Das große Interview mit Sebastian Vettel

Sebastian Vettel exklusiv über die Erwartungen an das neue Chassis, seinen Reifeprozess in der Formel 1 und das Wichtigste, was es gibt: Freunde

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Sebastian, drei Rennen, drei Ausfälle, keine Punkte. Dabei müsste man eigentlich meinen, dass ihr mit dem alten Auto wenigstens zuverlässig sein müsstet. Aber der Eindruck ist der, dass die Zuverlässigkeit noch schlechter ist als im Vorjahr. Woran liegt das?"
Sebastian Vettel: "Ich würde vielleicht nicht sagen schlechter als im Vorjahr, aber sie war sicherlich nicht so gut, wie wir es gerne gehabt hätten. Über den Winter haben wir natürlich extrem daran gearbeitet und die Probleme auch irgendwo bereinigt. Wir hatten nie groß Probleme, muss man sagen, aber leider war in Australien und Malaysia die Zuverlässigkeit nicht gut. Das waren aber kleine Sachen, die im Winter eigentlich aussortiert waren, die dann noch mal aufgetaucht sind und das Auto letzten Endes zum Stehen gebracht haben. Das war außerplanmäßig."

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel ist einer der deutschen Shootingstars in der Formel 1

Frage: "Habt ihr die Probleme, die da aufgetreten sind, aus dem Winter schon gekannt, oder sind die erstmalig aufgetreten?"
Vettel: "Nicht in der Form. Ich sage nicht, was das Problem war, aber es war sehr unerwartet, dass das auf einmal passiert."#w1#

Defekte nicht ohne Zusammenhang

Frage: "Und waren das jeweils voneinander völlig unabhängige Sachen oder gab es da auch irgendwo einen Zusammenhang?"
Vettel: "Sie waren nicht gleich, aber es gab schon einen Zusammenhang."

Frage: "Also es gibt eine Baustelle, die sich da herauskristallisiert hat?"
Vettel: "Ja. Ich denke, für Bahrain war die bereinigt. Sagen wir es mal so: Es war zweimal was Technisches, was nicht hätte passieren sollen, was aber passiert ist. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber ich denke, das ist für die Zukunft auf die Reihe gekriegt, und in Bahrain ist das Auto ja durchgefahren. Ich konnte ja nicht, denn ich hatte ja früher Feierabend..."

Frage: "Wenn man sich die Pace in den ersten drei Rennen anschaut, dann warst speziell du im Vergleich zu Sébastien Bourdais und auch das Team in Melbourne sensationell unterwegs. Melbourne gilt aber als weniger repräsentative Strecke. In Malaysia und Bahrain hat sich das Ganze ein wenig relativiert. Wo glaubst du denn, dass ihr jetzt wirklich steht? Seid ihr irgendwo in der Mitte drin?"
Vettel: "Ja. Ich meine, man muss schon mit den Füßen auf dem Boden bleiben - wir können keine Bäume ausreißen. Wir fahren nach wie vor mit dem alten Auto, was mittlerweile kein Vorteil ist, weil die anderen ja immer weiterentwickeln und wir jetzt mit dem alten Auto langsam anstehen."

"Man muss schon mit den Füßen auf dem Boden bleiben."

"Wir bekommen jetzt das neue Auto. Wir haben diese Woche in Barcelona zum ersten Mal einen Test mit dem neuen Auto. Der Rollout war schon, der war erfolgreich. Also in Barcelona der erste Test und in der Türkei wird das erste Rennen damit sein. Ich erhoffe mir schon, dass mit dem neuen Auto was vorwärts geht. Vielleicht nicht von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt. Wenn man sich an das neue Auto mal herangetastet hat, dann glaube ich schon, dass es relativ schnell ein Vorteil sein wird."

Frage: "Du bist schon einmal im neuen Auto gesessen. Du hast ja auch parallel Toro Rosso getestet beziehungsweise du wusstest, wie gut euer Toro Rosso ist. Kannst du ungefähr quantifizieren, welchen Sprung man sich da erwarten darf?"
Vettel: "Gut, das weiß ich nicht. Das Auto, das ich gefahren bin, war Red Bull Racing. Wir werden jetzt einmal sehen. Diese Woche wird in dem Fall sehr wichtig, weil wir zum ersten Mal mit dem STR3 fahren. Aber ich denke, dass es ein Schritt nach vorne ist, und ich freue mich darauf."

Im besten Fall Platz zwölf...

