• 10.05.2006 15:15

  • von Adrian Meier

Der Kampf der Rennstrecken

Steigende weltweite Konkurrenz um Austragung eines Grand Prix - wie lange kann Deutschland beide Rennen in Hockenheim und auf dem Nürburgring halten?

(Motorsport-Total.com) - Die finanziellen Schwierigkeiten der Streckenbetreiber des Hockenheimrings haben vor wenigen Monaten erneut verdeutlicht, dass die finanzielle Situation der Rennstrecken immer schwieriger wird. Dass dies jedoch kein rein deutsches Problem ist, zeigen beispielsweise die Strecken Magny-Cours in Frankreich und Silverstone in Großbritannien, die ebenfalls jedes Jahr mit der Finanzierung des Grand Prix zu kämpfen haben.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher vor vollen Tribünen auf dem Nürburgring

Werden die Zuschauerzahlen beim Rücktritt Michael Schumachers sinken?

"Rein betriebswirtschaftlich betrachtet", wird dazu Nürburgring-Geschäftsführer Walter Kafitz von der 'FAZ' zitiert, "dürfte man die Formel 1 nicht durchführen. Das gilt aber für alle Rennstrecken." Großteils liegt dies an den Verträgen, die Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone den Rennstrecken für die Austragung eines Grand Prix aufzwingt. Der Brite verlangt beispielsweise angeblich jedes Jahr etwa zehn Prozent mehr für die Austragung eines Formel-1-Rennens, was die Kosten für die Streckenbetreiber jährlich steigen lässt, ohne dass dadurch Mehreinnahmen generiert werden können.#w1#

Strecken müssen sich Ecclestones Bedingungen unterwerfen

Proteste gegen derartige Geschäftspraktiken sind jedoch kaum möglich, da Ecclestone aufgrund der großen Anzahl Strecken, die sich um die Austragung eines Grand Prix bemühen, seine Veranstaltungsorte quasi frei wählen kann. Somit sind die Streckenbetreiber im Normalfall froh, überhaupt in den Genuss eines Rennens zu kommen.

Bereits in den vergangenen Jahren drängten immer mehr Strecken und Länder in den Grand-Prix-Sport. Da im Concorde-Agreement die maximale Anzahl der Rennen pro Saison beschränkt ist, müssen für neu hinzukommende Strecken andere Kurse weichen, so dass der Großteil der Rennstrecken nahezu alle Forderungen Ecclestones akzeptiert, um im Kalender zu bleiben.

Andersartige Konkurrenz

Zudem haben es die traditionellen Rennstrecken bei den neuen Bewerbern um Grands Prix oftmals nicht mehr nur mit anderen Streckenbetreibern zu tun, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hätten. Vielfach stehen ganze Länder hinter neuen Formel-1-Projekten, die die Königsklasse des Motorsports als reine Marketingplattform betrachten: "Der Kronprinz von Bahrain hat die Formel 1 geholt, weil er Spaß am Motorsport hat und Bahrain auf die Landkarte heben wollte. Damit die Leute in aller Welt sehen, dass es das auch gibt", nennt Kafitz ein Beispiel für den derzeitigen Trend. "Wir konkurrieren also nicht mehr gegen Rennstreckenbetreiber, sondern gegen Staaten."

Im nächsten Jahr könnten beispielsweise in Japan zwei Rennen ausgetragen werden, dazu besitzen viele Länder bereits Strecken oder haben Anlagen in Planung. Dabei sind die Bewerberländer oftmals bereit, tief für ein Rennen in die Tasche zu greifen. So lässt sich verschiedenen Gerüchten zufolge Bahrain den Auftritt der Königsklasse des Motorsports etwa 20 Millionen Euro kosten, China das Rennen nahe Shaghai gar 25 Millionen.

"Wir konkurrieren also nicht mehr gegen Rennstreckenbetreiber, sondern gegen Staaten." Walter Kafitz

Angesichts dieser Summen ist Ecclestone offenbar gerne bereit, für die neuen Rennen in Ländern ohne jeglichen Motorsportbezug traditionsreiche Veranstaltungen in Europa zu opfern. Doch auch vielen Teams kommt dieser Trend nicht ungelegen, profitieren doch auch sie durch steigende Einnahmen des PS-Zirkus. Ab der Saison 2008 werden die Rennställe etwa die Hälfte aller Einnahmen der Formel 1 bekommen und damit deutlich mehr erhalten als den derzeitigen Anteil aus den Gewinnen an Fernsehrechten.

Zieht der Grand Prix von Deutschland um?

In dieser Situation erscheint es daher fraglich, wie lange Deutschland - derzeit neben Italien das einzige Land mit zwei Grands Prix - beide Rennen in Hockenheim und auf dem Nürburgring wird halten können. Bereits des Öfteren wurde daher der Vorschlag einer alternierenden Austragung des Grand Prix von Deutschland im Badischen und in der Eifel in die Diskussion gebracht.

Der Hockenheimring

Verliert der Hockenheimring den Grand Prix von Deutschland komplett? Zoom

Mit dieser Lösung könnten sich offenbar alle Beteiligten anfreunden, auch wenn Nürburgring-Geschäftsführer Kafitz kürzlich verlauten ließ, dass bis zum Ende des Vertrages seiner Strecke mit Ecclestone im Jahr 2009 die Formel 1 in jedem Jahr auf dem Eifelkurs antreten werde. Da somit eine abwechselnde Lösung zumindest in den nächsten Jahren nicht möglich scheint und zudem unklar ist, wie lange sich der Hockenheimring finanziell auf den Beinen wird halten können, kann auch ein Umzug des Grand Prix von Deutschland nicht ausgeschlossen werden.

Ist der Wegfall von einem der Rennen nur eine Frage der Zeit?

"Wer sagt denn, dass ich nicht auch daran denke, den Grand Prix für den Nürburgring zu sichern", deutet Kafitz an, dass er sich durchaus vorstellen könnte, Hockenheim komplett auszubooten und den Grand Prix von Deutschland zu übernehmen, nachdem das Rennen auf dem Nürburgring bislang unter dem Banner des Grand Prix von Europa ausgetragen wird.

Da Ecclestone bereits immer wieder verkündet hat, dass er nicht einsehe, wieso manche Länder mehr als einen einzigen Grand Prix haben sollten, scheint es jedoch nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann eines der beiden Rennen auf deutschem Boden verschwinden wird. Eine Rolle dabei könnte unter anderem die Entscheidung Michael Schumachers über seine weitere Karriere spielen. Laut einer Studie könnte die Zahl der Besucher, die sich die Rennen live vor Ort ansehen, bei einem Rücktritt des siebenfachen Formel-1-Weltmeisters um bis zu 30 Prozent zurückgehen.