• 14.06.2004 00:23

Das große Siegerinterview mit Michael Schumacher

Siebenter Sieg in Montreal, Siebenter Saisonsieg, 77. Sieg insgesamt, auf dem Weg zum siebenten Titel - Schumacher im Interview

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, du hast heute Geschichte geschrieben, denn das war dein siebenter Sieg beim selben Grand Prix. Eine großartige Fahrt, eine Sekunde Vorsprung am Ende, zwei Stopps von dir gegenüber drei Stopps von Ralf."
Michael Schumacher: "Ja, aus unserer Sicht ist es heute nach Plan gelaufen. Ich kann nicht beurteilen, ob unsere Konkurrenten Probleme hatten, die uns geholfen haben, aber wir hatten ein starkes Auto und das war uns auch von Anfang an klar. Wir wussten, dass wir keine Chance auf die Pole Position haben würden, also wählten wir eine Strategie aus, die uns im Rennen helfen würde. Das hat fantastisch funktioniert. Die Boxenstopps haben großartig funktioniert, die Ingenieure, Mechaniker und alle anderen Mitarbeiter haben einen Superjob gemacht. Die Vorbereitung war fantastisch, obwohl ich zugeben muss, dass mich Rubens unter Druck gesetzt hat. Er hat es an diesem Wochenende wahrscheinlich etwas besser hinbekommen, was das Auto angeht. Besonders im zweiten Stint war er sehr schnell, aber wir haben es wieder einmal hinbekommen und das ist sagenhaft."#w1#

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Siebenter Sieg in Montreal - ein weiterer Rekord für Michael Schumacher

Frage: "Du hast dich durch die erste Kurve gequetscht und dann warst du unter Druck von Juan-Pablo, später dann auch von Rubens."
Schumacher: "Es stimmt, da war Druck, aber wegen der unterschiedlichen Strategien im Vergleich zu Montoya war das klar und nicht besorgniserregend. Selbst wenn er an mir vorbeigegangen wäre, hätte ich mir ehrlich gesagt keine Sorgen gemacht. Er hatte nur noch ein paar Runden zu fahren und wäre dann sowieso an die Box gegangen, also kein großes Problem. Bei Rubens lag die Sache anders, denn wenn er mich überholt hätte, hätte er einen Vorsprung herausfahren können, obwohl ich viel mehr Sprit als er an Bord hatte, um länger draußen bleiben zu können. Trotzdem weiß man nie, wie es dann gelaufen wäre. Wir hatten einen harten Fight, einmal war es sehr knapp in der letzten Kurve, aber ich konnte vorne bleiben."

Einzigartiger Schumacher-Rekord in Montreal

Frage: "Dein siebenter Sieg hier. Was ist das zwischen dir und Montreal?"
Schumacher: "Ich habe keine Ahnung, aber auf jeden Fall etwas Gutes!"

Frage: "Magst du die Strecke?"
Schumacher: "Natürlich genießt man jedes Rennen, das man gewinnt. Es gibt keinen bestimmten Grund, weshalb ich hier so oft gewonnen habe, ich kann es nicht begründen. Ich hatte immer ein gutes Paket und manchmal auch das nötige Quäntchen Glück."

Frage: "Warum hast du nicht geglaubt, auch im Qualifying schnell sein zu können?"
Schumacher: "Wir haben im Training die Zeiten während der ersten Runden gesehen - Renault, BAR speziell, Williams ist mir da nicht speziell aufgefallen. Wir haben diese Zeiten aus irgendeinem Grund nicht fahren können und daraus schlussfolgerten wir, dass wir auf eine Runde nicht schnell genug sind."

Frage: "Es ist bemerkenswert, die Strategie zu verändern und trotzdem noch gewinnen zu können, nicht wahr?"
Schumacher: "Ja, schon, aber die bemerkenswerte Sache ist die, dass wir sehr konstant waren, was der Grund für dieses Resultat ist. Uns war klar, dass wir eine gute Rennpace haben, aber ein Manko im Qualifying. Wir waren im Rennen ganz klar sehr schnell, sonst hätten wir nicht gewonnen, und haben das Spiel einfach so gespielt, wie wir es wollten."

Frage: "Gegen Ende ist dein Vorsprung drastisch geschrumpft. Gab es irgendwelche Probleme während des Rennens?"
Schumacher: "Nein, keine Probleme, aber ich wollte das Ding sicher nach Hause fahren und kein Risiko mehr eingehen. Die Bremsen waren dieses Jahr kein Problem."

Frage: "Wie stark hat dich Rubens unter Druck gesetzt, als er direkt hinter dir war?"
Schumacher: "Sehr hart. Wir beide hatten unterschiedliche Reifen drauf und ich dachte schon, ich hätte mich falsch entschieden und er richtig. Er hat mich arg unter Druck gesetzt. Er war sehr gut unterwegs, sein Auto ist sehr gut gelaufen und es gab nicht viel, was ich unternehmen konnte. Ich attackierte in der Phase, denn ich musste mich nicht nur nach hinten, sondern auch nach vorne orientieren. Ich bin vorne geblieben. Mit dem dritten Reifensatz kam ich dann besser zurecht, der zweite war nicht ganz optimal, aber das war nicht so tragisch. Es war sehr gut."