"Wenn man uns im Moment einordnen müsste, müsste man ganz klar sagen: zwischen Platz zwölf und Platz 16, 17, 18. Ich sage einfach mal: im besten Falle zwölf, im schlechtesten Falle 18. In Bahrain war ich 19. im Qualifying, das war weniger gut. Aber ich denke, das ist schon der Bereich, wo man uns realistisch einordnen muss. Die Strecke in Melbourne dient nicht so als Indikator, mehr schon Malaysia, wo viele schnelle Kurven drin sind und wo wir dann praktisch mit dem alten Auto ein bisschen angestanden sind, was Downforce angeht - Effektivität halt, darum dreht sich ja das ganze Spiel."

Frage: "Du meinst damit das Verhältnis Downforce zu Luftwiderstand."
Vettel: "Genau, ja."

Frage: "Es sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Autos. Nur kann man nicht wegdiskutieren, dass der technologische Ansatz trotzdem gleich ist. Jetzt habt ihr einen Ferrari-Motor drin, Red Bull Racing den Renault-Motor. Kannst du beschreiben, wie groß der Unterschied dieser beiden sehr ähnlichen oder identischen Autos ist mit der unterschiedlichen Motoreninstallation und allem, was damit einhergeht? Merkt man da als Fahrer einen großen Unterschied zwischen diesen beiden Versionen?"
Vettel: "Also das Auto war meiner Meinung nach ein Schritt nach vorne. Vor allem in schnellen Kurven, das hatte ich auch damals gesagt. Und deswegen stimmt mich das eigentlich positiv, wenn es dann praktisch an unser neues Auto geht."

"Das Auto war meiner Meinung nach ein Schritt nach vorne." Sebastian Vettel

"Zum Motor werde ich jeden Kommentar vermeiden, denn es gibt nicht viele Leute, die einen direkten Vergleich anstellen können. Ich gehöre vielleicht zu den wenigen, die das können - von einem auf das andere Jahr oder noch besser, von einem auf den anderen Tag! Aber in der Formel 1 muss man immer vorsichtig sein, was man sagt, zu wem man was sagt, und ich glaube, das Schlaueste ist es dann, gar nichts zu sagen."

Frage: "Ich will dich gar nicht auf einen Vergleich hindrängen, aber es hat geheißen im Winter, dass der Ferrari-Motor sehr fahrbar ist. Die Theorie kam auf, als auch Force India plötzlich gut dabei war, jetzt mit Traktionskontrollenverbot. Kannst du das bestätigen, dass ihr da vielleicht einen kleinen Wettbewerbsvorteil habt im direkten Mittelfeld?"
Vettel: "Wie gesagt, ich werde keinen Vergleich anstellen..."

Wie stark ist der Ferrari-Motor?

Frage: "Das will ich auch gar nicht, ich will das jetzt nicht auf Renault beziehen."
Vettel: "Ich denke, mittlerweile kommen alle mit ihren Partnern und damit, dass wir keine Traktionskontrolle haben, sehr gut zurecht. Wir haben über den Winter auch das Setting des Motors dementsprechend angepasst, und der Ferrari-Motor gilt als starker Motor, genauso aber Mercedes, Renault oder BMW. Ich denke, heutzutage ist sowieso nicht mehr so viel im Motor drin. Das Reglement ist eingefroren und vom besten bis zum schlechtesten Motor sind es vielleicht zwei Zehntel auf die Runde."

Frage: "Ich möchte auch über deinen Teamkollegen sprechen. Ihr wirkt nach außen vom Zwischenmenschlichen her harmonisch. Rein vom Speed her, plump gefragt, glaubst du, du kannst ihn im Griff haben dieses Jahr?"
Vettel: "Ja. Wenn ich das nicht glauben würde, wenn ich in diesem Sinne nicht an mich glauben und daran zweifeln würde, müsste ich aufhören."

Frage: "Ich wollte eigentlich eher nach den Eindrücken fragen, um die ihr Fahrer euch immer herumdrückt: Wer war denn schneller bisher in den ersten drei Rennen? Ihr habt ja auch die Daten entsprechend, wo ihr das analysieren könnt."
Vettel: "In Australien und Malaysia war ich schneller, in Bahrain hat er jetzt die Nase vorne gehabt. Jedes Rennen schreibt seine eigene Geschichte und in Bahrain hatte ich schwer zu kämpfen mit dem Auto, wir kamen mit dem Setup nicht richtig hin. Ich habe mich das ganze Wochenende nicht richtig wohl gefühlt, das hatten mehrere Fahrer an diesem Wochenende. Ich glaube, Kimi (Räikkönen) hat über ähnliches geklagt, Nick (Heidfeld; Anm. d. Red.) hat sich nicht zu 100 Prozent gefühlt."

