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Das war 2009: Nick Heidfeld

167 Grands Prix ohne Sieg, aber "Mister Zuverlässig" in jeder Hinsicht: Nick Heidfeld scheiterte 2009 nicht an seinen eigenen Leistungen

(Motorsport-Total.com) - Zugegeben, die Formel-1-Saison 2009 bescherte der Fangemeinde kein so hochdramatisches Finale wie jenes von São Paulo 2008, doch in vielerlei Hinsicht war das Jahr dennoch eines der interessantesten der Grand-Prix-Geschichte. Denn selten zuvor waren die Kräfteverhältnisse vor den einzelnen Rennen so unvorhersehbar wie in der zurückliegenden Saison - und wahrscheinlich noch nie zuvor hat es einen Weltmeister gegeben, der so unerwartet kam.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

2008 noch bestplatzierter Deutscher, jetzt nur noch die Nummer vier: Nick Heidfeld

Wie ausgeglichen das Feld war, beweist die Tatsache, dass alle Teams bis auf Toro Rosso (!) entweder einen Grand Prix angeführt oder den Sprung auf das Podium geschafft haben. Außerdem konnten sechs Fahrer aus vier Teams Rennen gewinnen und sogar acht Fahrer aus sechs Teams eine Pole-Position erobern. 'Motorsport-Total.com' rollt die zurückliegenden Ereignisse in Form einer Artikelserie noch einmal auf. Den Anfang machten die zehn Teams, nun folgen die fünf Deutschen und zum Abschluss am 26. November Weltmeister Jenson Button. Heute: Nick Heidfeld.#w1#

Optimismus war bald verflogen

Vor dieser Saison hatte der 32-Jährige 152 Grands Prix ohne einen einzigen Sieg auf dem Konto. Da war bei der Präsentation des F1.09 am 20. Januar in Valencia die Frage erlaubt, ob das das logische Ziel für 2009 sein muss. Heidfeld gab damals eine selbstbewusste Antwort: "Ich denke nicht dauernd an den ersten Sieg, denn das Ziel ist, die WM zu gewinnen, nicht nur ein Rennen." Nachsatz: "Wenn das Auto dazu in der Lage ist, kann ich es schaffen."

Dass dies nicht der Fall sein würde, war im Grunde genommen schon nach dem Qualifying in Melbourne klar: Heidfeld verpasste den Einzug in die Top 10 zwar nur um gut eine Zehntelsekunde, aber nach dem weitgehend positiven Winter war das BMW Sauber F1 Team doch deutlich von der erhofften Performance entfernt. In der Rennpace fehlte "Quick Nick" nur eine halbe Sekunde auf den Brawn-Express, nach einer Startkollision kam er aber nur als Zehnter ins Ziel. Immerhin lag Teamkollege Robert Kubica bis zu seiner Karambolage mit Sebastian Vettel auf Podiumskurs.

Nick Heidfeld

Miserabler Start in die Saison: Verwickelt in eine Startkollision in Melbourne Zoom

Auch in Kuala Lumpur wurde die tatsächliche Schwäche des F1.09 noch kaschiert, weil Heidfeld im Regen wieder einmal einen guten Riecher bewies und auf unwiderstehliche Art und Weise einen zweiten Platz nach Hause fuhr. Der Deutsche blieb gegen den Ratschlag des Teams noch auf der Strecke, als die anderen Fahrer bei einsetzendem Regen der Reihe nach die Reifen wechselten, und rutschte so nach vorne, bis abgebrochen wurde. Ein taktischer Geniestreich. Außerdem zeigte er wie so oft seine Klasse als Überholracer erster Güte.

Das Problem mit dem Doppeldiffusor

"Sobald es regnet, ist er in seinem Element - auch wenn man dazusagen muss, dass er mit der Strategie ein bisschen Glück hatte", nickt 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer zustimmend. Als Heidfeld aber beim dritten Saisonrennen in Schanghai im Qualifying erstmals schneller war als Kubica, war schon jedem klar: Das BMW Sauber F1 Team hat ein ernsthaftes Problem. Als Gründe wurden rasch KERS und der verschlafene Doppeldiffusor ausgemacht. Das ging auf Kosten der Aerodynamik.

