie sich entschieden, dicht beieinander ins Ziel zu fahren und Rubens hat sich dann entschieden, seine Chance zu nutzen." Anders sah es hingegen Hans-Joachim Stuck: "Ich glaube nicht, dass sie dies absichtlich getan haben. Dazu gibt es doch keine Notwendigkeit. In Sachen Punkten war es egal. Sie haben alles im Sack, es war ein Fehler."

Head: "Ferrari glaubt sie sind wichtiger als der Motorsport"

Für Patrick Head, den Technischen Direktor von Williams steht fest, dass Ferrari wieder einmal den Sport übergangen hat: "Dies zeigt, dass die obersten Leute bei Ferrari glauben, dass Ferrari wichtiger ist als Motorsport und sie glauben, dass es auf Ferrari besser wirkt, wenn man Rennen so gewinnt." Auch Minardi-Teamchef Paul Stoddart ist mit Ferraris Verhalten nicht einverstanden: "Das war nicht gut für den Sport. Man muss Ferrari für die Gründe fragen, aber ich nehme an, dass die meisten Leute sich wünschen, dass das nie passiert wäre."

Bei Ferrari jedenfalls weist man alle Behauptungen von sich, dass man gezielt diese Art von Zieleinlauf geplant hat: "Geplant habe ich das jedenfalls nicht", meinte ein verdutzt wirkender Ross Brawn nach dem Rennen und Jean Todt pflichtete bei: "Es wäre vermessen zu sagen, dass wir alles kontrollieren. Wir kontrollieren nicht alles. Wir haben nur gesagt, dass sie nach dem zweiten Boxenstopp nicht mehr voll fahren sollen."