Sebastian Vettel

Die Saison 2008 brachte für Sebastian Vettel bisher nur drei Nullrunden Zoom

"So etwas kommt halt mal vor und ich meine, der Teamkollege ist nicht nur dazu da, um das zweite Auto zu fahren oder ein bisschen mitzufahren, sondern der holt auch alles raus und gibt sein Bestes. Und ich sage mal, es ist generell nicht viel, was wir auseinander sind, und manchmal ist er halt auch ein bisschen schneller."

Frage: "Generell gesprochen ist es dein zweites Jahr in der Formel 1. Fällt dir alles leichter, die Rennvorbereitung, Abläufe, die Arbeit mit dem Team, Setup und so weiter? Merkst du da schon einen Unterschied zum Vorjahr?"
Vettel: "Das geht mehr und mehr Hand in Hand über. Man wird da schon erfahrener. Man merkt das bei jedem Rennen - mit jedem Wochenende lernt man dazu. Das ist ganz wichtig und ich denke auch, was ganz wichtig ist: sich das Team zu formen."

Qualitäten einer Führungspersönlichkeit

"Ich denke sogar, dass das mit das Wichtigste ist, sich das Team zu formen, durchaus Kritik zu üben, aber nicht im Sinne von 'alles ist scheiße, so kann ich nicht arbeiten', sondern dass man da was weiterbringt. Das ist gerade in einem Team wie in unserem sehr wichtig. Wir sind ein sehr kleines Team, ein sehr junges Team, und da muss man einfach schnell lernen, die Zügel in die Hand zu nehmen und zu sagen: 'Okay, da müssen wir hin!'"

Frage: "Ein ganz anderes Thema: Helmut Marko hat uns erzählt, dass dein Vertrag auf Red Bull läuft. Wenn Red Bull jetzt sagt, 'wir verkaufen mittelfristig Toro Rosso oder steigen da aus', machst du dir Gedanken über deine Vertragssituation, dass du ja nicht an Toro Rosso gebunden bist?"
Vettel: "Nein. Im Moment habe ich ganz klar das Ziel, wo ich bin das Beste aus mir herauszuholen, und jeder Gedanke, der weiter weg liegt, ist im Moment nicht angebracht. Ich denke auch nicht darüber nach. Ich meine, die Tatsache, dass dann die Nachricht rauskam, hat uns alle überrascht, im ganzen Team, aber hat nichts an unserer Arbeitsweise geändert. Jeder ist voll dabei. Es ist keiner dabei, der das Handtuch geschmissen hat und sagt: 'Wir werden eh verkauft!' Es sind alle motiviert zu zeigen, wie gut wir sind."

"Es ist keiner dabei, der das Handtuch geschmissen hat." Sebastian Vettel

Frage: "Also interpretiere ich dich richtig, dass ihr von der Verkaufsgeschichte vor dem Interview von Dietrich Mateschitz gar nichts gewusst habt?"
Vettel: "Ja."

Frage: "Eine andere Vertragssache noch: Du hast in Bahrain von dieser McLaren-Mercedes-Geschichte erzählt, wo Gespräche stattgefunden haben. Wie knapp war es denn wirklich? Oder anders gefragt: Würdest du heute McLaren-Mercedes fahren, wenn Red Bull nicht gewesen wäre?"
Vettel: "Nein, denn ohne Red Bull wäre ich nicht in der Formel 1."

Frage: "Die diplomatischste und beste Antwort..."
Vettel: "Ganz einfach: Das ist ja schon ein alter Schuh, das war ja schon Anfang Januar im Prinzip öffentlich. Da hat halt irgendeiner am Wochenende in Bahrain gefragt und dann kam das alles wieder hoch. Ich war in Kontakt und es kam dann die Meldung von Red Bull, dass sie das Ganze abblocken, und dann war das Thema eigentlich auch wieder erledigt."

Vettel in aller Munde

Frage: "Das heißt, es ist noch nicht so weit gegangen, dass ihr Vertragsgespräche oder etwas in die Richtung geführt habt?"
Vettel: "Also das waren schon seriöse Gespräche, aber es ging dann logischerweise nicht allzu weit."

Frage: "Jetzt diese McLaren-Mercedes-Geschichte, dann waren deine Leistungen sehr stark, vor allem nach Melbourne hat ja jeder über dich gesprochen. Du wirst von allen Seiten gelobt. Besteht die Gefahr, dass man sich als junger Mann manchmal zwicken muss, um nicht abzuheben und zu glauben: 'Hey, hallo, ich bin jetzt wer in der Formel 1!' Und dass man sich dann unbewusst zurücklehnt?"
Vettel: "Also zunächst einmal fühle ich mich nicht anders als irgendjemand anders auch. Man kriegt diese Frage oft gestellt: 'Wie ist jetzt das Leben in der Formel 1?'"