Dass der Doppeldiffusor erst im Juni in Istanbul einsatzbereit war, ärgert Heidfeld: "Es war so, dass man bei den ersten Autovorstellungen, zum Beispiel beim Toyota, schon vor den ersten Tests auf den Fotos gesehen hat, dass sie einen Doppeldiffusor haben. Da hätte man dann zumindest schon einmal anfangen können. Das haben die meisten gemacht. Diese Fehlentscheidung hat dann viel Zeit gekostet", übt er Kritik an den Ingenieuren in Hinwil.


Fotos: Highlights 2009: Nick Heidfeld


Dabei habe er ausdrücklich darauf gepocht, den Doppeldiffusor schnellstmöglich anzuschieben: "Nachdem ich das bei Toyota gesehen habe, habe ich gefragt, ob wir auch daran arbeiten, und da war die Antwort ein Ja. Dann kam aber lange Zeit nichts. Und als ich dann wieder nachfragte, hieß es auf einmal nein. Da wurde dann eine andere Entscheidung getroffen. Die Gründe dafür kenne ich, aber die gebe ich nicht preis - auch nicht, wer diese Fehlentscheidung getroffen hat."

Leise Kritik am Team

Auch die Hybridtechnologie KERS, die BMW am besten im Griff zu haben glaubte, entpuppte sich als Flop und wurde zu Saisonmitte wieder ausgebaut: "Man sieht bei McLaren und Ferrari, dass sie mit KERS schneller waren. Das heißt, man kann das KERS so hinkriegen, dass es funktioniert", so Heidfeld. "Wir haben es einfach nicht geschafft. Wir haben es probiert und für meinen Geschmack vielleicht etwas lange gewartet, bis wir es wieder ausgebaut haben. Aber das war nicht der größte Casus Knacksus."

Auch die Umsetzung der Erkenntnisse aus dem Windkanal auf die Strecke sei "nicht immer ideal" gewesen, bemängelt der Wahlschweizer. Aber angesichts des Rückstands auf die anderen Teams war es umso wichtiger, zumindest den eigenen Stallgefährten zu schlagen. Das gelang Heidfeld besser als 2008: In den Qualifyings unterlag er knapp mit 7:10, in der Punktewertung hatte er am Ende mit 19:17 die Oberhand. Die extremen Probleme mit dem Aufwärmen der Reifen, die ihn im Vorjahr behindert hatten, waren kaum noch ein Thema.

Nick Heidfeld

Bereits beim Barcelona-Test war Heidfeld klar, dass es schwierig werden könnte Zoom

"Nick ist das, was er schon immer war: ein sicherer Wert", lobt Surer den BMW Sauber F1 Team Piloten. "Er gibt nicht auf, wenn das Auto mal nicht gut ist, sondern er fightet weiter. Von dem her hat er sich weiterhin in der Formel 1 empfohlen, weil man weiß, auf ihn ist Verlass und er gibt immer alles." Das unterscheidet ihn seiner Meinung nach von Kubica, der zwar sein absolutes Ausnahmetalent zeigt, wenn er Lunte riecht, aber sehr schnell lustlos wirken kann, wenn er sich nicht wohl fühlt - ähnlich wie Kimi Räikkönen.

Heidfeld gleich stark wie Kubica?

Stellt sich die Frage, welche Saison für das Stallduell zwischen Heidfeld und Kubica am repräsentativsten ist: 2007, als "Quick Nick" die Oberhand hatte, 2008, als Kubica dominant war, oder 2009, als es in etwa unentschieden ausging. Surer: "Man muss schon eher 2009 nehmen. Kubica kann über sich hinauswachsen, wenn er merkt, dass er gewinnen kann. Nick kann das, wenn es regnet. Daher würde ich sie insgesamt auf ein ähnliches Level stellen."

Als das BMW Sauber F1 Team noch mit KERS fuhr und beide Autos damit ausrüstete, hatte Heidfeld wegen seines deutlich niedrigeren Gewichts theoretisch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Kubica, der seinerseits nahe an der 605-Kilogramm-Grenze dran war. Doch Surer ist sich im Nachhinein betrachtet nicht sicher, ob dies das Kräfteverhältnis wirklich verzerrt hat, denn: "Nick musste KERS fahren, weil er der Leichtere war. Das hat ihm von den Resultaten her aber nicht besonders geholfen."

