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Das große Interview mit Michael Schumacher
Michael Schumacher über den US-Grand-Prix, Rücktrittsgerüchte, die USA, seine Haustiere, seine Formel-1-Karriere und die Zeit danach
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Du bist gerne in den USA. Gefällt es dir, dass du hier nicht solch eine Berühmtheit bist wie in Europa?"
Michael Schumacher: "Sicherlich ist das ein schönes Gefühl, unerkannt durch die Gegend zu fahren und Spaß zu haben, ohne beobachtet zu werden. Das kann man hier sicherlich ausgiebig tun."

© xpb.cc
Michael Schumacher kann sich in den USA sehr gut entspannen
Frage: "Beim 'Pit Walkabout', als viele Fans in die Boxengasse strömten, hast du dich von einer sehr offenen Seite präsentiert. Spiegelt diese Lockerheit auch einen Aufwärtstrend bei Ferrari wider?"
Schumacher: "Das ist sicherlich das Schöne daran, auf der anderen Seite muss ich sagen, dass ich das ganze Jahr über locker bin. Es gibt für uns nicht wirklich etwas, was wir beweisen müssen. Wir haben schon sehr viel bewiesen, aber wir arbeiten nach wie vor sehr extrem daran, auch wieder nach vorne zu kommen. Aber manchmal klappt es einfach nicht. Das muss man dann auch akzeptieren. Aber die Atmosphäre hier in Amerika hilft natürlich dabei, dass man auch locker bleiben kann."#w1#
Frage: "Könnte denn in Indianapolis die große Wende erfolgen?"
Schumacher: "Ich denke, dass es hier nicht unbedingt eine große Wende geben sollte. Es sei denn, wir haben Bedingungen, wie wir sie in Imola hatten. Dann könnte es umschlagen, aber es ist schwer, das vorherzusagen."
Frage: "Dein Bruder hat in einem Interview mit der 'Sport Bild' erklärt, dass er erwartet, dass du am Saisonende deinen Helm an den Nagel hängst."
Schumacher: "Ich weiß nicht, wie er darauf kommt. Ich habe ihm eigentlich oft genug gesagt, wie viel Spaß ich auch in dieser Saison habe. Aber er ist nun einmal der jüngere und kleinere Bruder."
Ralf Schumacher weiß "nur schlecht" Bescheid
Frage: "Also weiß der über dein Gefühlsleben Bescheid, wenn du mit ihm bereits darüber gesprochen hast?"
Schumacher: "In diesem Fall scheinbar nur schlecht. Wir haben am Nürburgring noch darüber geredet, wie viel Spaß ich daran habe. Ich weiß nicht, was ihn zu der Aussage getrieben hat, ob er sie auch wirklich getätigt hat. Es gibt ja so gewisse Statements, die man manchen Leuten in den Mund legt. Auf der anderen Seite, wenn er es denn gesagt hat, dann hat er, glaube ich, derzeit wichtigere Dinge zu tun, als sich um mich zu kümmern."
Frage: "Aber hegst du schon konkrete Rücksichtsgedanken? Gibt es einen Plan, wann dieser Punkt gekommen ist?"
Schumacher: "Das kann man nicht sagen. Das kann in drei oder fünf Jahren oder noch mehr sein. Das weiß ich einfach nicht. Wenn man in der Situation bist, alles erreicht zu haben, dann möchte man solange fahren, wie man Spaß hat und sich noch motivieren kann. Und wer will das jetzt wissen. Das ist eine Sache, die lange dauern kann oder nicht so lange dauern kann. Deswegen kann ich da keine klare Aussage machen. Ich bin jemand, der gerne das redet, was er wirklich denkt."
Frage: "Hast du nach den schlechten Rennen in der bisherigen Saison schon einmal daran gedacht aufzugeben?"
Schumacher: "Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe in diesem Jahr, auch wenn die Ergebnisse das nicht sagen, schöne Rennen gehabt. Speziell Monaco hat mir tierisch viel Spaß gemacht. Es gibt genug Gründe, Spaß zu haben. Man muss auch mal akzeptieren, dass andere einen guten Job machen und manchmal schneller sein können. Und das können wir ganz gut. Damit können wir leben, weil wir auch wissen, dass wir die Möglichkeiten haben, wieder den Anschluss zu finden."
Frage: "Es gibt Gerüchte, wonach du versuchen möchtest, zehn WM-Titel einzufahren, und du daher nicht Ende 2006 aufhören wirst. Ist da etwas dran?"
