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Mapping-Einschränkung: Wie stark leidet Red Bull?

Während Red Bull und Renault den Nachteil durch das Mapping-Verbot herunterspielen, erklärt Gary Anderson, warum er den Weltmeister geschwächt sieht

(Motorsport-Total.com) - Blickt man auf das Gesamtergebnis des ersten Trainingstages in Ungarn, dann ist die Interpretation naheliegend, dass die Regelklarstellung durch die FIA im Bereich der Motormappings Red Bull geschadet hat. Sebastian Vettel fehlten auf Platz acht über acht Zehntelsekunden auf die Bestzeit, Mark Webber war gar nur schwacher 14. Und das auf einer Strecke, die viel Abtrieb verlangt - eigentlich eine Domäne von Red Bull.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Am ersten Tag nach dem Mapping-Verbot kam Red Bull nicht in Schuss

Doch ein Freitags-Ergebnis hat vor allem bei wechselhaften Bedingungen selten viel Aussagekraft. Da kann ein Expertenblick an der Rennstrecke schon mehr aus dem Fahrverhalten der Autos herauslesen. "Ich war im ersten Training draußen an der Strecke", erklärt Wurz gegenüber dem 'ORF' seinen persönlichen Eindruck. "Vettel war in sehr guter Verfassung. Sein Auto ist trotz all der Diskussionen um die Motorenmappings sehr gut."

Red Bull und Renault spielen Bedeutung der Mappings herunter

Auch im Red-Bull-Renault-Lager spielt man das Verbot der Hockenheim-Motoreneinstellungen, die das Fahrverhalten des Autos deutlich verbessert haben sollen, herunter. Vettel meinte nach dem Training, dass die Reglementänderungen keine Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit des RB8 hätten: "Es wird zwar sehr viel darüber gesprochen, aber wenn die Leute wüssten, was im Hintergrund passiert, dann wären sie nicht so sehr an dem interessiert, was während der zurückliegenden Tage zu diesem Thema gesagt und geschrieben wurde."

Natürlich würde man - wenn man die Wahl hätte - auf die Hockenheim-Mappings zurückgreifen, der Unterschied sei aber nur gering. Die Sache sei nun abgeschlossen, erklärte Vettel: "Wir konzentrieren uns auf das Rennen hier und versuchen, für die Montagszeitungen Stoff für ein paar gute Neuigkeiten zu liefern."

Remi Taffin und Adrian Newey

Renaults Einsatzleiter Taffin glaubt nicht, dass Neweys Auto gebremst ist Zoom

Renault-Einsatzleiter Remi Taffin schlägt in die gleiche Kerbe: Es sei zwar schwierig, den Unterschied der Mappings in Zahlen auszudrücken, "wir sprechen hier aber über Hundertstelsekunden und auf keinen Fall über Sekunden oder Zehntel". Rob White, der Renaults Motorenabteilung leitet, behauptete nach dem Training, dass der Unterschied "nicht signifikant" sei, viel mehr falle aber ins Gewicht, dass die Arbeitslast für die Ingenieure nun größer sei, um das gleiche Performance-Niveau beim Motor zu gewährleisten.

Anderson rechnet mit Red-Bull-Nachteil

Ganz anderer Meinung ist hingegen Ex-Jordan-Technikchef Gary Anderson: Der Ire beobachtete wie Wurz den Red-Bull-Boliden auf der Strecke, zeigt sich gegenüber der 'BBC' vom Fahrverhalten aber alles andere als angetan: "Red Bull sah im ersten Freien Training nicht sehr gut aus - auf einer Strecke, die dem Auto eigentlich liegen sollte. Dennoch ist es noch zu früh, um etwas zu sagen."

Er ist aber davon überzeugt, dass die Reglementänderung Red Bull "mehr als jedes andere Team" trifft, denn sie haben ihre "Drehmoment-Einstellungen mehr als alle anderen verändert". Er hütet sich davor, eine genaue Einschätzung über den Zeitverlust zu machen, geht aber davon aus, dass die Piloten vor allem im Rennen unter dem Verbot leiden könnten: "Da wird es für sie schwieriger sein, auf ihre Hinterreifen zu achten."

