• 27.09.2002 09:02

Coulthard: "Man muss gegen die Leute hart vorgehen"

"DC" über die Strafe gegen Massa, seinen Ausflug nach Brno, die Verbesserungen bei Mercedes, die Telemetrie und US-Piloten

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Du warst letzte Woche in Brno unterwegs. Wie hat es dir dort gefallen? Viele Leute wussten ja gar nicht, dass du dort ein Formel-1-Auto fahren wirst. Viele Leute wissen nicht einmal, wo Brno liegt. Es liegt in der Tschechei. Was denkst du über die Strecke?"
David Coulthard: "Der Kurs ist ziemlich herausfordernd, er hat eine Menge Hochgeschwindigkeitskurven. Er ist unglaublich breit, überall rund 50 Meter. Er ist also im Vergleich zu den anderen Strecken, auf denen wir fahren, sehr anders. In der Vergangenheit habe ich immer gedacht, dass die Tschechei weit von unseren üblichen Orten liegt, an denen wir unterwegs sind, aber es liegt nur ein paar Stunden von Wien entfernt. Es könnte aus diesem Grund ein guter Platz zum Testen werden."

Titel-Bild zur News: David Coulthard

David Coulthard findet den neuen Strafenmodus keine glückliche Lösung

Frage: "Du hast gesagt, dass es eine Strecke mit schnellen, flüssigen Kurven ist. Das ist doch etwas, was der Formel 1 im Moment fehlt, oder?"
Coulthard: "Ja, die Strecken, zu denen wir im Moment gehen, sind alle wie das neue Hockenheim, eng. Es gibt fast kaum eine Kurve, die einen in ihren Bann zieht und von der die Fahrer so positiv sprechen wie von Spa. Wenn man hört, dass Spa vielleicht gar nicht mehr im Rennkalender sein wird, dann überlegt man sich schon, was einem sonst noch als Herausforderung bleibt. Ich denke also, dass es unwahrscheinlich ist, dass Brno jemals eine Grand-Prix-Strecke sein wird, aber was das Testen angeht, so ist der Kurs eine feine Sache. Wenn man aerodynamische Arbeiten zu erledigen hat, so geht man im Moment wohl nach Barcelona. Dort gibt es nur ein paar schnelle Kurven."

Motor als vielleicht größte Verbesserungsbasis

Frage: "Wenn du einmal auf die ganze Saison zurückblickst, welche Fortschritte hat Mercedes da mit dem Motor in diesem Jahr gemacht?"
Coulthard: "Ich denke, dass sie große Fortschritte gemacht haben, vergleicht man, wo wir jetzt im Vergleich zum Saisonbeginn stehen. Es ist vielleicht das Gebiet, auf dem wir uns am meisten verbessert haben. Da wir nun an einen Kurs kommen, auf dem wir das längste Vollgasstück haben, bin ich ziemlich optimistisch, dass wir eine ordentliche Leistung zeigen können."

Frage: "Wenn wir uns Strecken zu Saisonbeginn anschauen, sagen wir Barcelona, so warst du bei der Höchstgeschwindigkeit ganz am Ende des Feldes zu finden, in Monza dagegen fand man euch ziemlich weit vorne. Ich würde sagen, dass dies besonders die Fortschritte aufzeigt."
Coulthard: "Ja, das ist eine Referenz, wenn man sich die Höchstgeschwindigkeiten und all dies anschaut, aber das hängt nicht nur mit dem Motor zusammen. Die Aerodynamik ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. In der Vergangenheit hatten wir einen sehr geringen Luftwiderstand. Ich nehme an, dass man sagen kann, dass wir nun mehr Potenzial aus dem Auto herausholen können."

"Man muss gegen die Leute hart vorgehen"

Frage: "In diesem Rennen sehen wir zum ersten Mal die Strafe, dass jemand um zehn Plätze nach hinten versetzt wird. Die Folge ist, dass Felipe Massa aus dem Rennen ist. Was denkst du darüber? Sollte man daran festhalten? Ist es gut oder schlecht? Man sieht ja, welchen Einfluss dies auf die Karriere eines Fahrers hat."
Coulthard: "Im Endeffekt hat Felipe die Strafe nicht im Rennen bekommen, er muss das eine Rennen auslassen. Aber wenn er nach Suzuka kommt, so darf er sich wie normal qualifizieren. Es ist aus diesem Grund ein wenig seltsam. Aber ich denke, dass es schwierig ist, die Strafe auf den einen Tag zu fixieren, denn was ist, wenn man sich das Auto beschädigt und selbst aus dem Rennen ist? Ich kann auch nichts an den Geldstrafen finden, denn sie sind gegen meine Religion... Aber es ist schon schwierig. Definitiv muss man aber gegen Leute hart vorgehen, die ständig gefährlich zu sein scheinen, denn ansonsten warten wir, bis es einen heftigen Unfall gibt und jemand verletzt wird."

