• 03.07.2008 20:07

Coulthards große Abschieds-Pressekonferenz

Im Rahmen der FIA-Pressekonferenz erklärte David Coulthard in Silverstone die Beweggründe für seinen nicht wirklich überraschenden Rücktritt

(Motorsport-Total.com) - Heute Nachmittag hat David Coulthard seinen Rücktritt mittels schriftlicher Stellungnahme offiziell bekannt gegeben, eine halbe Stunde später stellte er sich im Medienzentrum in Silverstone den Fragen der internationalen Journaille. Was der Red-Bull-Pilot dabei zu sagen hatte, können Sie hier nachlesen.

Titel-Bild zur News: David Coulthard

David Coulthard wird seine Karriere in der Formel 1 in Brasilien beenden

Frage: "David, was waren deine Beweggründe, die zur Rücktrittsentscheidung geführt haben?"
David Coulthard: "Es gibt nicht diesen einen Tag, an dem ich aufgewacht bin und es gewusst habe, wenn du das meinst, aber das Gefühl, dass dieses Jahr mein letztes in der Formel 1 sein sollte, wurde immer stärker. Ich genieße das Rennfahren immer noch sehr, obwohl es am Jahresanfang einige Zwischenfälle gegeben hat. Mein Nachdenkprozess hat schon davor begonnen."#w1#

Der Traum vom Titel ist ausgeträumt

"Ich bin mit dem Material, das mir zur Verfügung steht, immer noch konkurrenzfähig. Nach 15 Jahren werde ich sicher um keine Weltmeisterschaft mehr kämpfen und wahrscheinlich gewinne ich auch keinen Grand Prix mehr, wenn nichts Außergewöhnliches passiert. Meine Rolle bei Red Bull sehe ich als erfüllt an."

"Ich habe diesen Job vor ein paar Jahren angenommen und habe dem Team beim Wachsen geholfen. Wir haben Fortschritte gemacht und werden im Fahrerlager ernst genommen. Nicht dass das vorher nicht so gewesen wäre, aber die Leute wussten nicht, was man von Red Bull zu erwarten hatte. Ich glaube, der Zeitpunkt passt. Ich werde nächstes Jahr 38 und nichts währt ewig. Ich habe meine Zeit als Rennfahrer genossen und jetzt ist der richtige Zeitpunkt."

"Ich hatte ein Weltmeisterauto, aber ich habe die Weltmeisterschaft nicht gewonnen." David Coulthard

Frage: "War es eine schwierige Entscheidung?"
Coulthard: "Nicht wirklich, nein. Ich habe meine Karriere als Sportler schon immer sehr realistisch gesehen, wie lange sie dauern wird und welche Möglichkeiten sich bieten könnten. Ich glaube, dass ich meine Möglichkeiten gut ausgeschöpft habe."

"Ich werde nicht zurückschauen und denken: Wenn ich doch nur ein Weltmeisterauto gehabt hätte! Ich hatte ein Weltmeisterauto, aber ich habe die Weltmeisterschaft nicht gewonnen. Ich habe aber ein paar Grands Prix gewonnen und hatte sehr viel Spaß dabei. Meine Reise mit Red Bull wird weitergehen, aber nicht mehr als Grand-Prix-Fahrer. Damit habe ich überhaupt kein Problem und ich freue mich auf die verbleibenden Rennen."

Frage: "Wird es dir schwer fallen, die Motivation für die restlichen Rennen aufrechtzuerhalten?"
Coulthard: "Nein. Wenn dem so wäre, dann würde ich heute schon zur Seite steigen. Das Gute an meiner Entscheidung ist, dass ich noch motiviert bin. Ich genieße das Rennfahren. Ich würde es hassen, mich in einer Situation zu befinden, in der ich keine Lust mehr auf das Rennfahren habe, aber noch fahren muss. Ich stehe bis Saisonende unter Vertrag. Nach 15 Saisons finde ich, dass es reicht. Der Sport ist mit den anderen britischen Fahrern in guten Händen, also wird Brasilien im Oktober mein letztes Rennen sein."

Bekanntgabe war geplant

Frage: "Hast du schon konkrete Pläne oder stehst du Angeboten von anderen Teams als Red Bull offen gegenüber?"
Coulthard: "Ich werde Red Bull Racing beraten und auch testen, dadurch kann ich mein Interesse an der Formel 1 und am Fahrerlager ausleben. Andere Möglichkeiten werde ich in Erwägung ziehen, wenn die Zeit reif ist. Aus emotionalen Gründen wollte ich bis Silverstone mit dieser Bekanntgabe warten. Jetzt, da es heraußen ist, kann ich mich wieder auf das Rennfahren konzentrieren. Ich hoffe, dass wir ein gutes Wochenende haben und dass wir Punkte holen werden. Vielleicht gibt es einen britischen Sieger und wir alle gehen nach Hause und denken, dass es ein gutes Wochenende für den Sport war."