Wie der Red-Bull-Trick funktionierte

Doch warum spielen die Motoren-Mappings, die selbst Experten in Erklärungsnot bringen, eine so große Rolle in der Formel 1? Und wie hatte sich Red Bull dadurch in Hockenheim einen Vorteil erkämpft? Technikexperte Anderson versucht sich in einer Erklärung: "Red Bull hat die Drehmomentkurve abgeflacht, um die bestmögliche Fahrbarkeit sicherzustellen." Ein entscheidender Faktor, denn durch das Verbot der Traktionskontrolle vor einigen Jahren mussten die Teams andere Wege finden, um eine gute Fahrbarkeit der Boliden zu gewährleisten. Vor allem Renault galt in diesem Bereich stets als Klassenprimus - in purer Leistung konnte man mit Mercedes nie mithalten.

"Jede Airbox- und Auspuffkonfiguration beeinflusst die Motorenperformance und sorgt für Spitzen und Mulden in der Drehmomentkurve", geht Anderson in seiner Erklärung ins Detail. "Die Motorenhersteller arbeiten daher so intensiv wie möglich daran, das Auto in unterschiedlichen Spezifikationen so fahrbar wie möglich zu machen."

Red Bull, Auspuff, Silverstone, 2012

Red Bull nutzt die Auspuffgase für zusätzlichen Abtrieb Zoom

Je sanfter die Motorleistung also einsetzt, desto weniger drehen die Hinterreifen durch - sie halten also länger. "In Hockenheim hat Red Bull durch weniger Drehmoment-Output bei einer gegebenen Drosselklappenöffnung die Hinterräder geschont, wodurch diese länger am Leben blieben", meint der Ire.

Wie groß war der Vorteil durch das "Anblasen"?

Trotz des Verbots der abgasangeblasenen Diffusoren mit Saisonbeginn 2012 nutzen nach wie vor fast alle Teams den Auspuff, um im Heck für Abtrieb zu sorgen. Der Vorteil ist nun, dass als angenehmer Nebeneffekt durch den geringeren Drehmoment-Output mehr Gas durch den Auspuff bläst. "Sie kreieren also gleichzeitig mehr Abtrieb", weiß Anderson.

Renault-Mann White bestätigt dies, stapelt aber bei der Wirkung tief, schließlich ist das Anblasen des Diffusors ein heikles Thema: "Wenn man die maximale Drehmomentkurve reduziert, dann steigt die Menge an Auspuffgas, die bei einem niedrigeren Drehmomentniveau produziert wird, ganz leicht an. Dadurch ändert sich aber der Strom der Auspuffgase bei Vollgas nicht."

Warum nur Red Bull?

Bleibt die Frage, warum Red Bull als einziges von vier Renault-Teams diesen Weg ging. "Jedes unserer vier Teams kann aus den unterschiedlichen Motorenelementen frei auswählen", stellt Renault-Einsatzleiter Taffin klar. "Das ist der Grund, warum sich ein Team in Hockenheim dafür entschieden hat. Ein anderes Team hätte sich aber beim nächsten Rennen dafür entscheiden können."

Williams-Mitbesitzer Toto Wolff, dessen Rennstall ebenfalls auf Renault-Aggregate setzt, bestätigt die Aussage Taffins: "Jedes Team versucht, die Drehmomentkurve abzuflachen. Wir haben diese Lösung aber nicht aufgegriffen, weil wir sie nicht wie Red Bull zum Arbeiten gebracht haben." Der Grund: Im Gegensatz zum Weltmeisterteam benutzt Williams kein Auspuffsystem, das mit dem Coanda-Effekt arbeitet. Diesen physikalischen Effekt nutzt Adrian Newey, damit die Auspuffgase den Diffusor des RB8 anströmen.

Toto Wolffs Team ist nicht in der Lage, die Motormappings so intensiv zu nutzen Zoom