• 30.09.2002 00:50

Barrichello: "Ich wusste gar nicht was passiert war"

Rubens Barrichello über den wohl kuriosesten Sieg seiner Karriere und warum ihn der Triumph in den USA so wichtig ist

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Was für ein fantastischer Zieleinlauf, genau auf der Linie. Man kann das gar nicht in Worte fassen, 0,01 Sekunden. War das geplant oder ein Fehler?"
Rubens Barrichello: "Nein, das war nicht geplant. Wir haben das vor dem Rennen nicht so festgelegt. Ich nehme an, dass wir im Rennen eine Menge Spaß hatten, wir sind so schnell wie der andere gefahren und was kann ich dazu am Ende sagen? Ich danke Michael einfach nur ganz herzlich, auch dem ganzen Team für die Unterstützung während dem Jahr über. Wir haben nun alles geschafft: Wir sind Erster, wir sind Zweiter, wir haben den Konstrukteurstitel gewonnen."

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello konnte es kaum fassen, dass er gewonnen hat

"Ich nehme an, dass die Zuschauer für mich glücklich waren. Das war ein sehr wichtiger Sieg, die USA ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Hier zu gewinnen war sehr, sehr, sehr gut. Ich kam in die letzte Kurve, wusste nicht, was ich machen soll und wir hatten ja auch nichts besprochen. Michael war einfach nur nett und hat uns auf gleicher Höhe ins Ziel kommen lassen. Ich nehme an, dass ich dann einfach ein wenig vorne lag, aber was soll ich sagen? Es ist einfach ? jetzt steht es Null zu Null. Wir haben einfach eine Menge Spaß zusammen, arbeiten zusammen und haben ein Auto, das vor allen liegt."

"Ich bin ein glücklicher Mensch!"

Frage: "Im Jahr 2000 warst du in der WM-Wertung Vierter, im letzten Jahr Dritter und in diesem Jahr Zweiter. Freust du dich schon auf 2003?"
Barrichello: "Sehr! Ich bin in diesem Team ein glücklicher Mensch. Wir arbeiten gut zusammen, wir arbeiten sehr gut zusammen. Auch mit den beiden Testfahrern arbeiten wir sehr gut zusammen. Und ich denke, dass wir ein fantastisches Team aufgebaut haben. Klar freue ich mich schon, aber das bedeutet nicht, dass es schlechter oder besser laufen wird. Wir sollten einfach unser Leben genießen und ich genieße es im Moment sehr."

Frage: "Die Menschenmenge war hier fantastisch. Im nächsten Rennen werden die Fans in Japan wie in jedem Rennen euphorisch sein, aber auf eine ziemliche andere Art und Weise, oder?"
Barrichello: "Nun, ich würde sagen, dass dies für die Brasilianer ein anderer Ort ist, aber er war schon immer ein guter Platz. Senna war in Japan, ich habe eine Menge japanischer Fans und es wird schön sein, dort mit einem solchen Auto hinzukommen. Hoffentlich werden wir für Bridgestone ein sehr gutes Rennen haben, was meiner Meinung nach im Moment das Wichtigste ist."

"Waren uns unsicher, wie viele Runden wir auf den Reifen fahren können"

Frage: "Du hast mir gesagt, dass zwei Stunden vor dem Rennen sehr wichtige Entscheidungen getroffen wurden. Kannst du mir sagen, um welche Entscheidungen es sich da gehandelt hat?"
Barrichello: "Es geht um die Anzahl der Boxenstopps, die Entscheidung, das T-Car zu verwenden oder nicht, denn ich hatte am Morgen das Gefühl, dass das T-Car besser ist. Ich bin dann mit dem Einsatzwagen gefahren, weil wir uns etwas unsicher wegen des Bremsproblems waren, das ich im Warm Up am T-Car hatte. Und es ging um Veränderungen am Setup, da das Wetter heißer und heißer wurde. Wir waren uns noch ein wenig unsicher über die Anzahl der Runden, die wir auf den Reifen fahren können. Aber ich denke, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Beide Autos sind gut gefahren."

Frage: "Du hast im Prinzip seit Freitag eine Aufholjagd gespielt, oder?"
Barrichello: "Ja genau. Aber es ist nicht so schlimm wie auf anderen Strecken. Wenn ich zum Beispiel den Freitag in Imola oder Spa verloren hätte, wäre es ein wenig schwieriger gewesen. Auf der Strecke hier ist es schwierig, das richtige Setup zu finden, da man die Wahl hat, auf der Geraden oder im Infield schneller zu sein. Aber es war eine klare Angelegenheit. Das Auto hat seit dem Beginn des Jahres perfekt gearbeitet. Das hilft einem dabei, die richtigen Setups zu finden."

