• 14.08.2001 13:27

  • von Fabian Hust

Der andere David Coulthard

David Coulthard hat sich zu einem stärkeren Rennfahrer entwickelt - ein Blick auf die Karriere des 30-Jährigen

(Motorsport-Total.com) - Wenn David Coulthard durch die Boxengasse läuft, dann stimmt einfach alles - er ist immer freundlich und höflich, das Hemd steckt in der Hose und ist knitterfrei, die Frisur hätte einen Werbevertrag mit einem Shampoo-Hersteller verdient, die Kurzhaarfrisur des Mannes aus Twynholm ist immer gepflegt und gestriegelt. Er begrüßt jeden Morgen möglichst viele Teammitglieder - egal ob Putzfrau oder Chefmechaniker.

Titel-Bild zur News: David Coulthard

David Coulthard erlebt in dieser Saison viele Höhen und Tiefen

Um den 1 Meter 82 großen Schotten war es viele Jahre ruhig gewesen, denn Coulthard war lange Zeit ein Mann ohne Skandale und Starallüren, ein unauffälliger Typ aus Schottland, dem die Landschaft sein markantes Gesicht gegeben zu haben scheint. Doch das Leben des 30-Jährigen hat spätestens in diesem Jahr eine Wende genommen, er ist zum Star in der Formel 1 geworden.

Coulthard hat von Häkkinen gelernt, sich auch einmal zurückzuziehen
Nach dem Flugzeugabsturz im Mai 2000 hat Coulthard sein Leben umgestellt, er weiß jetzt, wie wichtig es ist, die schönen Momente im Leben zu genießen. Coulthard hasst PR-Termine und beschwert sich, dass er mehr zu absolvieren hat, als Mika Häkkinen: "Das schlägt sich auf die Leistung nieder", ist Coulthard überzeugt. Interviews gibt der Schotte aus diesem Grund in diesem Jahr kaum noch.

Er ist offener als Häkkinen, aber er hat von seinem finnischen Teamkollegen gelernt, dass es in schwierigen Situationen oftmals besser ist, sich zurückzuziehen, anstatt sich von den Medien ablenken zu lassen. Und er genießt sein Leben auch privat viel intensiver als früher. Von seiner Verlobten Heidi Wichlinsky hat er sich getrennt und treibt sich seitdem mit diversen Schönheiten herum und genießt sein neues Leben ganz offensichtlich.

Dass McLaren-Mercedes Alexander Wurz als Testfahrer hat, hilft David Coulthard ungemein, in diesem Jahr genießt der Twynholmer viel mehr freie Tage als noch im letzten Jahr. Coulthard hat sich hochgearbeitet. 1994 bestritt er sein erstes Rennen bei Williams, wurde über Nacht vom Testfahrer zu einem angesehenen Piloten. Bei Williams eine Seltenheit, besonders weil er Nachfolger von Ayrton Senna wurde und damit ziemlich ins kalte Wasser geworfen wurde.

Im zweiten Rennen fuhr Coulthard in die Punkte
Im Alter von acht Jahren setzte Vater Coulthard seinen Jungen zum ersten Mal in ein GoKart, da war es um den Jungen geschehen - 21 Jahre später eröffnet der Vater ein kleines Museum über seinen Sohn, das seine Karriereschritte im Motorsport dokumentiert. Am 29. Mai nahm Coulthard zum ersten Mal an einem Formel-1-Rennen in Barcelona teil. Er startete von Startplatz 9, musste aber wegen Elektrikproblemen aufgeben. Schon beim nächsten Rennen in Kanada fuhr der Schotte als Fünfter in die Punkte. Im achten und im neunten Rennen schaffte es Coulthard als Zweiter das erste Mal auf das Podium.

Ein Rennen zuvor hatte sich Coulthard in der Einführungsrunde von der Strecke gedreht...
Seine erste volle Saison begann Coulthard furios. Er startete in Argentinien von seiner ersten Pole Position, fiel dann aber wegen eines Fehlers in der Elektrik aus. In Belgien dann gelang es dem Schotten, Damon Hill direkt auf der Strecke zu bezwingen, doch erneut stoppte ihn die Technik. Der erste Sieg folgte zwei Rennen später beim Großen Preis von Portugal in Estoril. Es stimmte einfach alles: Pole Position, schnellste Rennrunde und Sieg. Coulthard schlug in seinem 21. Rennen Michael Schumacher im Benetton und Teamkollege Damon Hill. Noch ein Rennen zuvor hatte sich Coulthard in der Einführungsrunde als Führender von der Strecke gedreht...

