Die FIA und das EU-Tabakwerbeverbot

Das FIA World Council hat heute in Paris beschlossen, dass man gegen das Tabakwerbeverbot in der EU gerichtlich vorgehen wird

(Motorsport-Total.com) - Der Schlagabtausch zwischen dem Automobilweltverband FIA und der Europäischen Union geht in die nächste Runde. Gegenstand der Auseinandersetzung ist nach wie vor das Tabakwerbeverbot, welches schon 2005 in Kraft treten soll.

Titel-Bild zur News: Max Mosley

FIA-Präsident Mosley führt einen verbitterten "Kreuzzug" gegen die EU

Das FIA World Council hat heute in Paris beschlossen, dass nun die Gerichte entscheiden sollen, ob es legal ist, dass das Tabakwerbeverbot schon ab 31. Juli 2005 und nicht erst ? wie ursprünglich angekündigt ? ab 1. Januar 2006 gilt. Weil viele Teams ihre Sponsorverträge mit Tabakfirmen bis 2006 laufen haben, würde eine vorzeitige Implementierung im EU-Raum wahrscheinlich den Abzug der Formel 1 aus Europa zur Folge haben.

Begonnen hat die Geschichte schon 1998, als die EU-Kommission eine Richtlinie verabschiedete, die ein Tabakwerbeverbot ab Januar 2006 vorsah. Die FIA und die Formel-1-Teams wehrten sich erst dagegen, weil sie einen massiven Einbruch der Einnahmen durch Sponsorgelder befürchteten, nahmen es dann aber zähneknirschend zur Kenntnis. Wegen eines Formfehlers, der erst zwei Jahre später aufgedeckt wurde, war die Richtlinie aber sowieso hinfällig.

Freiwilliges FIA-Tabakwerbeverbot ab 2006

FIA-Präsident Max Mosley hatte sich inzwischen mit dem Tabakwerbeverbot abgefunden und in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein globales Verbot ab 2006 diskutiert, weil es seiner Meinung nach dem Sport geschadet hätte, wenn die Bestimmungen in einzelnen Regionen der Erde anders sind, da so ein wirtschaftlicher Druck entstehen würde, eben diese Regionen zu meiden.

Der Automobilweltverband verabschiedete daher am 4. Oktober 2000 eine Resolution über ein weltweites Verbot der Werbung für Tabakprodukte im Motorsport ab Januar 2006. EU-Kommissar David Byrne freute sich damals über diesen Beschluss: "Ich begrüße die Bekanntgabe, dass die FIA ein weltweites Verbot für Tabakwerbung im Motorsport ab 2006 durchgesetzt hat. Das unterstreicht die sich ändernde Einstellung zur Tabakwerbung."

Just jener David Byrne setzte sich aber im Mai 2001 dafür ein, die ursprüngliche EU-Richtlinie, die wegen eines Formfehlers verworfen werden musste, noch einmal vor das Europäische Parlament zu bringen ? diesmal allerdings mit dem 31. Juli 2005 als Datum für das Inkrafttreten. Die FIA nahm dies "mit großer Sorge" zur Kenntnis und ersuchte die EU-Kommission gemeinsam mit anderen Verbänden um eine Anpassung des Datums.

"Umfaller" von Byrne verärgerte Max Mosley

In einem offenen Brief forderte FIA-Präsident Mosley EU-Kommissar Byrne anschließend auf, er möge doch im Parlament selbst den Antrag einbringen, die Richtlinie solle erst ab Januar 2006 gelten. Stattdessen erklärte Byrne in einer Parlamentsdebatte im vergangenen November, dass er einen solchen Schritt zwar unterstütze, er aber nicht daran denke, selbst die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, was zu einer verärgerten Reaktion des Weltverbandes führte.

Besonders bitter stieß das Verhalten der EU auf, weil die FIA angesichts des erwarteten Verbots ab 2006 die australische Regierung dazu bewegen konnte, für die Formel 1 eine Ausnahmeregelung zu verabschieden, die den Teams erlaubt, beim Grand Prix im Albert Park von Melbourne, der traditionell die neue Saison eröffnet, weiterhin mit Tabakwerbung anzutreten. Erst ab 2006 hätten alle Tabaksponsoren ? auch außerhalb der EU ? aus der Formel 1 verschwinden müssen.