Nick Heidfeld vor Robert Kubica

Im teaminternen Duell sah Nick Heidfeld 2009 gar nicht so schlecht aus Zoom

Nach einem äußerst bescheidenen Sommer gab das BMW Sauber F1 Team in Spa-Francorchamps ein erstes Lebenszeichen von sich: "Quick Nick" wurde seinem Spitznamen gerecht, besiegte Kubica im Qualifying und sicherte sich den dritten Startplatz. Wegen seiner Benzinstrategie durfte er sich sogar theoretische Siegchancen ausrechnen. Allerdings war dieser Traum schon nach dem schlechten Start ausgeträumt.

Verpasste Chance in Spa-Francorchamps

Im Wissen, dass er Jarno Trulli früh knacken muss, um eine realistische Chance zu besitzen, auch Polesetter Giancarlo Fisichella auf strategischem Weg anzugreifen, bremste Heidfeld extrem spät in die erste Kurve hinein. Dadurch verlor er im Endeffekt einige Positionen - und plötzlich lag sogar Teamkollege Kubica vor ihm. Dennoch fuhr er in der Folge ein sauberes Rennen, das ihm nach sechs Nullnummern endlich wieder vier Punkte einbrachte.

¿pbvin|512|1800||0|1pb¿Am Saisonende zeigte der gebürtige Mönchengladbacher seine gewohnt soliden Leistungen, aber ausgerechnet das Wochenende in Singapur, wo er sich wegen der letzten großen Updates der Saison einen Fortschritte erwartet hatte, wurde zum Fiasko: Zwar qualifizierte er sich als Achter, doch auf der FIA-Waage stellte sich heraus, dass sein Auto untergewichtig war. Das Team nutzte die ohnehin schon ausgesprochene Rückversetzung in der Startaufstellung, um gleich noch den Motor zu wechseln.

Also startete Heidfeld als 20. und Letzter aus der Boxengasse. Seine Nacht dauerte auch nicht allzu lange, denn Adrian Sutil drehte sich bei einem Überholversuch und stand quer auf der Strecke. Beim Losfahren übersah der Deutsche aber seinen Landsmann im BMW Sauber F1.09 - und es kam zur unweigerlichen Kollision. "Vielleicht sollten wir ihm ein Gehirn kaufen", schimpfte Heidfeld anschließend über Sutil, ehe sich die beiden aussprachen und wieder versöhnten.

Pech in São Paulo

Beim vorletzten Rennen in São Paulo, wo Kubica als Zweiter ein letztes großes Highlight setzte, hatte Heidfeld Pech: Zwar war er ohnehin nicht so stark unterwegs wie sein polnischer Stallgefährte, doch der eine oder andere Punkt wäre wohl möglich gewesen, wenn nicht die Tankanlage gestreikt hätte und ihm das Benzin ausgegangen wäre. Beim Saisonfinale in Abu Dhabi belegte er dann noch einmal einen guten fünften Platz - genug, um Kubica in der Gesamtwertung zu überholen.

Trotzdem fand Kubica nach dem Verkauf des BMW Sauber F1 Teams an Qadbak sofort bei Renault Unterschlupf, während Heidfeld immer noch ohne gesichertes Cockpit ist. Der Routinier ist inzwischen schon seit 167 Grands Prix ohne Sieg, lässt an seinen Ambitionen aber keinen Zweifel: "Natürlich will ich immer noch Weltmeister werden - und ich bin davon überzeugt: Wenn ich ein Auto habe, mit dem das möglich ist, dann kann ich das auch schaffen."

Nick Heidfeld

Mit seiner Erfahrung und seinem Speed ist Nick Heidfeld ein grundsolider Wert Zoom

Heidfeld hat in der Öffentlichkeit ein Imageproblem, weil er trotz seit Jahren konstanter Leistungen nicht als absoluter Topfahrer wahrgenommen wird: "Man nimmt ihn einfach so, wie er ist - er ist halt einfach da. Aber für ein Team ist er natürlich Gold wert", streut Experte Surer abschließend Rosen. Und wer weiß, vielleicht ist der schnelle Routinier ja schon bald für das silberne Mercedes-Werksteam Gold wert...

Saisonstatistik:

Fahrerwertung: 13. (19 Punkte)
Gefahrene Rennen: 17/17
Siege: 0
Podestplätze: 1
Pole-Positions: 0
Schnellste Rennrunden: 0
Durchschnittlicher Startplatz: 12,0 (14.)
Bester Startplatz: 4.
Bestes Rennergebnis: 2.
Ausfallsrate: 11,8 Prozent (8.)

Qualifyingduell:

Heidfeld vs. Kubica: 7:10