• 04.10.2012 16:07

  • von Dieter Rencken

Button: "War überrascht, dass Lewis geht"

Jenson Button erklärt, wie er die Fahrerrochade bei McLaren miterlebt hat, wo er die Gründe für Hamiltons Abgang sieht und wieso er den Titelkampf nicht aufgibt

(Motorsport-Total.com) - Wegen eines Getriebeproblems muss Jenson Button mit einer Strafversetzung von fünf Positionen in der Startaufstellung in den Grand Prix von Japan gehen. Der Brite, der 2013 mit Sergio Perez einen neuen Teamkollegen erhalten wird, darf sich aber nach wie vor mathematische Titelchancen ausrechnen. In der Medienrunde in Suzuka spricht er über die Bedeutung seines Handicaps, die Fahrerrochade, seine Titelambitionen und erklärt, warum der Grand Prix von Japan für ihn ein besonderes Rennen ist.

Titel-Bild zur News: Jenson Button

Jenson Button wird auch in der kommenden Saison für McLaren antreten Zoom

Frage: "Jenson, du hast im Vorjahr gewonnen, wirst aber durch den Getriebewechsel um fünf Startplätze zurückversetzt. Wie groß ist dieses Handicap?"
Jenson Button: "Fünf Startplätze sind ein ziemlich großes Handicap. Aber es ist wie es ist. Jetzt kann ich nur das Beste daraus machen. Ich wusste es im Grunde unmittelbar nach dem letzten Rennen, also konnte ich mich darauf einstellen, dass Platz sechs an diesem Wochenende die bestmögliche Startposition für mich sein wird. Es könnte aber schlimmer sein, denn wir haben uns überlegt, wie wir dieses Rennen trotzdem gewinnen können, denn das ist immer noch unser Ziel. Wir wollen nicht nur in die Punkte fahren, sondern um den Sieg kämpfen."

"Wir haben das Gefühl, dass wir hier ein gutes Auto haben, rechnen aber mit harter Gegenwehr von Ferrari, Red Bull und auch von Sauber. Es wird nicht leicht, aber ich glaube, dass wir von Platz sechs durchaus ein Wort um den Sieg mitreden können."

Frage: "Doch gerade hier ist es schwierig, zu überholen."
Button: "Ja, ich habe den Jungs gesagt, sie hätten mich während des Rennens in Singapur informieren sollen. Dann hätte ich das Getriebe ordentlich kaputt gemacht, wäre ausgeschieden und hätte hier keine Strafversetzung (lacht)."

Frage: "Dieses Jahr macht es den Eindruck, dass mehr Fahrer Getriebeprobleme und Rückversetzungen haben als in den letzten Jahren. Gibt es einen Grund dafür?"
Button: "Ich weiß nicht recht. Ich glaube, Singapur ist sehr speziell, denn die Strecke ist sehr wellig, es gibt viele langsame Kurven. Ich kenne den Grund nicht."

Frage: "Rechnest du mit einem sehr strategischen Rennen, weil du auch auf die Reifen aufpassen musst?"
Button: "Es wird sicher nicht leicht. Im Vorjahr waren die Reifen am Limit. Wir und eigentlich alle anderen hatten Schwierigkeiten beim ersten Stint. Wir werden morgen herausfinden, wo wir mit den Reifen stehen, denn es könnte anders sein als im Vorjahr. Wenn der Reifen hier stark in Mitleidenschaft gezogen wird, dann könnte das für uns gut sein. Damit können wir arbeiten und vielleicht ein paar Plätze gutmachen."

"Wenn der Reifen hier stark in Mitleidenschaft gezogen wird, dann könnte das für uns gut sein." Jenson Button

Frage: "Welches Auto ist deiner Meinung nach am stärksten - der McLaren oder der Red Bull? Und warum?"
Button: "Ich weiß nicht. Ich würde sagen, dass wir im Qualifying schneller sind. Im Rennen liegen wir sehr knapp beisammen, und ich denke, dass wir das auch hier wieder sehen werden. Der Wettbewerb ist für uns derzeit sehr hart, es ist definitiv nicht einfach für uns, kein Spaziergang. Das ist aber auch gut so. Sebastian ist hier stark, der Red Bull war hier in den vergangenen Jahren gut - sie waren auch im Vorjahr unsere größten Herausforderer. Ich freue mich schon."

