• 19.01.2009 21:00

  • von Dieter Rencken

De la Rosa: "Man braucht mehr Köpfchen"

McLaren-Mercedes-Testfahrer Pedro de la Rosa erklärt im Interview, warum das Formel-1-Fahren 2009 mehr Köpfchen erfordern wird als bisher

(Motorsport-Total.com) - Mit seinen 37 Jahren gehört Pedro de la Rosa zu den erfahrensten Entwicklungspiloten der Formel 1. Dementsprechend fundiert sind seine Aussagen über die neuen Regeln und deren Auswirkungen auf die Arbeit im Cockpit. Also stellte er sich heute nach seinem zweiten Testtag mit dem neuen McLaren-Mercedes MP4-24 in Portimão unseren Fragen.

Titel-Bild zur News: Pedro de la Rosa

Pedro de la Rosa heute im neuen Silberpfeil - mit Slicks, aber ohne KERS

Frage: "Pedro, am Wochenende bist du nur einen Shakedown gefahren, heute die ersten ernsthaften Runs. Kann man das so sagen?"
Pedro de la Rosa: "Nicht ganz. Es ging darum, einmal ein Gefühl für das Auto zu bekommen. Zumindest war es am Samstag trocken. Wenn es wie heute auf einer Strecke, die man kaum kennt, regnet, dann ist es schwierig, das Potenzial des Autos einzuschätzen. Am Samstag lief das Auto für einen Shakedown ganz gut. Heute ging es vor allem darum, ein paar Runden hinzulegen und ein paar Systeme zu checken."#w1#

MP4-24 heute ohne KERS

Frage: "Hast du KERS heute getestet?"
De la Rosa: "Nein. Wir werden KERS die nächsten Tage einsetzen, aber heute war das nicht der Fall."

Frage: "Solange KERS geladen wird, entsteht eine leichte Bremswirkung. Was passiert, wenn KERS voll geladen ist und diese wegfällt? Musst du dich als Fahrer darauf einstellen?"
De la Rosa: "Als Fahrer musst du schon ein Auge darauf werfen, wie weit du von der Maximalaufladung von KERS entfernt bist. Man muss vermeiden, einen Punkt zu erreichen, an dem KERS nicht mehr lädt, sodass sich das Auto in der nächsten Kurve beim Bremsen anders verhält. Man sollte möglichst immer wissen, wie die Bremsbalance sein wird, wenn man das nächste Mal bremst. Das ist aber auch schon alles."

"Es geht darum, KERS für eine volle Renndistanz zuverlässig zu machen." Pedro de la Rosa

"Ich glaube aber, dass alles glatt laufen wird, sobald die Systeme einmal erprobt sind. Nur jetzt ist es halt ein Element, das die Autos potenziell unzuverlässig macht. Das ist aber ein Problem, das alle Teams haben. Es geht darum, KERS für eine volle Renndistanz zuverlässig zu machen."

Frage: "Wird das Fahren durch den beweglichen Frontflügel, KERS und andere Änderungen komplizierter?"
De la Rosa: "Man braucht schon mehr Köpfchen. Man muss im Cockpit viel mehr nachdenken, weil man viel mehr Werkzeuge zur Verfügung hat, um das Auto und den Motor zu maximieren. Man muss sich darüber den Kopf zerbrechen, was nötig ist, um schneller zu fahren."

"Man darf den Frontflügel einmal pro Runde umstellen, aber man muss das dann auch anwenden können. Das ist die Schwierigkeit. Du musst einerseits den KERS-Knopf gedrückt halten, was dich ein Weilchen beschäftigt. Dann musst du auch daran denken, den Frontflügel im richtigen Moment zu verstellen und alle Anweisungen umzusetzen, die dir über Funk übermittelt werden. Es wird im Cockpit auf jeden Fall stressiger. Das muss so lange geübt werden, bis es ganz automatisch geht und du nicht mehr denken musst, welcher Knopf nun gedrückt gehört. Da heißt es üben, üben, üben!"