Nachdem Max Mosley auf diplomatischem Weg alle Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft hat, die EU-Kommission doch noch zu einem Umdenken zu bewegen, beschloss das World Council heute, am 2. April 2003 (also fünf Jahre nach der Verabschiedung der ersten Richtlinie durch die EU), den Gang zu einem ordentlichen Gericht.

FIA zieht gegen die EU vor Gericht

Grundlage für die Klage sei erstens, dass man eine "legitime Erwartung" für ein Tabakwerbeverbot ab 2006 haben durfte, zweitens, dass nicht ausreichend begründet wurde, warum das ursprüngliche Datum in der neuen Richtlinie nicht mehr berücksichtig wird, drittens, dass nicht alle betroffenen Organisationen ausreichend konsultiert wurden und viertens, dass der gesundheitliche Nutzen ohnehin nicht gegeben sein würde, da die Formel 1 mit Tabakwerbung ja im Fernsehen weiterhin übertragen wird.

Welche Konsequenzen ein EU-weites Tabakwerbeverbot ab 31. Juli 2005 haben wird, ist klar ? der Abzug der Formel 1 aus Europa scheint vorprogrammiert. Vorboten hierfür sind die Streichung des Großen Preises von Österreich und auch jene des Klassikers von Spa-Francorchamps, wenngleich in Belgien ein nationaler Regierungsbeschluss für ein noch früheres Tabakwerbeverbot als in der EU zusätzlich mitgespielt hat. Mosley betonte außerdem, dass es sehr fraglich sei, ob die betroffenen Rennen nach 2006 wieder stattfinden könnten.

Da in dieser Angelegenheit ein langes Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen zu erwarten ist, kann es gut sein, dass es am 31. Juli 2005 noch keinen richterlichen Beschluss gibt. Was dann passiert, ist völlig unklar. Möglicherweise werden sich die Anwälte der FIA aber mit einer einstweiligen Verfügung quasi "über die Zeit retten". Das letzte Wort ist in dieser Sache sicher noch nicht gesprochen...

Chronologie der Ereignisse:

1998
Das Europäische Parlament segnet nach jahrelangen Bemühungen eine Richtlinie ab, wonach auf EU-Raum bei Sportveranstaltungen nicht mehr für Tabakprodukte geworben werden darf. Für manche Großereignisse, darunter auch die Formel 1, wurde aber eine Ausnahmeregelung bis 1. Januar 2006 genehmigt.

2000
Am 5. Oktober erklärt der Europäische Gerichtshof die 1998 verabschiedete Richtlinie wegen eines juristischen Formfehlers für ungültig, das Tabakwerbeverbot war theoretisch wieder vom Tisch. In der Zwischenzeit hatte sich aber die FIA für ein weltweites Verbot stark gemacht und ein solches für den Motorsport ab 1. Januar 2006 beschlossen. Auch nach dem EU-Beschluss blieb es dabei, was EU-Kommissar Byrne ausdrücklich begrüßte.

2001
Am 30. Mai schlägt die EU-Kommission auf Initiative von David Byrne eine neue Richtlinie anstelle der 1998 gescheiterten vor. Das Europäische Parlament stimmt zu und verabschiedet den Beschluss, der allerdings nicht wie ursprünglich geplant ab 2006, sondern schon ab 31. Juli 2005 in Kraft treten soll. Eine Auseinandersetzung zwischen EU und FIA beginnt.

2002
FIA-Präsident Max Mosley richtet mehrere Briefe an die EU-Kommission, findet aber kein Gehör. Bei einer Debatte im Europäischen Parlament erklärt EU-Kommissar David Byrne, dass er einer Verzögerung von 31. Juli 2005 auf 1. Januar 2006 zwar zustimmen würde, er sie aber nicht selbst in die Wege leiten wolle. Alles bleibt wie gehabt, die Fronten verhärten sich weiter.

2003
Die FIA fasst bei einem Treffen des World Councils am 2. April in Paris den Beschluss, gegen die Richtlinie gerichtlich vorzugehen, nachdem alle diplomatischen Lösungsansätze gescheitert sind.