Button über die Fahrerrochade

Frage: "Was war dein erster Gedanke, als du erfahren hast, dass Sergio Perez dein neuer Teamkollege sein wird?"
Button: "Ich habe mich darauf gefreut. Im ersten Moment war ich überrascht, dass Lewis nächstes Jahr nicht bei uns sein wird. Als ich dann aber erfuhr, dass Sergio mein Teamkollege werden wird, hatte ich ein Lächeln im Gesicht. Er ist ein guter, lustiger Kerl, und ich liebe Sombreros. Manchmal spielt es eine große Rolle, wenn die Stimmung gut ist. Wir arbeiten eng zusammen, und da sollte man sich verstehen. Ich rechne damit, dass wir Spaß haben werden."

Frage: "Wie schätzt du deinen neuen Teamkollegen Sergio Perez ein?"
Button: "Wir alle lieben neue Herausforderungen. Ich werde aber in diesem Fall nicht das Wort Herausforderung benutzen, denn ich finde es immer aufregend, einen neuen Teamkollegen zu haben. Sergio hat diese Saison bewiesen, dass er schnell, aber auch intelligent ist. Er scheint lernwillig zu sein, und das ist meiner Meinung nach bei einem jungen Fahrer ein wichtiger Charakterzug. Das benötigt man."

"Als ich erfuhr, dass Sergio mein Teamkollege werden wird, hatte ich ein Lächeln im Gesicht." Jenson Button

"Ich bin sicher, dass er es weit bringen und in Zukunft Rennen gewinnen wird, und es gibt natürlich schon nächstes Jahr dazu die Möglichkeit. Ich bin sicher, dass nicht nur er von mir, sondern ich von ihm etwas lernen kann, obwohl ich schon so lange in der Formel 1 bin. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm, obwohl es immer noch weit weg ist, denn wir werden erst im Winter beginnen."

"Natürlich ist das jetzt ein großes Thema, aber ab dem nächsten Rennen werden wir uns wieder auf das Saisonfinale konzentrieren können. Ich finde es für die Formel 1 insgesamt sehr aufregend, wenn Fahrer ihr Team wechseln, unterschiedliche Dinge ausprobieren und sich neuen Herausforderungen stellen. Das ist gut für den Sport."

Frage: "Welchen Rat würdest du Sergio für seine McLaren-Zeit geben?"
Button: "Ich glaube nicht, dass Sergio irgendwelche Ratschläge braucht. Er lässt seine Leistungen auf der Strecke doch für sich sprechen, und er hatte einige sehr gute Leistungen in den vergangenen Jahren. Daher hat er sein aktuelles und das nächstjährige Cockpit erhalten."

Frage: "Was hältst du von Lewis' Entscheidung?"
Button: "Hmm. Meine Meinung dazu ist natürlich nicht von Bedeutung, denn es macht keinen Unterschied. Wir sprechen hier aber über ein Team, das einem immer die Möglichkeit gibt, weitere Titel einzufahren. Aus diesem Grund bin ich hier, und deswegen bleibe ich hier. Ich bin sicher, dass die Neuigkeiten für die meisten Teammitglieder eine Überraschung waren ..."

Frage: "Dass Sergio kommt oder dass Lewis geht?"
Button: "Ich meine den allgemeinen Wechsel. Die Mechaniker wissen aber, dass sie für ein sehr spezielles Team arbeiten. Sie wissen, dass Martin Whitmarsh in Hinblick auf den anderen Fahrer für nächstes Jahr eine kluge Entscheidung getroffen hat. Sie vertrauen ihm. Natürlich ist es traurig, dass Lewis das Team verlässt, denn er ist sehr schnell und hat für das Team viele Siege und einen Titel erreicht. Sie sind aber auch gespannt auf die neue Herausforderung."