Ein Schlüsselrennen war für David Coulthard der Große Preis von Belgien 1998. Im McLaren-Mercedes gestartet und hoffnungslos im Regen gescheitert rauschte ihm Michael Schumacher ins Heck. Beide schieden aus und Michael Schumacher stürmte stinksauer zu Coulthard: "Michael Schumachers Reaktion war für mich sehr lehrreich", erzählt Coulthard. "Er schob mir die Schuld für den Unfall in die Schuhe, aber ich war für den Unfall nicht verantwortlich."

"Ich nahm die Verantwortung auf mich, aber nur, um das Team zu beruhigen"
In der Saison 1999 sah man einen viel aggressiveren David Coulthard. In Silverstone feierte er seinen ersten Sieg, aber der Unfall von Michael Schumacher hatte "irgendwie alles überschattet". In Österreich drehte David Coulthard Teamkollege Mika Häkkinen von der Strecke, doch noch heute beteuert Coulthard, dass das Überholmanöver hätte gut gehen können: "Ich nahm die Verantwortung auf mich, aber nur, um das Team zu beruhigen", so Coulthard. Die Meinung von McLaren-Teamkoordinator Jo Ramirez, Coulthard sei der teamorientierteste Pilot, den er je kennen gelernt habe, ist nicht an den Haaren herbeigezogen.

Ein weiteres Highlight war das Rennen in Belgien, in dem Coulthard Teamkollege Mika Häkkinen das erste Mal regelrecht vorführte. Seinen zweiten Saisonsieg 2000 wird Coulthard nie vergessen, ein Triumph in Monaco ist das Größte, auch wenn Schumacher den Sieg verdient gehabt hätte, Coulthard brachte das Auto heil ins Ziel und war der erste Schotte nach Jackie Stewart 1973, der den legendären Stadtkurs als Sieger verlassen durfte.

In der Sammlung von Coulthard fehlt nur noch ein WM-Titel, aber nach 119 Rennen hat Coulthard immerhin schon 11 Rennen gewinnen können, stand 47 Mal auf dem Podium, holte 12 Pole Positions und fuhr 17 schnellste Rennrunden. Erstaunlicher noch die Führungskilometer: Beinahe 13 Prozent seiner Rennkilometer fuhr Coulthard in Führung. 1995, 1997, 1998 und 200 reichte es für den dritten Platz in der WM-Wertung. In diesem Jahr ist immerhin der Vizeweltmeistertitel realistisch.

Coulthard ist so alt wie Häkkinen, als dieser zu siegen begann
David Coulthard will noch mehr Rennen gewinnen und Mercedes-Chef Norbert Haug weist immer wieder darauf hin, dass Coulthard jetzt in dem Alter ist, in dem Häkkinen seine Siegesserie einst begann. Um sich das richtige Umfeld zu verschaffen, hat sich Coulthard letztes Jahr ein Motorhome zugelegt. Der in schottischem Blau-weiß lackierte Riesenwohnwagen sorgt dafür, dass Coulthard nicht mehr in Hotels übernachten muss und sich in gewohnter Umgebung ausruhen kann.

"Ich war einmal bei Tests in Magny-Cours", verrät Coulthard dem 'Guardian', "da war ich sehr lustlos. Ich erinnere mich, dass ich sehr früh fertig war, in das Hotel ging und fragte: 'Was kann man hier in der Gegend unternehmen?'. Der Junge konnte mir nichts sagen, weil es nichts gibt. Magny-Cours ist in der Mitte des Nirgendwo. Ich bin dann in mein Zimmer gegangen, wollte ein Buch lesen, aber hatte nicht die Motivation dazu und ich wollte auch mit niemandem telefonieren. Ich dachte, was soll ich machen? Ich hatte das Gefühl, dass ich mein Leben für nichts hergebe. Da entschied ich mich, mir ein Motorhome zuzulegen."