Schumacher: "Man sollte wissen, dass die Medien von Gerüchten leben. Für mich gibt es ein solches Ziel nicht. Ich möchte es einfach so lange genießen, wie ich es genießen kann. Und ich genieße es, wenn ich konkurrenzfähig bin. Und ich denke, das bin ich noch. Solange das also der Fall ist, werde ich weitermachen. Das Hauptziel wurde schon 2000 erreicht, da habe ich den ersten Titel mit Ferrari errungen. Alles, was wir danach erreichten, waren weitere Geschenke. Es ist großartig, aber ich strebe nichts Genaues an. Ich möchte einfach weitermachen und die Unterstützung wie hier genießen."
Frage: "Kimi Räikkönen holte in Kanada auf Fernando Alonso auf. Hat er noch realistische WM-Chancen?"
Schumacher: "Da muss er sich noch ein bisschen anstrengen oder Fernando Alonso muss ihm noch einige Gefallen tun: Mit diesem Punkteabstand wird es in meinen Augen noch einige Zeit dauern, bis das eintritt. Aber es ist sicherlich möglich."
Unfall von Ralf Schumacher im Vorjahr ist verarbeitet
Frage: "Dein Bruder hatte hier vor einem Jahr seinen schweren Unfall. Denkt man daran, wenn man an diese Strecke zurückkehrt?"
Schumacher: "Das war sicherlich keine schöne Erinnerung. Ich sehe einen BMW stehen und habe in erster Linie gehofft, dass es nicht Ralf Schumacher ist. Leider sah ich dann aber den gelben Helm. Das war kein schöner Moment für mich, ich war auch nicht unbedingt motiviert, da weiterzufahren. Ich habe sogar daran gedacht anzuhalten, obwohl das auch nicht viel gebracht hätte. Aber Fakt ist, dass es zum Glück sehr gut ausgegangen ist. Wir als Rennfahrer können mit solchen Situation gut umgehen, assoziieren das nicht mit der Strecke, sondern konzentrieren uns auf unsere Sachen und machen unseren Job."
Frage: "Danica Patrick sorgt in der IndyCar-Serie für Furore und wird auch immer wieder mit der Formel 1 in Verbindung gebracht. Würdest du ein Engagement von ihr begrüßen?"
Schumacher: "Es wäre sicherlich sehr interessant. Auch für den amerikanischen Markt wäre es gut, den die Formel 1 noch nicht ganz erschlossen hat. Das wäre in dieser Hinsicht ein großer Schritt. Auf der anderen Seite, wäre sie, wenn sie im Auto sitzt, auch nur eine Konkurrentin oder ein Konkurrent wie jeder andere."
Frage: "Hoffst du, dass du an diesem Wochenende den ersten Saisonsieg einfahren kannst?"
Schumacher: "Wenn es nach der Unterstützung hier geht, dann sollte das wohl so sein. Aber wie man jüngst gesehen hat, haben wir momentan einige Probleme. Bisher waren wir noch nicht immer konkurrenzfähig. Aber wir werden wie immer unser Bestes geben. Auch Bridgestone ist hoch motiviert. Wir geben alles, um das Auto wieder konkurrenzfähig zu bekommen, ähnlich wie im vergangenen Jahr. Der Wettbewerb ist sehr hart. Die anderen Teams leisten großartige Arbeit, es ist schwierig, sie zu schlagen."
Frage: "Ein Motor muss in diesem Jahr zwei Rennen halten, ein Reifensatz Qualifying und Rennen. Haben diese neuen Regeln auch die Herangehensweise an ein Rennwochenende oder gar deinen Fahrstil geändert?"
Schumacher: "Sicher hat es das. Im Winter mussten wir bisher kaum Stints mit mehr als 20 Runden fahren. Nun aber mussten wir für eine Distanz für 300 Kilometer arbeiten, hinzu kam noch das Qualifying. Zu dieser Zeit waren es ja noch zwei Qualifyingsitzungen, nun ist es nur noch eine. Das Testen war also sehr anstrengend, denn wir wollten unsere Leistungsfähigkeit ja nicht verlieren, sondern erhalten. Zudem mussten die Reifen haltbar sein, das war eine schwere Aufgabe. Seit Saisonbeginn haben wir uns hier stark verbessert. Bridgestone macht auf diesem Gebiet immer weiter Fortschritte."
"Es könnte eben nur ein wenig dauern"
Frage: "Mit Bridgestone hast du dir die letzten fünf Weltmeisterschaften gesichert, aber nun erlebst du eine sieglose Phase. Wie reagierst du auf die Herausforderungen, Ferrari wieder an die Spitze zu bringen? Und was sind die Unterschiede zu der Phase, als ihr allen davongefahren seid?"
