Bulgarien will Ungarn aus Kalender verdrängen

Asphaltheizung, arabische Gelder und Morddrohungen: Bulgarien will einen Grand Prix, präsentiert sich bisher aber nicht von der seriösesten Seite

(Motorsport-Total.com) - Bereits seit Jahren bemüht man sich in Bulgarien um einen Grand Prix, doch in die Tat umgesetzt wurde das Projekt bisher nicht. Nun rechnen sich die Osteuropäer wieder ernsthafte Chancen aus, schon ab 2012 den Formel-1-Kalender aufgenommen zu werden - möglicherweise auf Kosten des Grand Prix von Ungarn.

Titel-Bild zur News: Sofia im Winter

In der Nähe der Hauptstadt Sofia soll der Grand Prix von Bulgarien stattfinden

"Wenn es einen Formel-1-Grand-Prix in Sofia geben wird, dann wird es in Istanbul und am Hungaroring keine Rennen mehr geben", wird Bogdan Nikolow, Präsident des bulgarischen Motorradverbandes, von der Nachrichtenagentur 'Novinite' zitiert. "Wir werden der einzige Grand Prix in Osteuropa sein." Denn: "Es kann maximal neun Grands Prix in Europa geben. Wer auch immer es schafft, als Erster einen Vertrag mit der FIA zu unterschreiben, darf ein Rennen austragen."

Neue Strecke und Stadt für eine Milliarde Euro?

Hier kommen erstmals Zweifel an der Kompetenz der Verantwortlichen auf, denn die Verträge für eine Aufnahme von Rennstrecken in den Formel-1-Kalender werden nicht mit der FIA, sondern mit Bernie Ecclestone ausgehandelt. Außerdem erscheinen die Zahlen, die Nikolow in den Raum stellt, extrem hochgegriffen: Mehr als eine Milliarde Euro soll das Projekt kosten - und eine ganz neue Stadt mit 7.000 VIP-Villen beinhalten.

Finanzieren soll das Ganze ein undurchsichtiges Geschäftskonsortium mit anonymen Investoren - Nikolow spricht lediglich von "amerikanischen, kanadischen und arabischen Firmen". Zudem wurde bekannt, dass die Finanzierung hauptsächlich von der Emirates-Associated-Business-Group (EABG) gestemmt werden soll, einem Konsortium aus Abu Dhabi, das sich bereits im August erstmals mit Vertretern der bulgarischen Regierung getroffen hat.

¿pbvin|512|3223||0|1pb¿Einen Vorvertrag mit Ecclestone haben die Bulgaren bereits unterzeichnet. Die Konditionen sehen ähnlich wie auch in Rom vor, dass dieses Dokument nur dann tatsächlich in Kraft tritt, wenn noch dieses Jahr ein formalisiertes Abkommen verabschiedet wird: "Wir haben nach dem Grand Prix in Abu Dhabi bis 15. Dezember 2010 Zeit, um Bernie Ecclestone Bescheid zu geben und alle Verträge zu unterzeichnen", erklärt Nikolow.

"Unser Vertragsentwurf sieht fünf plus fünf Jahre vor, also insgesamt zehn Jahre. Meines Wissens hat der russische Premierminister Putin für die russische Strecke in Sotschi den gleichen Vertrag gemacht, aber die beginnen erst 2014. Bei uns würde es schon 2012 losgehen", erklärt der Drahtzieher hinter dem erhofften Bulgarien-Grand-Prix. Das Areal ist auch schon ausgesucht: Beim ehemaligen Militärflughafen in Dobroslawzi bei Sofia stehen 320 Hektar zur Verfügung.

Bulgaren setzen auf hohe Auslastung

Laut Nikolow spricht das günstige Klima, das eine Auslastung von 220 Tagen pro Jahr ermöglichen würde, ebenso für Bulgarien wie ein weiteres Feature, nämlich eine weltweit einmalige Asphaltheizung: "Das bedeutet, dass alle Reifenhersteller unsere Strecke verwenden werden wollen, um ihre Reifen zu testen. Bei uns sind sie nicht vom Wetter abhängig, wenn sie bei verschiedenen Asphalttemperaturen testen wollen", erklärt der Bulgare.

David Coulthard und Mark Webber in Sofia

Das Red-Bull-Team gastierte bereits im Jahr 2007 für einen PR-Dreh in Sofia Zoom

Die Idee für die Rennstrecke ist übrigens keineswegs neu: "Wir arbeiten an diesem Projekt nun schon seit mehr als zwei Jahren, denn wir haben einen Vorvertrag mit der FIM (Motorrad-Weltverband; Anm. d. Red.) für ein MotoGP-Rennen ab 2012 unterschrieben. Wir haben ein Projekt geschaffen, dass sowohl die Anforderungen der FIA als auch die Anforderungen der FIM erfüllt, damit Formel 1 und MotoGP bei uns stattfinden können", sagt Nikolow.

Doch gut informierte bulgarische Quellen räumen dem Projekt nur äußerst geringe Chancen ein, alleine schon wegen des politischen Skandals, der sich in Zusammenhang mit den Rennstreckenplänen abgespielt hat. Denn nach dem Treffen zwischen EABG-Vertretern und der bulgarischen Regierung im August erhielten EABG-Chef Mohammed Abdul Jalil al Blouki und sein Kollege Anwar Badwan Morddrohungen von zwei in Chicago lebenden Exil-Bulgariern.

Die Hintergründe sind bis heute nicht ganz klar, Nikolow vermutet jedoch, dass Interessen von außen dahinterstecken könnten. Die beiden Männer wurden ausfindig gemacht und behaupteten im Nachhinein, es habe sich lediglich um einen Streich gehandelt. Trotz des Skandals, der im September für Schlagzeilen sorgte, bekundeten die betroffenen EABG-Verantwortlichen ihr Interesse daran, mit dem Projekt fortzufahren...