Die letzten "Davids" der Formel 1

2003 gibt es in der Formel 1 nur noch drei Privatteams: Ein Kommentar beginnend bei Enzo Ferrari bis hin zur 'GPWC'-Farce

(Motorsport-Total.com) - Unsere jüngeren Leser werden sich nicht mehr daran erinnern, aber selbst in der heute so kommerzialisierten und professionellen Formel 1, längst eine globale Marketing-Spielwiese für gigantische Automobilkonzerne, gab es einmal eine Zeit, als Motorsport noch wichtiger war als Geld und couragierte Einzelgänger in kleinen Garagen Weltmeister-Autos zusammenschraubten.

Titel-Bild zur News: Peter Sauber

Peter Sauber kämpft seit Jahren mit äußerst geringem Budget

Eigentlich unvorstellbar: Bernie Ecclestone, 2001 bestverdienender Geschäftsmann in ganz Großbritannien, begann einmal als simpler Autoverkäufer und trug den Beinamen "King of the London Gamblers", Eddie Jordan verdiente sich bei Sportveranstaltungen mit dem Verkauf von abgelaufenem Lachs ein paar Pfund dazu und Ron Dennis musste sich einmal von Jochen Rindt zusammenstauchen lassen, weil er als Brabham-Mechaniker einen Kanister Benzin zu wenig eingefüllt hatte.

Es sind genau diese Geschichten, die die Formel 1 groß gemacht haben, es sind die Legenden, Mythen und die unvergleichlichen Schicksale einzelner Charismatiker. Zu dieser Gattung gehörte früher Lotus-Superhirn Colin Chapman, der seine Autos immer so leicht baute, dass sie in regelmäßigen Abständen Flügel verloren oder auseinander brachen, Jack Brabham, der mit seinem eigenen Entwurf Weltmeister wurde, oder aber auch ein Typ wie Frank Williams.

Immer weniger Charaktere als Teamchefs

Der Größte von allen freilich war Enzo Ferrari: Der "Commendatore" mit seinen dunklen Brillen und dem weißen Haarschopf strahlte schon zu Lebzeiten das aus, was einen Mythos ausmacht. Er vermittelte seinen Gesprächspartnern eine ungemeine Souveränität und hielt jeden auf Distanz, war stets der Chef im Ring und gab nur selten Interviews.

1988 ist der alte Ferrari kurz vor Gerhard Bergers legendärem Heimtriumph in Monza verstorben. Vor ein paar Monaten erlag auch Ken Tyrrell, die "Eiche", seinem Krebs ? und auf einmal werden die alten Galionsfiguren immer weniger. Gewiss, Eddie Jordan hat Charakter, Frank Williams ist ein "Racer" der alten Schule, Ron Dennis verfügt über eine spezielle Ausstrahlung und "Napoleon" Jean Todt ist vielen Fans ans Herz gewachsen, aber die Garagisten sind akut vom Aussterben bedroht.

Die Formel 1 hat sich seit den 90er-Jahren ? in Deutschland nicht zuletzt wegen Michael Schumacher ? immer mehr zu einer globalen Werbeplattform für Werke wie DaimlerChrysler, Fiat oder Renault entwickelt. Bernie Ecclestone hat in allen möglichen Ländern günstige TV-Verträge ausgehandelt und somit neue Märkte erschlossen. "Das alles ist jeden zweiten Sonntag für zwei Stunden Sport, sonst reines Geschäft", soll Frank Williams einmal gesagt haben.

Verbliebene Privatiers kämpfen ums Überleben

Kehrseite der Medaille: Die Großkonzerne pumpen enorme Summen in ihre Teams, legen damit aber die Latte so hoch, dass Erfolge für die kleineren Rennställe so selten werden wie Eisdielen in der Wüste Sahara. Die FIA hat reagiert und die derzeitige Kostendiskussion ins Leben gerufen, die im Vorfeld der neuen Saison ein paar vernünftige Ansätze hervorbrachte. Die generelle Tendenz, dass es die Kleinen immer schwerer haben, bleibt aber bestehen.

Und so nehmen 2003 mit Peter Sauber, Eddie Jordan und Paul Stoddart (Minardi) nur noch drei Garagisten an der Weltmeisterschaft teil, die sich in der biblischen Rolle des "David" gegen die großen "Goliaths" zur Wehr setzen wollen. Bitter: Zwei aus diesem Trio kämpfen ums blanke Überleben, konnten nur dank einer Finanzspritze von Bernie Ecclestone überhaupt den Winter halbwegs solide überstehen.

"Irgendwann", sinnierte Peter Sauber heute bei der Präsentation des neuen C22 in Zürich, "wollen wir auch einen Grand Prix gewinnen, aber vorerst nehmen wir uns nicht so viel vor." Der Schweizer schickt eine kompakte Truppe ins Rennen, die mit weit weniger Geld auskommen muss als beispielsweise Renault, Toyota, BAR oder Jaguar, erzielt damit aber immer wieder Achtungserfolge. Ähnliches gilt für Eddie Jordan, der 1999 mit Frentzen sogar um den Titel fuhr.

Verkaufszahlen längst wichtiger als rein sportliche Ziele

Im Konzert der Großen spielt aber schon lange kein reines Privatteam mehr mit, was bedauernswert ist. Die Privaten haben die Formel 1 seinerzeit aufgebaut, waren die Pioniere, ohne die die Konzerne heute keine Werbewirkung auf der ganzen Welt erzielen könnten. Während die Hersteller je nach Lust und Laune kommen und gehen, sind die Garagisten eine Konstante, die nur von der Bildfläche verschwinden, wenn sie Pleite gehen oder einem verlockenden Angebot erliegen ? wie 1998 Ken Tyrrell oder im Jahr darauf Jackie Stewart.

Die "Racer" der alten Garde stellten stets ihre sportliche Motivation über den finanziellen Profit. Das ist bei Herstellern, die vom Vorstand ein Budget und Erfolgsauflagen vorgesetzt bekommen, nicht mehr möglich. Geld spielt eine übergeordnete Rolle. Wohin das führen kann, zeigt die Gründung der 'GPWC', die eine Konkurrenzserie plant ? mit dem einzigen Hintergedanken, noch mehr Dollars zu scheffeln.

Im Sinne des Sports kann man sich nur wünschen, dass Peter Sauber, Eddie Jordan und Paul Stoddart mit ihren Mini-Budgets den Großen zumindest gelegentlich eines auswischen können. Einzelschicksale und Charaktere bewegen die Menschen immer noch mehr als die Bilanzen irgendwelcher Autofirmen.