"Die Mechaniker wissen, dass Martin Whitmarsh in Hinblick auf den anderen Fahrer eine kluge Entscheidung getroffen hat." Jenson Button

Frage: "Hat es dich überrascht, dass sich das Team für Sergio entschieden hat?"
Button: "Nein. Die Entscheidungen des Teams überraschen mich nicht zu sehr. Wir sind uns in vielen Dingen einig, und wir waren uns auch darüber einig, wofür Sergio steht. Das Team war natürlich über Lewis enttäuscht. Wir freuen uns aber gleichzeitig über die neue Herausforderung."

Frage: "Was hältst du davon, dass Lewis von McLaren zu einem Team geht, das du für McLaren verlassen hast?"
Button: "Als ich für das Team aus Brackley fuhr, da hatte es unterschiedliche Namen, aber es war natürlich ein großartiges Team. Es war toll, mit diesen Menschen zu arbeiten und ich hatte eine gute Zeit - es waren sechs, sieben Jahre. 2010 habe ich mich mit McLaren für eine neue Herausforderung entschieden - und auch für ein Team, das mir bei fast jedem Rennen ein siegfähiges Auto zur Verfügung stellen konnte. Für mich ist das definitiv der beste Ort, und ich fühle mich hier zuhause, aber andere Menschen haben andere Herausforderungen in ihrem Leben, und Lewis hat offensichtlich das Gefühl, dass er diese Herausforderung braucht."

Frage: "Was erwartet ihn dort jetzt?"
Button: "Das weiß ich nicht. Ich spreche nicht so oft mit den Jungs - mit manchen bin ich aber immer noch in Kontakt. Sie haben aber Autos produziert, die Rennen gewinnen. In der Zeit, als ich dort war, waren die Autos auch ziemlich gut, abgesehen von einigen Jahren, über die wir jetzt nicht sprechen (lacht). Und mit Ross haben sie eine tolle Führung. Man weiß in diesem Sport nie, aber ich würde mein Geld eher auf McLaren setzen."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Japan


Frage: "Wie hat die Tatsache, dass er das Team verlässt, die Dynamik bei McLaren für die restliche Saison verändert, schließlich entwickelst du das nächstjährige Auto?"
Button: "Das Team will natürlich nach wie vor die Weltmeisterschaft gewinnen. Das ist das Ziel des Teams. In die Weiterentwicklung des aktuellen Autos sind wir beide eingebunden, beim nächstjährigen Auto gilt das für ihn natürlich nicht. Das ist aber bei allen Teams der Standard."

Titelchance lebt

Frage: "Lewis hat gesagt, dass er die Saison mit einem Knall beenden will. Werdet ihr euch gegenseitig dorthin verhelfen?"
Button: "Ich habe keine Ahnung, was dieser große Knall sein soll."

Frage: "Der WM-Titel natürlich."
Button: "In Hinblick auf den Konstrukteurs-Titel auf jeden Fall. Die Fahrer-WM? Ich werde auf jeden Fall weiterkämpfen. Zwischen mir und Lewis liegen nur 22 Punkte. Das bedeutet nicht, dass ich keine Chance mehr habe. Unser Auto ist gut, und wir können Fernando bei jedem Rennen Punkte wegnehmen."

"Ich werde auf jeden Fall weiter um den Fahrertitel kämpfen." Jenson Button

Frage: "Siehst du den Titelkampf etwas entspannter, weil du zwar eine mathematische Chance hast, dir aber das Tempo fehlt?"
Button: "Dass mir das Tempo fehlt, würde ich nicht sagen. Ich bin natürlich weit hinter dem WM-Leader, aber das Auto ist gut. Und wenn zwei McLaren, zwei Red Bull und zwei Sauber vor Fernando sind, dann verliert er viele Punkte."

Frage: "Du bist dafür 2013 mit deiner Erfahrung der Teamleader."
Button: "Das ist ein kniffliges Wort, denn wir haben zwei Autos und zwei Fahrer, und beide fahren für das Team und müssen die bestmögliche Arbeit leisten."

Frage: "Ich meine aber damit nicht die Rollenverteilung in Nummer-eins- und Nummer-zwei-Pilot, sondern die zusätzliche Verantwortung, die du als jemand trägst, der schon alles erlebt hat, der schon Weltmeister war."
Button: "Ja, das liebe ich. Ich liebe die zusätzliche Verantwortung. Das habe ich in meiner Karriere immer angestrebt, und ich hatte bei Honda und später bei Brawn wirklich das Gefühl, dass das der Fall war."

