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  • 04.03.2002 11:21

  • von Fabian Hust

Die große Analyse des Großen Preises von Australien

Alle Teams in der großen Analyse zum Großen Preis von Australien in Melbourne ? wer hat Chancen auf den Titel, Siege und Punkte?

(Motorsport-Total.com) - Ferrari
Das Ferrari-Team hat bewiesen, dass man über den Winter auch nach dem zweiten Fahrer- und dritten Konstrukteurstitel in Folge an Motivation nicht eingebüsst hat. Die Doppelentwicklungsstrategie mit der Verbesserung des F2001 und der parallelen Entwicklung des neuen F2002 hat sich bewährt. Dank der hohen Zuverlässigkeit und der weiterhin bestehenden technischen Überlegenheit sicherte sich Michael Schumacher beim Saisonauftakt einen ungefährdeten Sieg. Auf die schnellste Runde von Kimi Räikkönen (McLaren-Mercedes) fehlten Schumacher nur 0,087 Sekunden, der Deutsche war in seiner schnellste Runde sichtbar weit vom Limit des F2001 entfernt.

Titel-Bild zur News: Formel-1-Fahrer

22 Fahrer hoffen auf Siege und den Titel, aber nur wenige haben Chancen

Teamintern hat sich am Kräfteverhältnis über den Winter nichts geändert. Rubens Barrichello sicherte sich zwar die Pole Position mit 0,005 Sekunden Vorsprung, doch nur deshalb, weil Schumacher im ersten Sektor wegen einer gelben Flagge einige Zehntelsekunden verlor. Im Rennen bewies Schumacher, dass er immer noch der Alte ist: Ab und zu ein wenig unaufmerksam aber weiterhin mit einer fantastischen Fahrzeugbeherrschung und intelligenten Überholmanövern. Rubens Barrichello hätte mit weniger aggressiveren Gegenhalten am Start die erste Runde überstehen können.

BMW-Williams
Das BMW-Williams-Team hat wie alle anderen Michelin-Teams zu Beginn des Rennwochenendes darunter gelitten, dass die Franzosen im Halbnassen und auf "grünen" Rennstrecken immer noch einen deutlichen Rückstand auf Bridgestone haben. Dies gestaltet die Ausarbeitung des Setups als sehr schwierig, da sich das Gripverhältnis der Reifen ständig veränderte. Dennoch konnte sich das Team Tag für Tag verbessern, trotz der Tatsache, dass es einige kleinere technische Probleme zu verzeichnen gab.

Während Ralf Schumacher mit Startplatz 3 das Maximum aus dem Auto herausholte, wurde Juan-Pablo Montoya von Verkehr auf der Strecke aufgehalten. Am Start versuchte Ralf Schumacher durch einen Kraftakt die Führung zu erobern, statt den Verlauf des Rennens abzuwarten. Bruder Michael machte vor wie es geht ? er verhielt sich zu Beginn zurückhaltend und konnte das Rennen dennoch für sich entscheiden. Ralf Schumacher muss noch lernen, dass man ein Rennen nicht in der ersten Kurve gewinnt.

Auch Juan-Pablo Montoya ging teilweise etwas zu ungestüm zu Werke, was ihm zu Beginn einen Platz auf Michael Schumacher kostete. Später bewies er, dass er weiterhin Safety-Car-Phasen wie kein Zweiter für sich ausnutzen kann, als er Michael Schumacher überraschte. Nur mit viel Glück gelang es Montoya auf den zweiten Platz nach vorne zu fahren. Dem Kolumbianer fehlten 0,602 Sekunden auf die schnellste Rennrunde von Räikkönen. Beide Fahrer haben das Potenzial zum Weltmeister, aber nur dann, wenn Michelin einen überlegenen Reifen liefern kann.

McLaren-Mercedes
Wieder einmal wurde David Coulthard Opfer des Defektteufels. Der Schotte wäre allemal in der Lage gewesen als Zweiter die Zielflagge zu sehen. Die Anfangsphase des Rennens machte jedoch deutlich, dass die Silbernen im Vergleich zu Ferrari viel zu langsam sind. Teamkollege Kimi Räikkönen hätte nach dem Ausfall Coulthards ebenfalls als Zweiter die Zielflagge sehen können. Der notwendige Wechsel des Frontflügels nach dem Startcrash und ein Fahrfehler nach dem letzten Boxenstopp verhinderten jedoch Rang zwei.

Die schnellste Rennrunde von Kimi Räikkönen unterstreicht, dass die Silbernen zurzeit das zweitstärkste Team sind und einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz von BMW-Williams haben. Allerdings unterlaufen dem Team noch zu viele Fehler. So schickte man den Finnen fälschlicherweise nach dem letzten Stopp mit neuen statt angefahrenen Reifen auf die Strecke. David Coulthard kann nur dann Weltmeister werden, wenn ihn Michelin mit einem überlegenen Reifen unterstützt. Kimi Räikkönen wird mehrere Rennen brauchen, bevor er mit konstanten Leistungen aufwarten kann - der erste Sieg ist aber nur eine Frage der Zeit.

