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  • 21.03.2011 12:27

  • von Britta Weddige

Der schmale Grat zwischen Teamwork und Rivalität

Lewis Hamilton und Jenson Button über teaminterne Konkurrenz, die Grenze bei gegenseitiger Hilfe und das Verständnis für Mark Webbers Wut

(Motorsport-Total.com) - Während es bei anderen Topmannschaften gern teamintern auch einmal kracht, betont man bei McLaren immer wieder, wie gut das Verhältnis zwischen den beiden früheren Weltmeistern Lewis Hamilton und Jenson Button ist. Dabei war die Paarung eigentlich von Anfang an brisant: auf der einen Seite Hamilton, der im Team groß geworden ist, und auf der anderen Seite Button, der als Neuzugang wagte, in diese gewachsene Gemeinschaft mit einzusteigen.

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Jenson Button

Jenson Button und Lewis Hamilton beherrschen die Gratwanderung gut

Viele prophezeiten Button einen schwierigen Start in der "Höhle des Löwen", doch er konnte sich gleich neben Hamilton etablieren. "Ich glaube schon, dass es mir in der Situation geholfen hat, dass ich als amtierender Weltmeister in das Team gekommen bin. Wenn ich nicht Weltmeister gewesen wäre, wäre die Situation wahrscheinlich ein bisschen anders gewesen", blickt Button im Interview mit der 'BBC' zurück.

Seine Position im Team konnte Button noch mehr festigen, als er gleich das zweite Rennen in Melbourne gewann. Darüber waren viele überrascht, der geschlagene Teamkollege Hamilton aber nicht. "Er ist ein Weltmeister, also war es unvermeidbar, dass er hin und wieder gewinnt", begründet Hamilton. "Und er ist ein tolles Rennen gefahren, er hat einen großartigen Job gemacht. Zu Beginn des Rennens hatten wir einen schönen Fight, aber dann war er zu schnell."

Nun gehen sie in ihre zweite gemeinsame Saison bei McLaren. Und die viel beschworene teaminterne Harmonie soll weiter herrschen, auch wenn sich beide Piloten einig sind, dass ein gewisses Konkurrenzdenken dazu gehört. "Da sind 24 Jungs im Feld, und du willst jeden einzelnen schlagen, auch deinen Teamkollegen", sagt Button. "Aber das beschränkt sich darauf, wenn wir den Helm aufsetzen und auf die Strecke gehen. Vorher ist es großartig, dass wir so gut zusammenarbeiten, dass wir unsere Arbeitsweisen verstehen und dass wir das Auto zusammen entwickeln können."

"Da sind 24 Jungs im Feld, und du willst jeden einzelnen schlagen, auch deinen Teamkollegen." Jenson Button

Auch Hamilton betont, wie gut er mit seinem Teamkollegen auskommt: "Natürlich wollen wir uns gegenseitig schlagen. Aber das spielt außerhalb des Autos überhaupt keine Rolle." Man freue sich für den Kollegen, wenn er erfolgreicher abgeschnitten hat: "Klar will man ihn abfangen und überholen, aber wir unterstützen uns immer gegenseitig. Bei Rennen, die ich gewonnen habe, kam er und hat mir gratuliert, als ich aus dem Auto gestiegen bin und hat mit dem Team gefeiert. Und andersrum ist es genau so. So sollte es laufen."

¿pbvin|512|3456|McLaren|0|1pb¿Einfach ist es aber nicht, dem Teamkollegen zum Erfolg zu gratulieren - denn man weiß, dass man selbst eigentlich auch ein siegfähiges Auto gehabt hätte. "Ja, das stimmt", pflichtet Button bei. "Aber dann schaut man auf sich selbst und denkt sich, dass man nicht gut genug gearbeitet hat." Und was passiert, wenn der Teamkollege das große Ziel erreicht und Weltmeister wird? Jubelt man dann auch noch mit? "Wenn Lewis in diesem Jahr den Titel holt, würde ich mich für ihn freuen, aber wäre selbst am Boden zerstört", lautet Buttons Antwort.