Frage: "Du könntest also eine Art Teamleader sein ..."
Button: "Nein, ich würde nicht das Wort Leader verwenden. Wir bekommen beide das gleiche Material und stehen vor einer spannenden Herausforderung. Ich finde es sehr wichtig, dass das Team hinter mir und meinem Teamkollegen steht, und das Gefühl, an diesem Team teilzuhaben, ist der Schlüssel, wenn man Weltmeisterschaften gewinnen will."

Frage: "Sergio und du, ihr seid beide Fahrer, die für ihren reifenschonenden Fahrstil bekannt sind."
Button: "Ja, es sieht so aus, aber wir müssen erst herausfinden, ob sich unser Fahrstil ähnelt."

"Ich liebe die zusätzliche Verantwortung." Jenson Button

Button besuchte Tsunami-Krisenregion

Frage: "Die letzte Woche dürfte für dich sehr emotionell gewesen sein, wenn man deine Twitter-Meldungen verfolgt."
Button: "Ja, so war es. Ich kam am Montag in Tokio an, und am Donnerstag reisten wir nach Sendai - eines der Gebiete, das vom Tsunami betroffen war. Dort gibt es ein kleines Dorf, wo vor dem Tsunami 7.000 Menschen gelebt haben, 732 kamen ums Leben. Der Ort wurde komplett dem Erdboden gleichgemacht, dort gibt es nichts mehr. Keine Häuser, nur den Unterbau."

"Zunächst fällt dort auf, welch großartige Arbeit sie bei den Räumungsarbeiten geleistet haben, aber man fragt sich natürlich, wo diese Menschen heute leben. Sie leben in Lagern oder sind obdachlos - es handelt sich um eine Naturkatastrophe. Da geht man nicht zu seiner Versicherung und baut ein Haus, es ist viel komplizierter. Wir wollten einfach das Bewusstsein dafür schärfen und den Leuten bewusst machen, was die Menschen durchmachen."

"Die Menschen in dieser Region haben immer noch Probleme, und es ist für sie sehr schwierig. Das gilt selbst für die Leute, die nicht vom Tsunami betroffen wurden. Am Abend fuhren wir zu einer 35 Minuten entfernten Kartstrecke in Sugo. Ich glaube, dass es der Ort ist, wo Michael Schumacher ein Formel-3000-Auto gefahren hat, es war glaube ich sein einziges Formel-3000-Rennen. Dort hatten wir ein sehr schönes Erlebnis: Wir haben 15, 16 Kinder beim Fahren zugeschaut und haben versucht, ihnen Tipps zu geben - das haben sie ehrlich gesagt aber nicht gebraucht, denn sie waren großartig."

"Wir wollten einfach das Bewusstsein dafür schärfen und den Leuten bewusst machen, was die Menschen durchmachen." Jenson Button

"Sie stammten aber alle aus dieser Region und waren alle vom Tsunami betroffen. Dabei sind das so liebe Kinder mit tollen Persönlichkeiten. Ich hoffe, dass es ihnen in ihren Karrieren hilft, und dass ich eines von ihnen eines Tages in der Formel 1 sehen werde. Wir werden versuchen, das zu ermöglichen."

Frage: "Du hast hier in Suzuka einen Weltrekord aufgestellt: Du hast alle zwölf Rennen, die du gefahren hast, beendet, bist noch nie ausgeschieden. Wie machst du das?"
Button: "Ich weiß es nicht. Ich liebe diesen Ort, aber das ist nicht der Grund, warum ich nie ausfalle. Der Sieg im Vorjahr hat mir viel bedeutet, das war ein besonderer Sieg. Ich liebe es, hier zu fahren, denn man kann sich keine Sekunde lang ausrasten. Außerdem liegt mir dieses Land sehr am Herzen und alles wofür es steht, auch weil meine Freundin von hier kommt."

Frage: "Erzähle uns etwas über deine spezielle Verbindung zu Japan."
Button: "Ich habe natürlich jahrelang für ein japanisches Team gearbeitet. Die größte Verbindung ist aber natürlich meine Freundin Jessie. Und ich liebe das Land, die Kultur, die Menschen und das Essen."