• 04.10.2012 16:05

Der Kniff mit dem Gaspedal: Fußarbeit wird zur Kopfsache

Renault-Motoreningenieur David Lamb erklärt, wie sich Kennlinien des Gaspedals auf Performance und Fahrbarkeit des Motors sowie den Reifenverschleiß auswirken

(Motorsport-Total.com) - Immer öfter sprechen Fahrer und Ingenieure von den "Pedal Maps", den Kennfeldern des Gaspedals. Inwiefern lässt sich das Gaspedal überhaupt abstimmen und wie wirken sich unterschiedliche Pedal-Kennlinien auf Performance, Fahrbarkeit und Reifenverschleiß aus? David Lamb, als Motoren-Ingenieur von Renault für das Williams-Team zuständig, erklärt die Materie.

Titel-Bild zur News: Cockpit-Anpassung

Über das Gaspedal steuert der Fahrer nicht nur die Beschleunigung des Autos

"Grundsätzlich gibt es zwei verschiedenen Varianten von Pedal Maps. Zum einen die konventionelle eindimensionale Kennlinie, die lediglich festlegt, bei welcher Pedalstellung die Drosselklappen wie weit geöffnet werden. Das war in eingeschränktem Maß sogar schon möglich, als es noch mechanische Gaszüge gab. Der Gaszug war über einen Exzenter mit der Drosselklappe verbunden, sodass die Klappe am Anfang oder gegen Ende des Pedalwegs schneller oder träger reagierte."

"Heute lässt sich das durch das Drive-by-Wire - also die elektronische Übertragung von Gaspedalbewegungen an die Motorsteuerung, erheblich exakter einstellen", sagt Lamb und hält fest: "Sportliche Serienautos bieten beispielweise die Möglichkeit, eine dynamischere Kennlinie zu wählen. Damit erhält der Fahrer eine andere Rückmeldung vom Motor. Der Motor spricht spontaner an und fühlt sich eher wie ein Renn-Aggregat an."

Drive-by-Wire ist Vergangenheit

"Im Motorsport wurde diese Technologie vor etwa zehn Jahren verwendet", spricht Lamb das Drive-by-Wire-System an und fügt hinzu: "Heute sind wir einen großen Schritt weiter. Wenn wir heute von Pedal Maps sprechen, meinen wir damit ein zweidimensionales Kennfeld, das die Drehmomentkurve mit berücksichtigt - wir sprechen vom 'Torque Pedal Map'. Dieses Mapping basiert auf dem Verhältnis von Drehzahl und Gaspedalstellung. Das heißt: Bei einer bestimmten Gaspedalposition und einer ihr entsprechenden Drehzahl ruft der Fahrer ein bestimmtes Drehmoment vom Motor ab. Diese Anforderung wird in die Motorsteuerung des Zentralrechners (ECU; Anm. d. Red.) eingespeist, damit das Triebwerk das gewünschte Drehmoment bereitstellt."

Weil gegenüber früheren Pedal Maps ein Parameter hinzugekommen ist, liefern die verschiedenen Abstimmungen nicht bloß die Kraftentfaltung, die der Fahrer wünscht. Heute ist es auch möglich, den Piloten in weiteren Bereichen zu unterstützen. "Mit den 'Torque Pedal Maps' kannst du unterschiedliche Philosophien umsetzen“, fährt Lamb fort. "Bei einem konstanten Mapping erhältst du unabhängig von der Drehzahl je nach Gaspedalstellung ein bestimmtes Drehmoment. Allerdings würde so eine Einstellung nicht helfen, beispielsweise ein Durchdrehen der Räder zu vermeiden. Bei Mappings, in denen wir eine Wheelspin-Unterstützung programmieren, sprechen wir von konstanten 'Power Pedal Maps'", so der Renault-Motoreningenieur.

"Das kann zum Beispiel so aussehen: Sagen wir, bei 50 Prozent Pedalweg und 15.000 Touren erhältst du rund 200 Newtonmeter Drehmoment. Wenn jetzt deine Räder etwas durchdrehen und die Drehzahl auf 16.000 Umdrehungen hochschnellt, wird das Drehmoment an den Rädern reduziert - denn wir sprechen ja von einem Mapping mit konstanter Leistung. Und Leistung ist ein Produkt aus Drehmoment und Drehzahl. Dabei handelt es sich nicht um eine Traktionskontrolle und wir können auch keine Zielgröße für den kontrollierten Schlupf der Antriebsräder einstellen. Stattdessen bauen wir eine offene Kontrollschleife ein, die das Durchdrehen der Räder begrenzt. Das kann gerade bei abgefahrenen Reifen eine große Hilfe sein."

Das Technische Reglement der FIA hat für die Rücknahme des Drehmoments in Abhängigkeit von der Drehzahl eine Höchstgrenze vorgegeben. Die Motoreningenieure stehen also wie so oft vor der kniffligen Aufgabe, die Fahrer so gut wie möglich zu unterstützen und gleichzeitig innerhalb der erlaubten Grenzen zu bleiben. Lamb beschreibt, wie sich verschiedene Charakteristika in einem Mapping vereinen lassen: "Du kannst zum Beispiel einen Bereich des Gaspedalwegs auf konstantes Drehmoment abstimmen und den nächsten Teil des Wegs auf konstante Leistungsrücknahme. Dann wäre diese Abstimmung ein Mix, ein 'Torque Pedal Map' je nach den Anforderungen des Fahrers und des Autos."

Renault beginnt in Suzuka mit dem Singapur-Mapping

Interessanterweise ist das Pedal Mapping auch dann von großer Bedeutung, wenn der Pilot gar nicht auf dem Gas steht. "Nimmt der Fahrer den Fuß vom Gas, sprechen wir von der Null-Prozent-Linie", erklärt Lamb. "An dieser Linie definieren wir die Leistungsabgabe im Schiebebetrieb. Der Motor dreht sich schließlich auch beim Bremsen weiter und produziert weiter Drehmoment - wenn auch leicht negativ. Diese Leistungsabgabe exakt einzustellen, ist äußerst wichtig, denn damit verhindern wir im Idealfall, dass die Hinterräder beim Bremsen blockieren. Es handelt sich auch hierbei um eine offene Regelschleife, ein Pseudo-Antiblockiersystem. Je mehr der Grip der abgefahrenen Reifen nachlässt, umso mehr wird ein Fahrer den Leerlauf-Schub erhöhen."

"Der Nachteil dieser Lösung ist, dass Kühlwasser und Öl weiter aufgeheizt werden und die Betriebstemperaturen steigen, statt beim Bremsen zu fallen", merkt der Motoreningenieur von Renault an. "Außerdem erhöht sie den Benzinverbrauch. Wenn du das gesamte Rennen mit dem maximalen Push fahren würdest, summiert sich der Kraftstoffbedarf allein dafür auf rund zwei Kilogramm, die du am Start mitschleppen müsstest."

Als Basis der Pedal Maps für Suzuka verwenden die Renault-Ingenieure die Abstimmungen aus Singapur. "Wir starten mit diesen Mappings, weil der Reifenverschleiß in Singapur ziemlich hoch war und wir den Anti-Wheelspin-Gradienten erhöht haben. Wenn wir mit dieser Abstimmung beginnen, fühlt sich der Motor für den Piloten erst einmal genauso an wie vor zwei Wochen", begründet Lamb diese Ausgangslage. "Dann werden wir die Mappings im Lauf der Trainingssitzungen anpassen und sie Schritt für Schritt weiterentwickeln - je nachdem, wie die Strecke an Grip zulegt und welches Feedback uns die Fahrer geben."