Was den Austausch von Informationen angeht, herrscht zwischen Button und Hamilton totale Offenheit - zwangsläufig. Denn beim gemeinsamen Debriefing in der Garage kommt alles auf den Tisch. "Wir haben gar nicht die Möglichkeit, Informationen zurückzuhalten", sagt Button. Und Hamilton ergänzt: "Wann immer er etwas findet, beim Setup, beim Übersetzungsverhältnis oder so, ist das für uns beide offen, man kann es also einfach übernehmen, wenn man will."

Doch das ist eine Wanderung auf einem schmalen Grat. Denn bei aller Teamwork bleibt die Rivalität bestehen. "Offen zu sein bedeutet, Informationen zu teilen. Es bedeutet nicht, zu versuchen, dass der Teamkollege genau so schnell wird oder schneller wird als du", erklärt Button. Und sprechen die beiden auch nicht direkt untereinander darüber, welche Lösungen sie für sich gefunden haben.

"Wir konzentrieren uns auf uns und unsere Ingenieure kommunizieren miteinander, um sich gegenseitig zu helfen." Lewis Hamilton

"Ich gehe nicht zu ihm und sage 'Jenson, wo hast du diese Zehntel gefunden oder verloren?' oder 'Du solltest das an dein Auto bauen oder jenes'. Wir konzentrieren uns auf uns und unsere Ingenieure kommunizieren miteinander, um sich gegenseitig zu helfen, und sich Infos zu geben, um unser Auto schneller zu machen", sagt Hamilton über die Grenzen des offenen Austauschs.

Im ersten Jahr hat die Zusammenarbeit zwischen den beiden Weltmeistern gut funktioniert. Es gab nie Ärger - zumindest keinen, das nach außen gedrungen wäre. Ganz anders war die Situation bei Red Bull, wo die Spannungen zwischen Sebastian Vettel und Mark Webber immer wieder die Schlagzeilen beherrschten. Ein Beispiel dafür war die "Flügelaffäre" von Silverstone. Webber musste damals seinen neuen Frontflügel an Vettel abtreten, nachdem dieser seinen im Training kaputtgefahren hatte. Der Funkspruch des Australiers, als er als Sieger ins Ziel kam, ist unvergessen: "Nicht schlecht für eine Nummer zwei, oder?" Webber machte aus seiner Wut kein Geheimnis.

Das hat man natürlich auch bei McLaren mit Interesse verfolgt. Und beide Piloten haben vollstes Verständnis für Webber. "Natürlich würde es mich ärgern, wenn Lewis ein neues Teil hat und ich nicht. Ich wäre genauso sauer wie Mark", sagt Button.

Und weiter: "Ich denke, dass jeder Fahrer in dieser Situation offen sagen darf, was er denkt, ohne missverstanden zu werden. Man kämpft sich durch die Nachwuchsserien nach oben, und man fährt für ein Topteam, und plötzlich bekommt man nicht die Teile, die der Teamkollege bekommt. Da wird man natürlich wütend." Hamilton pflichtet bei: "In Marks Situation wäre ich definitiv wütend gewesen. Du hast das Teil, und dann nehmen sie es dir weg."

"In Marks Situation wäre ich definitiv wütend gewesen." Lewis Hamilton

Beide gehen aber davon aus, dass sie selbst nie in eine solche Situation kommen werden. Button hatte in all seinen Verträgen nach eigener Aussage immer stehen, dass er das gleiche Material bekommt wie sein Teamkollege. "Also habe ich so etwas noch nie erlebt, und ich hoffe, dass mir das auch nie passiert. Aber mir wurde versichert, dass es zu so etwas nicht kommen wird", sagt er.

Laut Hamilton gab es eine solche Situation bei McLaren bisher nur einmal, nämlich 2009 mit dem großen Upgrade-Paket. "Ich habe es bekommen, weil ich in der Meisterschaft weiter vorn platziert war und mehr Chancen auf den Titel hatte. Zumindest war ich im Team zu dieser Zeit vorn", erinnert er sich. "Aber Jenson und ich hatten nie das Problem. Denn das Team versucht sicherzustellen, dass wir nie in die Lage kommen, dass einer ausgewählt werden muss."