Frage: "Es gibt zwei Arten, wie man zurücktreten kann. Die eine ist die, wo das Feuer erlischt und man nie wieder ein Autorennen fahren will, und die andere ist die von Nigel Mansell, wo man aufhört, aber insgeheim auf jede Chance brennt, doch noch einmal zurückzukehren. Was trifft auf dich zu? Und wird deine Rolle eine ähnliche wie die von Michael Schumacher bei Ferrari sein, der manchmal das Auto testet, um eine Richtung vorzugeben?"
Coulthard: "Absolut. Teil des Plans ist, dass ich das Auto von Zeit zu Zeit fahren werde. Bevor ich mit dem Rennfahren begonnen habe, war ich drei Jahre lang Testfahrer, also sitze ich schon lange am Steuer eines Formel-1-Autos."

"Ich habe für Leute wie Nigel, Senna und Prost getestet - das waren großartige Lehrer." David Coulthard

"Ich habe für Leute wie Nigel, Senna und Prost getestet - das waren großartige Lehrer. Ich habe Freude daran, mit diesen Autos zu fahren, daher ist es nur logisch, dass ich mich von Zeit zu Zeit in eines hineinsetze und Mark (Webber; Anm. d. Red.) und wer auch immer das zweite Auto bekommen mag unterstütze. Es ist nicht so, dass es mir an Enthusiasmus oder Energie fehlt."

"Soweit ich weiß, ist Nigel nie zurückgetreten. Ich sage nicht, dass ich in Zukunft nie wieder ein Autorennen fahren werde, aber mein Ziel war es immer, in der Königsklasse des Motorsports zu sein. Bis mir jemand etwas anderes zeigt, bleibt das für mich die Formel 1. Alles, was jetzt kommt, würde ich aus einer anderen Motivation heraus machen. Ich sage nicht, dass die Formel 1 keinen Spaß macht, aber wenn du Formel 1 fährst, dann musst du jede Minute des Tages daran denken und fest entschlossen sein. Ich glaube nicht, dass ich die gleiche Energie in eine andere Sache stecken könnte, aber wir werden sehen."

Der Stachel sitzt tief: Melbourne 1998

Frage: "Bereust du irgendetwas, hättest du im Nachhinein betrachtet irgendetwas anders gemacht?"
Coulthard: "Ich könnte jetzt viele Dinge aufzählen, die ich besser hätte machen können, aber so funktioniert das im Leben halt nicht. Man trifft zu gegebenem Zeitpunkt seine Entscheidungen. Aber wenn ich an Melbourne 1998 zurückdenke, dann war das schon eine Enttäuschung, denn das war ein Missverständnis, eine Teamanweisung. Dass ich mit Mika (Häkkinen; Anm. d. Red.) Plätze tauschen musste, war ein ziemlich definierender Moment."

"Aber so ist es nun mal, das ist die Reise des Lebens. Ich glaube, es würde nicht einmal halb so viel Spaß machen, wenn alles immer nur nach Wunsch laufen würde. Wie man mit diesen kleinen Hindernissen und Fehlern umgeht, das ist es, was Farbe ins Leben bringt."

"Ich denke, es ist eine aufregende Saison." David Coulthard

Frage: "Wir haben schon fast Halbzeit in der Saison, aber es gibt noch keinen klaren Titelfavoriten. Kann man sagen, dass diese Saison spannender als im Vorjahr ist?"
Coulthard: "Es ist auf jeden Fall knapper als im Vorjahr, denke ich, was die Frage eigentlich beantwortet. Es passiert viel mehr und alles ist offener, was gut für den Sport ist, gut für die Fans. Ich denke, es ist eine aufregende Saison."

Frage: "Zum Streit um die Superlizenzen: Ein FIA-Sprecher hat gesagt, dass alle Fahrer, die in einem Steuerparadies leben, einfach 15 Prozent ihrer Gage bezahlen sollten. Was hältst du davon?"
Coulthard: "Ihr müsst erst einmal das Steuersystem begreifen. Selbst wenn du nicht in Großbritannien lebst, bezahlen wir einen Prozentsatz unseres Gehalts beim britischen Grand Prix, daher trage ich zum britischen Steuersystem immer noch entscheidend mehr bei als meine Familienmitglieder, die gute Jobs haben und sich selbst versorgen. Außerdem nutze ich die ganzen Einrichtungen in Großbritannien nicht."

"Vor Jahren, als ich nach Monaco gezogen bin, haben die Leute diesen Umzug kommentiert, ohne dass sie die wahre Situation kannten. Unsere Entscheidung für einen Lebensstil ist unsere Entscheidung - jeder kann das für sich entscheiden. Es ist falsch, jemanden zu kritisieren, der finanziellen Erfolg hat und daher in einem anderen Land leben will, das seine Bedürfnisse zu dem Zeitpunkt besser befriedigen kann."