Frage: "Das ist übrigens dann meine nächste Frage..."
Vettel: "Ich fühle mich genau wie vor drei Jahren oder wie früher im Kart. Klar, man reift als Mensch. Es wäre auch gelogen, zu sagen, dass ich von 15 bis 20 keinen Schritt gemacht habe, was meine Entwicklung angeht. Aber ich glaube, als Typ oder als Mensch bin ich immer noch der Gleiche geblieben. Ich sehe da auch kein Problem oder keine Gefahr in Zukunft, was auch immer die Zukunft bringt. Ich bin in einem sehr guten Elternhaus aufgewachsen und weiß genau, wo ich hergekommen bin. Im Moment - ich meine, man sollte niemals nie sagen - glaube ich nicht, dass ich irgendwelche Schwierigkeiten haben werde, meine Bodenständigkeit in dem Sinne zu bewahren. Ich mag es generell nicht, über mich selbst zu sprechen. Ich hasse es, über mich selbst zu sprechen!"

"Als Typ oder als Mensch bin ich immer noch der Gleiche geblieben." Sebastian Vettel

Frage: "Das passiert natürlich in der Formel 1 relativ oft..."
Vettel: "Ja. Ich habe sehr viel Ehrgeiz und möchte, dass was weitergeht. Von daher zwicke ich mich andauernd und nicht nur ab und zu. Und ich glaube, es wäre absolut falsch, einmal zu sagen: 'Okay, ich bin jetzt wer, ich kann mich jetzt mal zurücklehnen.' Oder auch dahin abzudriften, was aber natürlich auch viel damit zusammenhängt, was man für eine Person ist oder nicht."

Ein bisschen Stolz darf sein

Frage: "Gibt es so Momente, wo du vielleicht abends zu Bett gehst, glücklich einschläfst und denkst: 'Geil, jetzt bin ich in der Formel 1 und es ist ein Traum wahr geworden!' Dass man das manchmal erst realisieren muss? Oder ist es schon selbstverständlich für dich?"
Vettel: "Nein, da bin ich ein bisschen dabei, aber ich sehe das nicht als selbstverständlich. Ich habe es auch früher nicht als selbstverständlich gesehen, dass ich Formel 3 fahre oder Formel BMW, denn das war schon ein riesengroßer Schritt. Und natürlich ist man in gewisser Weise stolz auf sich selbst und ist in dem Sinne zufrieden über das, was man erreicht hat."

"Aber auf der anderen Seite kommt die Zufriedenheit auch nur dann, wenn man sich wohl fühlt oder wenn man zufrieden ist, was man in den vergangenen Zeiten erreicht hat, in den letzten Wochen oder in den letzten Monaten. Und die Tatsache, dass ich in der Formel 1 fahre, macht mich stolz, wenn ich ehrlich bin."

Frage: "Das ist ja auch dein gutes Recht."
Vettel: "Auf der anderen Seite ärgert einen so etwas, wie es jetzt in Bahrain passiert ist. Dass man einfach das Rennen nicht fahren kann und so weiter. Das ärgert einen, aber nicht in dem Sinne, dass es einen auffrisst, sondern man möchte dann einfach mehr machen für das nächste Mal, dass es besser wird."

Sebastian Vettel

Sebastian Vettel bei der Arbeit: Der 20-Jährige bändigt mehr als 700 PS Zoom

Frage: "Gibt es auch Dinge, die sich durch die Formel 1 zum Negativen verändert haben? Damit meine ich zum Beispiel Freundeskreisverlust - du weißt, in welche Richtung ich gehen will mit der Frage. Nicht weil du abhebst und so weiter, sondern weil du ständig um die Welt reist..."
Vettel: "Nein. Mittlerweile gibt es ja so etwas wie Telefon und Internet und da kann man eigentlich immer in Kontakt bleiben. Das ist sowieso etwas, was mir sehr, sehr wichtig ist, denn richtige Freunde gibt es nicht allzu viele und die findet man auch nicht mal gerade so. Und das ist mit sehr, sehr wichtig, den Kontakt stets zu erhalten."

"Bisher bin ich, glaube ich, gut damit gefahren. Ich stehe nach wie vor mit meinen Kumpels aus der Schule gut in Kontakt oder auch mit Leuten, mit denen ich früher zusammengearbeitet habe in der Formel BMW, Formel 3 und so weiter. Und das ist mir auch sehr, sehr wichtig - und natürlich, klar, mit meiner Familie."

Frage: "Du hast eine Freundin. Eine Beziehung kann unter einem High-Pressure-Job wie dem als Formel-1-Fahrer leiden. Ist es schwierig für dich, deine Beziehung aufrechtzuerhalten?"
Vettel: "Nein. Ich denke, dass ich die richtige Freundin habe."

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