Schumacher: "Der Unterschied ist ja offensichtlich. Die meisten Rennen beginnen wir einfach von weiter hinten, mit Ausnahme des Kanada-Grand-Prix', aber da hatten wir eine andere Strategie als die meisten anderen. Die Herausforderung ist einfach anders. Solange wir konkurrenzfähig sind, wie in Imola oder in Monte Carlo, dann konnten wir den Speed auch zeigen. In dieser Warte sind wir dabei, wir bekommen es nur nicht immer auf die Reihe, speziell im Qualifying. Wir müssen das Rennen meist etwas zurückstellen, um im Qualifying dabei zu sein. Damit sind wir dann in einem Kreislauf gefangen, und das Ausbrechen fällt schwer.
"Aber man muss wissen, dass das eben die Formel 1 ist. Der Wettbewerb ist sehr hart. Es gibt großartige Fahrer, großartige Teams. Jeder hat das gleiche Ziel, jeder möchte gewinnen. Wir haben in den vergangenen fünf oder sechs Jahren gewonnen, und dann muss man auch akzeptieren, dass die anderen eben einen besseren Job machen. Unsere Motivation und unsere Herausforderung ist es, zu zeigen, dass wir zurückkommen können. Und da habe ich keine Zweifel. Es könnte eben nur ein wenig dauern."
Frage: "Drei der fünf Rennen in Indianapolis hast du gewinnen. Der Kurs wurde neu asphaltiert. Wird Bridgestone hier damit zurechtkommen?"
Schumacher: "Für uns gibt es nur ein Ziel, wir wollen gewinnen. Wir haben einige Dinge am Auto verbessert, auch an den Reifen. Der Streckenbelag ist neu, wir werden sehen, welche Rolle das spielen wird. Vielleicht spielt es uns in die Hände, oder wir liegen noch weiter zurück. Die Grenze ist das sehr schmal."
Frage: "Einige haben sich schon beschwert, dass die Saison zu lang sei. So erklärte McLaren-Teamchef Ron Dennis, er wolle zurück zu einem Kalender mit 16 Rennen. Was denkst du darüber?"
Schumacher: "Wenn Ron keine 19 Rennen möchte, dann muss er ja nicht anreisen. Unsere Saison wäre auch mit 16 Rennen gleich lang, auch mit 20. Wir beginnen Anfang Januar und es geht bis Mitte Dezember. Entweder fahren wir Rennen oder wir testen. Und ich bevorzuge dann doch die Rennen."
Frage: "Mexiko bewirbt sich um ein Formel-1-Rennen auf einer neuen Strecke in Cancun. Würdest du gerne dort fahren?"
Schumacher: "Ich war schon in den frühen 90er Jahren in Mexiko, mit den Sportwagen und der Formel 1. Wir hatten dort eine großartige Zeit. Der Kurs (in Mexiko City; d. Red.) war herausfordernd, und ich bin sicher, dass wir in Mexiko viel Unterstützung bekommen würden. Wir alle wären glücklich, wenn wir wieder dort antreten könnten."
Keine Teamchef-Zukunft für Schumacher
Frage: "Könntest du dir vorstellen, nach deiner Fahrerkarriere dem Rennsport treu zu bleiben und vielleicht ein Team zu leiten? Oder sitzt du dann einfach zu Hause und fährst nur zum Monaco-Grand-Prix?"
Schumacher: "Der einzige Teamchef, über den wir reden sollten, ist Jean Todt. Er arbeitet unglaublich viel. Es mangelt ihm nie an Motivation, er treibt im Hintergrund alle an. Speziell jetzt gibt er mehr als 100 Prozent. Als Rennfahrer habe ich ein sehr gutes Leben, ich würde nicht mit ihm tauschen wollen."
Frage: "Hast du Haustiere?"
Schumacher: "Wir haben Hunde. Mit Katzen kommen sie aber nicht sehr gut aus. Drei Stück haben wir insgesamt, da bleibt auch kein Platz für Katzen."
Frage: "Deine Frau Corinna mag auch Pferde, oder?"
Schumacher: "Ja, sie mag Western-Pferde, das ist ihre große Leidenschaft. Direkt vor dem Kanada-Grand-Prix waren wir in Montana auf einer Ranch. Wir haben es sehr genossen, die Natur um uns zu haben und zu reiten. Ich ich liebe Pferde auch, auch die Kinder. Nach dem Rennsport nimmt das einen großen Teil unserer Zeit ein."
Frage: "Welchen Sportler bewunderst du?"
Schumacher: "Ich bin Fußballfan, aber das ist nur eine Sache. Wenn ich mir ansehe, was Radfahrer leisten, speziell Lance Armstrong, dann finde ich das sehr beachtlich. Ich bereite mich körperlich sehr viel vor, daher denke ich, dass ich weiß, was sie leisten. Diese Anstrengung ist unglaublich."
