Die verflogene Faszination der Gefahr in der Formel 1

Ein Auto aus den 70ern würde David Coulthard nie im Leben voll fahren, dennoch übt das Risiko in der Formel 1 einen Reiz auf ihn aus

(Motorsport-Total.com) - Es gab einmal eine Zeit, in der Formel-1-Piloten Pioniere waren, vergleichbar am ehesten mit Astronauten. Man konnte sich ausrechnen, wann der nächste der Kollegen sterben würde - und wenn man Pech hatte, erwischte es einen selbst. Sicherheit war damals ein Fremdwort, bis in den 70ern erstmals ernsthafte Versuche angestellt wurden, gewisse Dinge zu verändern.

Titel-Bild zur News: David Coulthard

David Coulthard gilt als einer, dem Sicherheit besonders wichtig ist

Wirklich sicher wurde die Königsklasse des Motorsports aber erst infolge des schrecklichen Wochenendes von Imola 1994, an dem Ayrton Senna und Roland Ratzenberger ihr Leben lassen mussten. Die FIA installierte in einer Serie von Notmaßnahmen improvisierte Schikanen zur Geschwindigkeitsreduktion, verschärfte die Crashtests, ordnete an, dass die seitlichen Cockpitwände nach oben gezogen werden müssen, reduzierte den Hubraum - und setzte viele weitere Sicherheitsmaßnahmen.#w1#

Haben die heutigen Formel-1-Fahrer die Hosen voll?

Viele der Fans, die schon seit den 60ern oder 70ern die Formel 1 verfolgen, behaupten daher, dass ein heutiger Pilot niemals in ein damaliges Auto steigen würde. Doch haben diese Leute damit Recht? Der 'Spiegel' fragte bei David Coulthard nach - und die Antwort fiel erstaunlich ehrlich aus: "Ich würde es tun, aber ich würde nicht mit 100 Prozent fahren", gab der Schotte zu. "Das wäre mir unmöglich, dazu hätte ich zu viele Informationen in meinem Kopf über die Risiken."

Der Red-Bull-Cosworth-Pilot findet aber, dass man anders an diese Thematik herangehen sollte: "Wer wissen will, warum die Fahrer damals das Risiko eingegangen sind, muss die Frage anders stellen: Warum würde ein Nelson Piquet sich heute in ein aktuelles Rennauto setzen? Antwort: Nicht, weil das Auto heute sicher ist, sondern weil es die Spitze der heutigen Rennwagentechnologie bedeutet. Das ist der Reiz", sagte er.

Coulthard glaubt nicht, dass irgendein Rennfahrer seinen Job wegen der Gefahr und des damit einhergehenden Heldentums ausübt, sondern er ist sich sicher, dass ganz einfach jeder in den besten Autos der Welt sitzen will, in den technologisch fortgeschrittensten Vehikeln. Dies sei vor 20 Jahren nicht anders gewesen: "Sie haben damals etwas getan, das den höchsten Stand der Technologie repräsentierte", so der 34-Jährige.

"Die Fahrer haben damals gewusst, dass sie umkommen können"

"Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet, kann man sich kaum vorstellen, dass wir mal ohne Handy oder Internet gelebt haben. Es ist also alles relativ - und so ist es auch mit der Gefahr in der Formel 1. Die Fahrer haben damals gewusst, dass sie umkommen können, aber sie haben es als Teil des Alltags gesehen", philosophierte "DC". "Jeden Tag sterben irgendwo Menschen. Heute ist das Risiko viel kleiner, aber es ist immer noch da. Und irgendwann wird es wieder passieren. Die Gefahr ist Teil unseres Sports. Wir sollten also weiter daran arbeiten, die Autos noch sicherer zu machen."

Allerdings findet er trotz des zweifellos vorhandenen Restrisikos nicht, dass man als Formel-1-Pilot automatisch unter permanentem Druck steht: "Druck bildet sich, wenn man die Kontrolle verliert", analysierte er. "Wenn man eine Situation kontrolliert, fühlt man auch keinen Druck. Ich vergleiche das mit einem Kampfjetpiloten - der steht für Laien unter einem wahnsinnigen Druck, aber er kontrolliert die Situation, denn er ist für sie ausgebildet und trainiert."