Frage: "Glaubst du, dass einige Fahrer damit Probleme bekommen könnten?"
De la Rosa: "Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass es wie immer die besten Fahrer sein werden, die ihr Auto während eines Rennens am meisten umstellen, weil sich das Gripniveau während eines Rennens ändert oder weil sich die Vorderreifen stärker abnützen als die Hinterreifen. Meiner Meinung nach werden die besten Fahrer die Einstellungen jede Runde verändern."

Frage: "Wenn man die beiden angesprochenen Werkzeuge optimal nutzen will, muss man sie wahrscheinlich jede Runde verstellen. Schränkt das nicht die Wahrscheinlichkeit von Überholmanövern ein?"
De la Rosa: "Das hängt davon ab. Ich glaube nicht, dass die Fahrer in der Praxis viel mit den Frontflügeleinstellungen herumspielen werden. Dafür hat man nicht genug Zeit und man wird auch nichts umstellen, wenn die Balance in Ordnung ist. Wenn man aber hinter einem anderen Fahrzeug steckt, dann kann man den Frontflügel steiler stellen und eine Attacke riskieren."

Vertrauen in die Techniker

Frage: "Gibt es seitens der Fahrergewerkschaft GPDA irgendwelche Vorbehalte gegenüber KERS und dem verstellbaren Frontflügel?"
De la Rosa: "Nein. Was KERS angeht, machen die Teams und die FIA einen sehr guten Job, um es zu verstehen und sicher zu gestalten. Da mache ich mir keine Sorgen. Anfangs waren wir ein bisschen besorgt, weil es diesen Unfall mit dem Mechaniker bei BMW gab. Seither stehe ich aber in Kontakt mit Charlie (Whiting, Technischer Delegierter der FIA; Anm. d. Red.) und auch mein Team hat mir genau erklärt, was die Risiken sind."

"Das Problem mit Elektrizität ist, dass man Elektrizität nicht sehen kann." Pedro de la Rosa

"Natürlich werden wir immer dazulernen. Das Problem mit Elektrizität ist, dass man Elektrizität nicht sehen kann. Feuer kann man sehen, aber Strom nicht. Das ist für uns und auch für die Streckenposten das größte Risiko. Ich glaube aber, dass die Teams einen sehr guten Job machen und aus dem Unfall bei BMW gelernt haben."

Frage: "Welche dieser Veränderungen ist am schwierigsten zu meistern: KERS, die Aerodynamik oder die Slicks?"
De la Rosa: "Für mich sind es die Reifen. Die sind die wichtigste Komponente, weil sie die einzige Verbindung zum Asphalt darstellen. KERS und die verstellbaren Frontflügel bringen vielleicht ein paar Zehntel pro Runde. Bei den Reifen können wir vor Melbourne nicht viel dazu sagen, denn im Winter lässt sich nicht abschätzen, wie sie sich bei hoher Asphalttemperatur verhalten, wie stark sie sich abnützen, wie stark Graining auftritt und so weiter."

"Ich finde das sehr interessant, denn das ist eine dramatische Veränderung. Es sind ja nicht nur die Rillen verschwunden, sondern es ist auch die Betriebstemperatur der gesamten Mischung anders geworden. Das ist ein interessanter Bestandteil unserer Arbeit. Leider werde ich das gar nicht selbst erfahren, denn ich darf ja in Australien und Malaysia nicht fahren."

Frage: "Wie wirken sich die Slicks auf das Fahrverhalten in den Kurven aus?"
De la Rosa: "In den langsamen Kurven ist nun definitiv mehr Grip da. In den schnellen Kurven geht dafür etwas Grip verloren. Ich glaube, dass die Rundenzeiten sehr ähnlich sein werden, denn was wir wegen der Aerodynamik in den schnellen Kurven verlieren, gewinnen wir wegen der Slicks in den langsamen Kurven dazu."

"Das Auto ist in den langsamen Kurven frontlastiger und lässt sich leichter einlenken, aber ansonsten verändert sich nicht viel. Ich bin überrascht, wie gering der Unterschied ist. Wenn man die Slicks auf ein 2008er-Auto schrauben würde, wären die Autos natürlich viel schneller, aber insgesamt gesehen ist der Unterschied erstaunlich gering."