"Man muss vernünftig sein"

Frage: "Die Abstände zwischen dir und Michael haben geschwankt. Kam das durch den Verkehr zustande oder hatte es andere Gründe?"
Barrichello: "Um ehrlich zu sein war ich mit dem Verkehr nicht zufrieden, denn die Leute schienen einfach in der Mitte der Geraden ein wenig zurückzustecken und zu denken, ok, ich halte meine Linie, gehe auf der Geraden ein wenig vom Gas und dann kannst du vorbeigehen. Aber man muss in dieser Situation vernünftig sein, denn wenn die Leute vor einem plötzlich langsamer machen kann es einen Unfall geben. Ich hatte zwei Mal einen Toyota vor mir und dann gab es noch den Moment, als vor mir bei einem Minardi der Motor platzte. Ich verlor dadurch rund zwei Sekunden auf Michael. Ich denke, dass ich das Auto und die Geschwindigkeit hatte, um näher an Michael dran zu sein. Aber er war vielleicht besser oder ein wenig glücklicher im Verkehr und konnte die zwei Sekunden halten."

"Ich habe Michael ganz schön Dampf gemacht"

Frage: "Wie fühlst du dich eigentlich jetzt und im Vergleich dazu nach Österreich?"
Barrichello: "Ich fühle mich im Moment gut. Ich habe das Gefühl, dass ich ein fantastisches Rennen hatte. Wir haben gekämpft und ich habe nach dem ersten Stopp wirklich hart gepusht. Ich war auf neuen Reifen und habe Michael ganz schön Dampf gemacht. Wir sind wirklich ein Rennen gefahren. Es war nicht geplant, dass wir so auf den Positionen bleiben, wie wir waren."

"Wir haben gekämpft und ich habe alles versucht, um ihn zu überholen, aber es war unmöglich. Aber wir hatten ein gutes Rennen. Nach dem zweiten Boxenstopp sagte das Team, dass wir das Auto ein wenig schonen sollen, wegen der ganzen Motorschäden. Zum Schluss hatte ich nicht erwartet, dass wir so nah zusammen liegen würden, aber wenn man denkt, dass ich eigentlich Österreich gewonnen hätte und er Indy, so ist das in Ordnung. Da kann sich keiner beschweren?"

"Das heute war die Rückzahlung für Österreich!"

Frage: "Michael hat hier 2000 gewonnen, Mika Häkkinen 2001, sie beide sagten, dass es ein ganz besonderer Sieg war. Was bedeutet es, mit einem Formel-1-Auto in Indianapolis zu gewinnen?"
Barrichello: "Es ist etwas sehr besonders. Ich glaube nicht, dass ich mir den Kopf darüber zerbrechen werde, dass mich Michael vorbeigelassen hat. Es gibt halt Momente, in denen solche Dinge passieren, wie zum Beispiel in Österreich und Michael war ganz klar nicht zufrieden. Dinge passieren, man sagte uns damals, was zu tun ist. Das heute war die Rückzahlung und mit dieser Situation bin ich komplett zufrieden."

"Da ich ein Südamerikaner bin, ist dieser Sieg für mich sehr wichtig. Es war ein gutes Rennen. Ich bin am Freitag so schlecht gestartet mit diesem Unfall und es war die ganze Zeit über eine Aufholjagd. Wir hatten ein wirklich gutes Rennen. Ich weiß nicht, ob ihr geglaubt habt, dass wir hier eine Show abziehen, aber ich bin die ganze Zeit über voll gefahren und ich denke, das gleiche gilt für Michael. Ich habe das Rennen aus diesem Grund die ganze Zeit über genossen. Erst in den letzten zwei Runden habe ich Michael zurückstecken sehen. Ich habe alles genossen und ich bin sehr erfreut darüber, dass mein Name hier auf den Siegerlisten steht."

"Ich bin froh, dass ich hier gewonnen habe"

Frage: "Du hast hier ja einige Bekannte in der CART- und IRL-Serie, deshalb muss der Sieg doch auch etwas Besonderes gewesen sein, oder?"
Barrichello: "Nun, ich habe es wie gesagt sehr genossen, hier herzukommen. Ich denke, dass es auch das Publikum sehr genossen hat, denn es war komplett anders als in Österreich. Wenn man sah, wie die Leute zufrieden waren, die Flaggen geschwenkt haben? Einige meiner Freunde sind hier, Felipe ist hier, Gil und Helio ebenfalls. Das is sehr wichtig. Helio hat hier zwei Mal gewonnen und die 500 sind immer noch wichtiger für Indianapolis als die Formel 1. Aber ich denke, dass die Formel 1 sich hier gut eingelebt hat und wir eine gute Show geboten haben. Als wir auf der Parade-Runde waren, haben die Leute das sichtbar genossen und ihre Flaggen geschwenkt. Wie schon gesagt habe bin ich sehr froh, hier gewonnen zu haben."

Frage: "Warst du wirklich überrascht, als Michael vor der Ziellinie langsam machte?"
Barrichello: "Ich brauchte ungefähr eine dreiviertel Runde um zu kapieren, dass ich gewonnen hatte, denn ich zeigte auf ihn und er auf mich. Ich wusste nicht, ob er wusste, dass ich das Rennen gewonnen habe oder nicht. Ich hing am Funk, doch da herrschte ebenfalls Konfusion, ich wusste nicht, was passiert war. Ich war ein wenig überrascht, ja."