• 01.05.2025 20:57

  • von Stefan Ehlen, Co-Autor: Mark Mann-Bryans

Carlos Sainz: Ich verstehe, warum Hamilton bei Ferrari so lange braucht

Was Williams-Fahrer Carlos Sainz über seinen Ferrari-Nachfolger Lewis Hamilton und dessen Eingewöhnung beim neuen Formel-1-Team denkt

(Motorsport-Total.com) - Dass sich der siebenmalige Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton nach seinem Wechsel von Mercedes zu Ferrari schwertut, überrascht dessen Ferrari-Vorgänger Carlos Sainz "überhaupt nicht". Das sagte Sainz vor dem Miami-Grand-Prix 2025 (alle Einheiten hier im Formel-1-Liveticker verfolgen!).

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton im Ferrari SF-25 in der Formel-1-Saison 2025

Lewis Hamilton im Ferrari SF-25 in der Formel-1-Saison 2025 Zoom

Ihm selbst ergehe es bei Williams ähnlich: "Es gibt in diesem Sport keine Geheimnisse, und wenn du gegen zwei Teamkollegen antrittst, wie wir es tun - wie Alexander Albon und Charles Leclerc - die das Team in- und auswendig kennen und bereits das Maximum aus dem Auto herausholen, dann kannst du höchstens ein kleines bisschen besser sein oder auf demselben Niveau fahren."

Als Neuling auf Anhieb "zwei, drei Zehntel schneller" zu sein, das ist aus Sainz' Sicht "unmöglich". Deshalb sei völlig klar, dass ein Fahrer nach seinem Wechsel "Zeit brauchen wird", so Sainz. Begründung: "Dein Teamkollege weiß viel mehr als du."

Diesen Erfahrungsvorsprung gelte es wettzumachen. "Je schneller du diesen Prozess durchläufst und auf diesem Niveau bist, desto besser. Aber für manche Fahrer dauert es eben länger, für andere kürzer", erklärt Sainz.

Hamilton wiederum ist gut in seine Ferrari-Karriere gestartet und gewann gleich sein zweites Rennen in Rot: den Sprint beim China-Grand-Prix. "Jetzt scheint er aber ein paar mehr Probleme zu haben", sagt Sainz. Hamilton selbst sieht das ähnlich und stellte nach dem Saudi-Arabien-Grand-Prix in Aussicht, der weitere Saisonverlauf werde "schmerzhaft" für ihn und Ferrari.

Wie lange darf die Umgewöhnung dauern?

Aber wie lange darf es eigentlich dauern, bis ein Fahrer den Umstieg völlig gemeistert hat? "Schwierige Frage", sagt Sainz. "Das hängt davon ab, wie natürlich dir das Auto liegt. Es hängt davon ab, wie gut die Beziehung zu den Ingenieuren und diese Zusammenarbeit funktioniert."

"Ich habe immer gesagt: Um ein Auto wirklich gut zu kennen, braucht man mindestens ein halbes Jahr bis ein Jahr, um alles mit diesem Auto zu erleben."


"Das heißt nicht, dass du in diesem Jahr nicht performen kannst. Das ist ein anderes Thema. Du kannst zu 100 oder 99 Prozent fahren, und dein 99 Prozent kann trotzdem ziemlich gut sein. Aber um wirklich alles aus dem Auto herauszuholen, brauchst du meiner Meinung nach auf jeden Fall ein halbes Jahr."

Sainz will das "nicht als Ausrede" verstanden wissen: "Ich will so performen wie in Dschidda, aber ab dem ersten Rennen, auch wenn ich dann bei 97 statt 100 Prozent bin. Aber das braucht Zeit, und ich werde von mir selbst fordern, das zu schaffen."

Seit 2022 ist vieles anders in der Formel 1

Doch seit Einführung des neuen Technischen Reglements zur Saison 2022 mit Groundeffect-Autos ist die Formel 1 komplexer und komplizierter geworden, auch für die Fahrer.

"Man muss die heutigen Fahrzeuge auf ganz bestimmte Art und Weise fahren, um schnell zu sein", sagt Sainz. "Bei den Autos von 2021 konntest du mit zwei oder drei verschiedenen Fahrstilen ungefähr auf dieselbe Rundenzeit kommen, weil das Auto es zuließ, auf verschiedene Arten ans Limit zu kommen."


F1-Regeln erklärt: So funktioniert "Ground-Effect"

Der "Ground-Effect" erklärt: Wie Venturi-Kanäle, Unterboden und Luftwirbel die neuen Autos noch schneller machen, aber für "Porpoising" sorgen. Weitere Formel-1-Videos

Die Groundeffect-Rennwagen dagegen verlangen laut Sainz, "dass man sich einem bestimmten Fahrstil annähern muss". Und: "Wenn du nicht auf diese Weise fährst, wirst du niemals schnell sein. Es hängt einfach davon ab, wie das Auto mit dir interagiert, was es dir ermöglicht, auf diese spezielle Art zu fahren. Das muss man verstehen."

Welche Rolle die Ferrari-Motorbremse spielt

Hinzu kommt bei einem Teamwechsel noch die technische Ausrichtung des neuen Rennstalls. Hamilton selbst hat bereits auf die im Vergleich zu Mercedes anders abgestimmte Motorbremse verwiesen.

"Für mich ist das nur eines von 15 Dingen, die man neu lernen muss", sagt Sainz. " Manche Teams stimmen die Motorbremse so ab, dass sie das Einlenkverhalten des Autos unterstützt. Andere verlassen sich mehr auf das Differenzial. Wieder andere bevorzugen die Bremsbalance oder arbeiten mehr mit dem Set-up des Autos."

Als Außenstehender könne man sich "gar nicht vorstellen, wie man ein Auto auf ganz unterschiedliche Weise zu ähnlichen Rundenzeiten bringen kann", so Sainz.

Auf der Suche nach dem Heureka-Moment

Er selbst befinde sich bei Williams-Mercedes noch in der Findungsphase: "Natürlich probiere ich hohe Motorbremsstufen aus, dann wieder niedrige, ich teste verschiedene Differenzial-Einstellungen, ich probiere mechanische Set-ups. Ich probiere einfach jedes Wochenende alles aus, um zu sehen, was dem Auto gefällt und was nicht."

Manches davon passe zum eigenen Fahrstil, anderes nicht. "Aber dieser Prozess macht mir Spaß", sagt Sainz. "Man macht dabei unweigerlich Fehler. Aber solange du das genießt und annimmst, weißt du, dass du es ein paar Mal falsch machen wirst. Und wenn es dann klickt und funktioniert, dann ist das tatsächlich ein Heureka-Moment, der sich richtig gut anfühlt."

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