Sauber-Petronas
Das Sauber-Team konnte an diesem Wochenende nicht zeigen, zu was man fähig ist. Im Qualifying war man zum falschen Zeitpunkt auf der Strecke und im Rennen verlor man beide Autos gleich in der ersten Kurve, woran Nick Heidfeld nicht unschuldig ist, da er auf die Wiese auswich, dabei die Kontrolle über sein Auto verlor und durch das Feld pflügte.

Formel-1-Neuling Felipe Massa feierte einen guten Einstand. Er fuhr das Wochenende über ohne größere Fehler, was viele Experten so nicht erwartet hatten. Im Qualifying brachte er die Leistung auf den Punkt und ließ Heidfeld hinter sich. Weniger gut als erwartet war es um die Zuverlässigkeit des Autos bestellt. Sowohl Heidfeld als auch Massa kämpften mit technischen Problemen. Das Team wird in diesem Jahr regelmäßig Punkte einfahren können. Podiumsplätze sind nur möglich, wenn der Michelin-Reifen der Konkurrenz nicht funktioniert oder es viele Ausfälle gibt.

Jordan-Honda
Das Jordan-Honda-Team hat sich an diesem Wochenende als solides Mittelfeldteam erwiesen. Giancarlo Fisichella konnte im Rennen nicht zeigen, was im neuen Auto steckt, da er zu den Opfern der ersten Kurve gehörte. Teamkollege Takuma Sato fiel bereits in der 12. Runde mit technischen Problemen aus. Der Jordan hatte sich bereits an den Tagen zuvor als technisch anfällig erwiesen. In seiner schnellsten Runde fehlten Sato 6,656 Sekunden auf die schnellste Rennrunde ? angesichts der Benzinmenge, die der Japaner mit sich bis zum Ausfall herumschleppte, keine aussagekräftige Zeit.

Das neue Auto ist definitiv nicht so schlecht, wie man das nach den ersten Testfahrten hätte vermuten können. Giancarlo Fisichella wird mit seinem Talent noch den einen oder anderen Punkteplatz und mit viel Glück auch einen Podestplatz herausfahren können, vor allem im Regen, wenn Michelin keine Chance haben könnte. Takuma Sato muss erst noch beweisen, dass er ein guter Formel-1-Pilot ist. Dass der Japaner mutig ist und über eine exzellente Fahrzeugbeherrschung verfügt, hat er bewiesen. Nur fehlt es ihm noch an der notwendigen Konstanz und Selbstbeherrschung. Alles in allem wird Fisichella deutlich die Oberhand behalten.

BAR-Honda
Das BAR-Honda-Team scheint an die enttäuschende Vorjahressaison anzuknüpfen. Das neue Auto ist wieder kein gelungener Wurf. Olivier Panis gehörte zu den Opfern der ersten Kurve, Teamkollege Jacques Villeneuve segelte in Runde 27 von der Strecke, als der Heckflügel an seinem Auto brach. Ein Problem, das im Team des Kanadiers nicht zum ersten Mal auftrat und eigentlich nicht vorkommen dürfte, testete doch keiner das Auto so früh wie BAR-Honda.

Wie weit das Team von der Spitze entfernt ist, zeigt nicht nur die schnellste Rennrunde von Jacques Villeneuve, dem rund fünf Sekunden auf die Bestzeit von Kimi Räikkönen fehlten. Insgesamt scheint Erzrivale Jordan-Honda zurzeit das etwas bessere Auto zu besitzen. BAR-Honda wird es schwer haben, in die Punkte zu fahren. Ein Podiumsplatz scheint ohne Fortuna nicht möglich.

Renault
Renault hat an diesem Wochenende bestätigt, dass man über den Winter einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Jarno Trulli war als Siebter im Qualifying erwartungsgemäß stark, Jenson Button stand auch dieses Mal wieder im Schatten seines neuen Teamkollegen ? die Tage des Briten bei Renault sind gezählt, Fernando Alonso dürfte bei anhaltend schwachen Leistungen schon bald im gelb-blauen Auto sitzen.

Während Button in der ersten Kurve von der Strecke geräumt wurde, erwischte Trulli einen traumhaften Start auf Platz zwei, wo er acht Runden lang Michael Schumacher mit zum Teil extrem harter Fahrweise hinter sich halten konnte. Anschließend drehte sich der Römer von der Strecke und krachte in die Mauer. Seine schnellste Rennrunde bis dahin war 5,692 Sekunden langsamer als jene von Räikkönen ? nicht aussagekräftig. Renault ist heißer Kandidat auf den vierten Konstrukteursplatz, vorausgesetzt, Michelin kann aufholen.

Jaguar
Der vierte Platz von Eddie Irvine täuschte darüber hinweg, dass Jaguar mit dem neuen R3 einen Schritt zurück gemacht hat. Das neue Auto liegt zwar gar nicht so schlecht, ist aber viel zu langsam und man muss sich ernsthaft Sorgen machen, dass Arrows mit dem gleichen Motor die Grünen überholt. Teamkollege Pedro de la Rosa wurde nur Achter, nachdem man an der Box ein Elektronik-Problem aussortieren musste.