David Coulthard ist nicht der Rennfahrer, der mit seinem neuen Superboot prahlt, sondern er ist am Boden geblieben, trotz seiner 15-Millionen-Mark-Gage. Das einzige, was ihm im ersten Hinblick in die Kategorie "typischer Rennfahrer" einordnen lassen könnte, ist die Tatsache, dass er mit Heidi Wichlinski verlobt war, einem gut aussehendem Model aus den USA. "Unser Beruf hat uns zusammengebracht, wir haben beide nicht viel Zeit für unser Privatleben", erklärt "DC". Die beiden haben sich mittlerweile getrennt. Seitdem vergnügte sich Coulthard mit Ruth Taylor, Kendjas Demoraes und Lady Victoria Hervey, Tochter der Marquise of Bristol. Durchschnittsalter der attraktiven Frauen: keine 23 Jahre. Die Brasilianerin Simone Abdelnour ist bereits seine vierte Frau in diesem Jahr.

"Ich habe die Wäsche gemacht und habe etwas gebügelt..."
Wie normal Coulthard ist, bewies er sich selbst im vergangenen Jahr vor dem Hockenheim-Rennen: "Ich nehme einmal an, dass das etwas seltsam ist: In Hockenheim war ich im Motorhome alleine, weil Heidi gearbeitet hat, da habe ich die Wäsche gemacht. Ich habe etwas gebügelt - das habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Ich weiß, das klingt nicht besonders bezaubernd, aber ich habe es genossen, ein paar Hosen zu bügeln, fernzusehen und mich auf den nächsten Tag vorzubereiten. Ich liebe es, mein kleines Heim zu organisieren. Ich kann die einladen, die ich gerne habe und diejenigen draußen lassen, die ich nicht so gerne mag."

Viele mögen sich bei dem Anblick des bügelnden Coulthards wieder an die Worte einiger Experten erinnern, die Coulthard als zu lieb für die Formel 1 bezeichnet hatten. Doch zahlreiche Manöver des Schotten haben das klar widerlegt. Der Flugzeugabsturz hat nicht dazu geführt, dass Coulthard plötzlich auf der Strecke besser geworden ist: "Er hat mich nicht verändert", bestätigt Coulthard. Schließlich gewann Coulthard ja kurz vorher auch schon in Silverstone.

Coulthard hasst es, von 1.000 Kameras abgelichtet zu werden
Auf der Strecke ist Coulthard aggressiv und konzentriert, aber abseits der Strecke muss und will er sich entspannen. Das macht er in Monaco, dort leben viele Prominente, er kann nach eigenen Aussagen während der Zeit, die er in Monaco verbringt, völlig abschalten und vergessen, dass er als Grand-Prix-Fahrer im Mittelpunkt des Interesses steht: "Aber an jedem Formel-1-Donnerstag kommen dann wieder 1.000 Kameras, wenn ich in den Paddock gehe. Das mag ich nicht, aber es ist ein Teil des Lebens, den ich akzeptieren muss, schließlich bereitet mir die Formel 1 viel Freude."

"Schumacher ist unfähig, Fehler einzugestehen"
Als Junge schaute sich Coulthard die Kämpfe zwischen Senna und Prost an, mit Michael Schumacher durchlebt der Schotte selbst solche Situationen, wenn auch nicht so extrem: "Schumacher ist ein anständiger Mensch, ein Familienmensch, sehr ehrlich. Nimmt man seinen Heldenstatus und seinen großen Wohlstand, so wäre es für ihn sehr leicht, privat nicht so natürlich zu sein, wie er es ist. In der Öffentlichkeit als Rennfahrer gefällt mir nicht, dass er unfähig ist, Fehler einzugestehen und man kann nicht immer jemand anderem die Schuld geben. Ich fragte ihn letztes Jahr 'Zuhause, hast du da immer recht und deine Frau unrecht?'. Da sagte er: 'Nein, nein, das ist etwas anderes'."