"Alle sind sehr glücklich, nach Montreal zu kommen"

Frage: "Wie denkst du im Nachhinein über das heutige Rennen und über Montreal als Station im Formel-1-Kalender?"
Schumacher: "Alle - oder zumindest fast alle - sind sehr glücklich, hierher zu kommen. Ich auch. Es ist eine nette Stadt, ein nettes Land und es kommen immer sehr viele emotionelle Fans hierher. Ein großartiger Ort."

Frage: "Wann habt ihr deine Zwei-Stopp-Strategie beschlossen, wer ist dafür verantwortlich und wie willst du nächste Woche taktieren?"
Schumacher: "Das gute ist, dass wir ein Team sind. Als Team besprechen wir diese Dinge immer untereinander und wir treffen Entscheidungen gemeinsam. Die Hauptverantwortung liegt bei Ross Brawn, denn er ist der Meister der Strategie. Falls wir uns einmal unsicher sind, hat er das letzte Wort, aber diesmal war es ziemlich eindeutig, um ehrlich zu sein. Was nächste Woche angeht, müssen wir erst einmal unsere Erfahrungen auf der Strecke sammeln, denn man kommt jedes Jahr mit einem neuen Paket und neuen Reifen zu den Rennen. Man muss erst sehen, wie dieses neue Paket funktioniert und was das für die Strategie bedeutet."

Frage: "Wie wird euer Paket in Indianapolis funktionieren?"
Schumacher: "Gut."

Frage: "Sieben Siege in acht Rennen, aber du wirst sicher sagen, dass nicht alles wie 2002 ist..."
Schumacher: "Weil es ein komplett anderes Jahr ist und andere Wettbewerber. Wir haben ständig einen anderen Gegner, das wechselt, und in vielen der Rennen von 2002 waren wir dominanter als dieses Jahr. Ich kann mich nicht an alle Rennen erinnern. Daher ist es schwierig, Vergleiche anzustellen. Ich schaue generell nie zurück, sondern immer nur nach vorne und freue mich auf die nächsten Momente."

Frage: "Wieder ein Doppelsieg mit deinem Bruder, diesmal aber deutlicher als letztes Jahr, oder?"
Schumacher: "Ich denke nicht, dass man die beiden Rennen vergleichen kann, denn letztes Jahr waren wir auf derselben Strategie, nur ich eben auf einem etwas längeren ersten Stint, was uns den entscheidenden Vorteil verschafft hat. Dieses Jahr hatten wir unterschiedliche Strategien und wir sind uns fast das ganze Rennen über nicht ins Gehege gekommen. Bis auf die letzte Runde sind wir uns nie nahe gewesen. Die Art des Duells war dieses Jahr also anders. Letztes Jahr musste ich bis zur letzten Runde zittern, ob es reicht oder nicht."

Frage: "Schon 77 Siege insgesamt. Erinnerst du dich an alle oder verschwimmen manche Erinnerungen schon?"
Schumacher: "Das hat nichts mit vergessen zu tun, aber ich lebe in der Gegenwart und in der Zukunft und nicht in der Vergangenheit, um ehrlich zu sein. Ich kann mich nicht an alle Rennen erinnern."

Montoya stellte für Schumacher nie eine Gefahr dar

Frage: "In einer Phase warst du relativ schwer und Juan-Pablo eher leicht. Hattest du da Probleme mit den Bremsen und hast du je darüber nachgedacht, ihn einfach ziehen zu lassen?"
Schumacher: "Nein. Wenn er neben mir gewesen wäre, okay, aber das war nie der Fall. Ich bin einfach meine Pace gegangen, habe mich auf mich selbst konzentriert und nur nach vorne geschaut, obwohl ich ihn natürlich auch im Auge behalten habe, denn mit seinen Reifen und so weiter weiß man nie, was danach passiert wäre, also habe ich schon versucht, ihn hinter mir zu halten, aber ohne dabei selbst an Zeit einzubüßen."

Frage: "Hast du nie daran gedacht, dass er langsamer fahren könnte, um dich einzubremsen und deinem Bruder zu helfen?"
Schumacher: "Nein, ich glaube nicht, dass man so etwas erwarten muss, denn er fährt sein eigenes Rennen."

Frage: "In der zehnten Runde betrug dein Rückstand auf Ralf etwa neun Sekunden. Hast du da gedacht, dass es schwierig werden könnte heute?"
Schumacher: "Ab einem gewissen Zeitpunkt war klar, was für eine Pace ich fahren muss, um die Strategie funktionieren zu lassen, und als Juan an die Box gegangen ist, war das auch problemlos möglich. Ich habe gepusht und es war gerade genug, wie man gesehen hat."

Frage: "Du hast andere Reifen als Rubens verwendet. Warum habt ihr euch so entschieden und hatte das etwas mit den Bremsen zu tun?"
Schumacher: "Nein, das war eine rein persönliche Entscheidung. Rubens hat die eine Mischung besser behagt, mir die andere. Ich glaube nicht, dass das stark von den Bremsen beeinflusst wurde."