Eddie Irvine fehlten in seiner schnellsten Rennrunde 4,007 Sekunden auf Kimi Räikkönen, Pedro de la Rosa 2,998 Sekunden, was die Leistung von Eddie Irvine im Rennen in Frage stellt. Alles in allem eine enttäuschende Vorstellung der Katzen am ersten Wochenende, die mit viel Glück mit vier WM-Punkten "belohnt" wurde. Es ist fraglich, ob Jaguar sich noch in dieser Saison stark verbessern kann. Die Konstruktion eines neuen Chassis scheint unumgänglich zu sein. Ansonsten droht der Abstieg in die hinteren Ränge.

Arrows-Cosworth
Mit der Hoffnung, ein zuverlässiges Auto zu haben, war Arrows nach Australien gereist. Doch man konnte wegen diverser Probleme wie brechender Heckflügel und der späten Fertigstellung des Autos im Vorfeld viel zu wenig testen. Beide Autos blieben noch am Vorstart stehen. Heinz-Harald Frentzen wurde von seinem Team bei roter Ampel auf die Strecke geschickt, als man das Auto wieder in die Gänge gebracht hatte. Frentzen bemerkte den Fehler erst, als es schon zu spät war und wurde disqualifiziert. Nicht das erste Mal, dass der Mönchengladbacher zu unaufmerksam ist.

Teamkollege Enrique Bernoldi schickte man unerlaubterweise mit dem Ersatzauto dem Feld hinterher ? wohl den Testkilometern und den Sponsoren zu Liebe. Die Konsequenz war ebenfalls eine Disqualifikation, fragt sich, ob zwei schwarze Flaggen PR-wirksam sind. Angesichts der wenigen Testkilometern ist die Basis des Autos im Vergleich zu jener von Jaguar solide. Es scheint realistisch, dass Arrows dieses Jahr mehr Punkte einfahren kann als im Vorjahr. Vor allem im Regen dürfte Arrows dank Bridgestone und Frentzen nicht chancenlos sein.

Minardi-Asiatech
Von der reinen Leistungsfähigkeit hat Minardi den fünften Platz nicht verdient, aber gönnen tut die zwei WM-Punkte wohl fast jeder im Fahrerlager der Kämpfertruppe von Paul Stoddart. Mark Webber zeigte als Formel-1-Debütant eine extrem gute Leistung, denn er fuhr wegen Problemen ohne elektronische Fahrhilfen und hatte auch keine Differenzialwirkung, was das Auto extrem schwierig zu fahren machte. Die schnellste Rennrunde mit 4,755 Sekunden Rückstand ist unter diesen Umständen beachtlich.

Teamkollege Alex Yoong beschwerte sich über Funk bei seinem Team über ein unfahrbares Auto und verlor seinen sechsten Platz durch diese Probleme und sackte auf Rang sieben ab. Wie schon im Vorjahr Fernando Alonso fährt auch Webber in einer anderen Klasse als Yoong. Der Malaysier hatte in seiner schnellsten Rennrunde 6,112 Sekunden Rückstand. Dank dem guten Debüt von Toyota läuft Minardi Gefahr, in diesem Jahr das schlechteste Team zu werden.

Toyota
Vor der Leistung Toyotas kann man den Hut ziehen. Die Japaner absolvierten einen problemlosen Trainingsfreitag und Samstag, was für einen Formel-1-Neuling ungewöhnlich ist. Während Allan McNish schon in der ersten Kurve aus dem Rennen war, konnte Mika Salo dann auch noch als Sechster einen Punkt holen. Der Dreher hinter Mark Webber war für einen Profi wie Salo inakzeptabel und hat das Team wohl einen weiteren Punkt gekostet.

Auch die Performance der rot-weißen Renner konnte sich sehen lassen. Salo hatte in seiner schnellsten Rennrunde nur 3,684 Sekunden Rückstand. Auch wie der erste Boxenstopp für Toyota in der Formel-1-Geschichte funktioniert hat, kann sich sehen lassen ? kein Vergleich zu den ersten Versuchen bei den Tests in Europa. Das einjährige Testprogramm der Japaner hat sich in Australien ausgezahlt. Es bleibt abzuwarten, welche Fortschritte Toyota in der Saison machen kann. Punkte sind unter normalen Umständen zurzeit nicht möglich.

Wie geht es weiter?
Die Reifen werden den größten Einfluss auf die Weltmeisterschaft haben. Ist Bridgestone wie im letzten Jahr in der Summe der Rennen überlegen, so wird Ferrari nicht zu stoppen sein. Hat Michelin den besseren Reifen, so kann es noch zu einem Dreikampf um den WM-Titel zwischen Ferrari, McLaren-Mercedes und BMW-Williams kommen.

Dass Melbourne eine spezielle Strecke ist, haben die vergangenen Jahre gezeigt, so gesehen ist es nicht leicht, das Kräfteverhältnis der Teams genau zu beurteilen. Klar ist nur, dass Ferrari im Moment das beste Auto hat und zwischen BMW-Williams und McLaren-Mercedes die Silbernen dank eines besseren Chassis einen Vorteil zu haben scheinen.