"Aber die Sache mit dem Zurückversetzen in der Startaufstellung ist ein wenig komisch, oder? Warum zehn Plätze? Warum nicht zwei? Warum versetzt man die Leute nicht gleich ganz nach hinten? Es ist natürlich so, dass jemand nicht so stark bestraft wird, der weiter hinten steht als jemand, der weiter vorne steht. Und wenn man im Mittelfeld ist, dann kommt man ganz nach hinten. Vielleicht sollte man das konstanter handhaben."

"Verschiedene Nationen sind wichtig"

Frage: "Es gibt im Moment das Bestreben, junge amerikanische Fahrer auf die europäischen Strecken zu bringen. Mich würde interessieren, was du darüber denkst. Sollte man dies so machen? Muss dies so gemacht werden? Ist es für die Formel 1 wichtig, einen amerikanischen Fahrer zu haben?"
Coulthard: "Ich würde sagen, dass es gut ist, Fahrer aus der ganzen Welt zu haben, wenn sie es tatsächlich verdienen, hier zu sein. Denn wir haben in ein paar Ländern gesehen, dass einige Nationalitäten auf das Spielfeld treten und nichts auf die Reihe bekommen haben. Ich glaube nicht, dass so etwas dazu führt, dass sich ein Land dann als Teil des Sports fühlt und auf seine Fahrer stolz ist. Es gibt keinen Grund, warum ein Amerikaner im richtigen Auto in der Formel 1 nicht konkurrenzfähig sein kann. Ich denke, dass es das beste ist, wenn sie mit dem gleichen Background wie wir hier herkommen, was die europäischen Serien sind, dies ist der beste Weg, um in die Formel 1 zu kommen."

"Ich hatte viele tolle Rad-an-Rad-Duelle"

Frage: "Macht dir dein Beruf im Moment Spaß?"
Coulthard: "Ja. Wenn man nicht vorne mitfährt, dann muss man natürlich mehr Rennsport zeigen, das ist die Wahrheit. Wenn man sich in der ersten Reihe qualifiziert, dann tendiert man dazu, nur seine Position zu halten und das war es dann, es ist dann kein richtiges Rennen. Ich hatte dieses Jahr viele tolle Rad-an-Rad-Kämpfe. Aber ich würde das natürlich aufgeben, um Rennen zu gewinnen."

"Es gibt immer noch Raum für den Menschen in der Formel 1"

Frage: "In der heutigen Zeit steht so viel Telemetrie zur Verfügung, wie viel macht der Fahrer mit seinen Informationen und seinem 'Popometer' in Bezug auf das Setup noch aus? Mit anderen Worten: Sagt dir die Telemetrie, was du tun musst oder benutzt du sie nur dafür, das zu bestätigen, was du spürst?"
Coulthard: "Ich bin heute mehr selbstsicher als in der Vergangenheit, denn schlussendlich ist es immer der Fahrer, der sagt, was Sache ist. Denn wenn man sagt, dass man weniger Untersteuern braucht, um schneller zu sein und die Telemetrie sagt, dass man etwas Übersteuern braucht, um schnell zu sein, so ist es schlussendlich nicht die Telemetrie, die das Auto fährt. Man muss sich sicher fühlen."

"Als Fahrer muss man genug Erfahrung haben, um so etwas beurteilen zu können. Die Telemetrie hilft einem, etwas zu unterstreichen und sie gibt einem Werte über Belastungen und eine Basis für Simulationen. Bevor man zu einem Grand Prix kommt, kann man daran arbeiten, welche Geschwindigkeiten man am Ende der Geraden hat, kann an Getriebeübersetzungen arbeiten. Aber am Ende des Tages ist es der Fahrer und das 'Popometer', der den Ingenieuren die Anweisungen gibt. Auch der Ingenieur arbeitet instinktiv, er sagt nicht 'Warte mal, ich muss meinen Computer befragen'. Er muss ein Gefühl im Bauch dafür haben, was er vorne oder hinten am Auto oder was auch immer er verändern muss. Die gute Nachricht ist, dass es immer noch Raum für den Menschen in der Formel 1 gibt."