Frage: "Welche Meinung hast du zum derzeitigen Qualifyingformat? Würdest du wieder gerne das Format haben, bei dem alle gleichzeitig auf der Strecke sind?"
Schumacher: "Ich hatte da immer meinen Spaß dran. Es war aufregend, gerade die letzten fünf Minuten, wenn man hinausging und sich fragte, ob man die Pole Position holen würde. Aber man kann nicht jeden zufrieden stellen, irgendjemand beschwert sich immer. Meiner Meinung hätte man alles so lassen sollen."
Schumacher als vorbildlicher Helmträger
Frage: "Welcher Kurs in der Formel 1 ist körperlich am herausforderndsten?"
Schumacher: "Malaysia ist sehr, sehr hart für uns, und Monte Carlo auch, aber eben anders. In Malaysia ist es heiß und feucht und es gibt hohe G-Kräfte. Monte Carlo ist körperlich und auch mental sehr anstrengend."
Frage: "Du tauchst immer häufiger mit einem Motorrad an der Rennstrecke auf. Was begeistert dich so daran?"
Schumacher: "Ich liebe das, vielleicht deshalb, weil man sich so frei fühlt. Man sitzt in der Luft, der offene Himmel über einem. Es ist ein wenig wie beim Tauchen. Nur da ist man im Wasser, man gleitet, man hat das Gefühl, dass man fliegen würde."
Frage: "Aber du trägst dabei schon einen Helm."
Schumacher: "Ja, immer!"
Frage: "Mit deiner Zehn-Millionen-Dollar-Spende für die Opfer der Flutkatastrophe in Südasien hast du für Aufsehen gesorgt. Aber du bist schon eine lange Zeit für Hilfsprojekte unterwegs. Wie kamst du dazu, dich dafür einzusetzen?"
Schumacher: "Da gab es einen Auslöser. Ende 1989 (eigentlich 1990; d. Red.) gewann ich die Formel-3-Rennen in Macau und Fuji. Mir war damit ein hohes Preisgeld sicher, denn niemand dachte, dass jemand beide Rennen gewinnen würde. Es waren 20.000 Pfund. Während des Rennens wusste ich, dass ich das Geld bekommen würde, und dachte darüber nach, was ich damit machen würde. Ich dachte, dass ich damit jemandem helfen müsste. In meiner Familie hatte jemand Hilfe nötig, also half ich ihm. Dann wurde ich bekannt, dadurch habe ich Geld zusammengetragen und ich verdiente ja bisher auch viel Geld. Ich möchte einfach etwas für andere Menschen machen, das ist meine Motivation."
Frage: "Du hast ein Amulett um den Hals, das sicher eine spezielle Bedeutung hat. Woher kommt das Schmuckstück und was bedeutet es für dich?"
Schumacher: "Derzeit trage ich es gar nicht - aber während der Rennen und der Qualifyings schon. Meine Frau hat dieses Amulett gemacht. Es sind die Initialen von ihr und den Kindern mit drauf, und ein Symbol, das mir etwas bedeutet. Es soll mir einfach nur Glück bringen."
V8-Motoren lassen die Attraktivität nicht leiden
Frage: "Freust du sich auf die kommenden V8-Motoren im nächsten Jahr?"
Schumacher: "Wir versuchen die Formel 1 langsamer zu machen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Wir werden immer schneller, uns gefällt das. Aber auf der anderen Seite sind die Kurse nur für eine bestimmte Geschwindigkeit ausgelegt. Diese Grenze haben wir etwas überschritten, daher kamen auch die Änderungen vom vergangenen Jahr zu heute. Sehr erfolgreich waren die Änderungen nicht, denn es gibt fünf oder zehn Leute, die die Änderungen machen, aber bei uns arbeiten hunderte von Leuten am genauen Gegenteil. Wer dabei gewinnt, ist wohl ziemlich offensichtlich. Mit den V8-Motoren werden wir den Schritt aber schaffen, denn wir verlieren dabei viel Leistung, die wir schwer wieder zurückgewinnen können. Die Balance zwischen Aerodynamik, Reifen und Motorleistung lief etwas aus dem Ruder. Wir haben ja alles verändert, nur den Motor nicht. Das sollte wieder angepasst werden. Die Attraktivität sollte aber nicht darunter leiden."
Frage: "Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, was du nach der Formel 1 machen möchtest?"
Schumacher: "So alt fühle ich mich noch nicht. Die Formel 1 ist das Ultimative. Von anderen Dingen werde ich nicht so angezogen. Ich fühle mich noch sehr jung, habe also keine Ambitionen, etwas anderes zu tun."