"Ich möchte in die Augen meines Gegners sehen"
"Ich sagte dann zu ihm: 'Nein, das ist wichtig. Es ist das Verständnis, was falsch und was richtig ist. Ich glaube, dass ich dieses Verständnis habe und du nicht. Jetzt können wir diesen Raum verlassen und nicht mehr miteinander sprechen und ich habe ein glückliches Leben und du hast ein glückliches Leben, aber es wäre schade, denn wir leben in der gleichen Welt als Gegner und ein Teil des Genusses, den ich aus diesem Wettbewerb ziehe, ist die Tatsache, dass ich in die Augen meines Gegners schauen kann. Die menschliche Seite ist sehr wichtig'. Er musste da zustimmen, wir schüttelten uns die Hände und sind unsere Wege gegangen. Bis zum nächsten Mal, wenn wir uns zerstreiten."

Nach den Startmanövern in Imola und Magny-Cours im vergangenen Jahr waren Coulthard und Michael Schumacher wieder einmal zerstritten. Die beiden unterhielten sich lange nicht, doch in Hockenheim war es Schumacher, der den entscheidenden Schritt tat: "Michael tippte mir auf die Schulter und fragte: 'Denkst du, im Kurvenausgang sollte ein Randabweiser sein?'. An dieser Stelle brauchte man einen Randabweiser wirklich nicht. Aber ich sah es als eine Geste an, wieder zu versuchen, eine Konservation aufzunehmen. Und ich habe es akzeptiert." Seitdem kommen Coulthard und Schumacher gut miteinander aus, gratulieren sich und machen auch den einen oder anderen Witz, doch Freunde werden sie wohl nie werden.

Unglaublich starke Saison 2001
In diesem Jahr muss sich David Coulthard keine Vorwürfe machen. Bis auf das Rennen in Magny-Cours, als er den Knopf für das Speedlimit in der Boxengasse zu spät drückte, fuhr er eine perfekte Saison ohne größere Fahrfehler. Seine Sternstunde war das Rennen in Brasilien, als er im Regen die gesamte Konkurrenz samt Michael Schumacher im Griff hatte, gewann und sogar eine Runde im Regen auf Trockenreifen fuhr: "Noch vor zwei Jahren hätte er vor lauter Frust über die falsche Entscheidung die Runde im Nassen nicht überstanden und den Wagen irgendwo in die Botanik geschmettert. Heute beweist er Köpfchen und nutzt sein Selbstvertrauen", so Ex-Grand-Prix-Pilot Martin Brundle in der 'motorsport aktuell'.

Ein weiteres Highlight in der Saison war die Pole Position in Monaco, mit der kaum einer gerechnet hatte. Michael Schumacher schien sich seiner Sache ziemlich sicher, musste dem Schotten dann aber auf der prestigeträchtigen Strecke doch den Vortritt lassen. "David war schon immer schnell, aber nie so konstant. Die Pole in Monaco verdient Respekt", meint BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger.

David Coulthard begeht weniger Fahrfehler
Die Experten sind sich einig, dass Coulthard kein schnellerer Fahrer geworden ist, aber er hat Selbstvertrauen getankt, wohl auch deshalb, weil er gegenüber Mika Häkkinen in dieser Saison besser aussieht - die Gründe spielen in diesem Moment keine Rolle. Aber es ist auch die eigene Zuverlässigkeit, die sich enorm gesteigert hat.

Renningenieur Jock Clear erinnert sich an die gemeinsame Zeit 1995 bei Williams: "In Monza und auf dem Nürburgring kam er bereits in der Formationsrunde von der Strecke ab. In Adelaide krachte er mit seinem Auto in der Boxeneinfahrt in die Mauer. Solche Fehler unterlaufen ihm heute nicht mehr."

Von der Technik im Stich gelassen
Nach sieben Zielankünften in Folge und tollen Ergebnissen, kam es zur Saisonmitte zur Wende. In Kanada eine lose Mutter der Radaufhängung und ein Motorschaden, in Großbritannien der Unfall mit Trulli und zuletzt in Hockenheim der zweite Motorschaden. Nicht zu vergessen die zahlreichen Probleme mit der Elektronik in Monaco und Barcelona. Und nun scheint das Team das Auto wieder so modifiziert zu haben, dass es eher zum Fahrstil von Mika Häkkinen passt, was sich bereits in Ungarn wie zuletzt in Silverstone deutlich auswirken könnte. Was Coulthard auch versucht, das Glück des Tüchtigen scheint ihm nicht wohl gesonnen zu sein.

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