• 18.10.2007 20:25

  • von Inga Stracke

Brundle: "Fernando hat die Grenze überschritten"

Der Ex-Formel-1-Rennfahrer im 'Motorsport-Total.com'-Interview über die Saison 2007, den Zwist bei McLaren und die Entwicklungen für die Zukunft

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Martin, wie ist dein erster Eindruck der Atmosphäre hier im Fahrerlager in São Paulo?"
Martin Brundle: "Ich hoffe, die ist besser als bei den anderen Rennen. Es herrschte eine schlechte Stimmung, das Fahrerlager war polarisiert, vor allem wegen den Kämpfen McLaren gegen Ferrari und Alonso gegen alle anderen. Aber die Stimmung hier ist gut, es ist aufregend und die Spannung ist spürbar. Es ist eine tolle Veranstaltung. Hamilton hat natürlich einen Vorteil. Aber wir haben gesehen, was in China passierte, da hatte er einen Vorteil von zwölf Punkten. Nun sind es noch vier Zähler und es wird spannend sein zu sehen, ob McLaren bei trockenen Bedingungen schneller als Ferrari ist. Welche Rolle wird Massa spielen, welche wird Alonso spielen? Es geht nicht nur um die Schnelligkeit der Autos, der mentale Aspekt spielt auch mit rein."

Titel-Bild zur News: Martin Brundle

Martin Brundle konzentriert sich nur auf das Formel-1-Finale 2007

Frage: "Auf wen würdest du dein Geld setzen?"
Brundle: "Kimi hat es schwer, er liegt sieben Punkte zurück, also sollte einer der beiden McLaren-Fahrer den Titel holen. Vor allem Hamilton hat einen Vorteil, wenn er im Rennen Alonso einfach folgen kann oder auf den ersten beiden Plätzen ins Ziel kommt. Also sollte man sein Geld auf Hamilton setzen."#w1#

Frage: "Wie siehst du die ganze Geschichte um Alonso derzeit? Nun hat auch der spanische Automobilverband jemanden geschickt, der alles überwachen soll."
Brundle: "Das ist komplett übertrieben und auch nicht angebracht. Als Formel-1-Fahrer ist man auch nur einer von tausend Angestellten in einem Team. Da sollte man sich auch wie ein Teil des Teams verhalten."

Breite Stimmungsfront gegen Fernando Alonso

Frage: "Aber ist es nicht auch die Entscheidung des Teams, zu sagen, wohin zum Beispiel ein neues Getriebe gehen soll, wenn es nur eines gibt."
Brundle: "Ja, absolut. Ich weiß nicht, wie ein Beobachter bei solch komplexen Dingen durchsteigen soll. Aber ich kenne McLaren gut genug, sie würden da eh nichts drehen. In der Formel 1, oder auch in jedem anderen Sport, hat man eine Verpflichtung gegenüber dem Team."

Frage: "Es gibt eine breite Stimmungsfront gegen Fernando Alonso, außer in Spanien."
Brundle: "Wir haben einige aggressive Aktionen zwischen Fahrern und Teams gesehen. In der Formel 1 gibt es immer Kampf, aber es gibt auch eine Grenze. Es gibt ungeschriebene Regeln. Und es wird generell eben so gesehen, dass Fernando diese Grenze überschritten hat."

Frage: "Zurück zum Sport. Wie war es für dich, die vergangenen beiden Rennen in Fuji und China zu kommentieren?"
Brundle: "Fuji war herausfordernd, weil es 19 Runden hinter dem Safety Car gab. Für einen Kommentator ist das eine Herausforderung. Aber es war ein aufregendes Rennen, man wusste bis zum Ende nicht, wer gewinnen würde. Aber das ganze Jahr wurde toller Motorsport geboten. Daher ist es schade, dass es diese Ablenkungen gab. Aber auch diese Politik gehört dazu. Doch das Jahr war toll und ein großes Finale steht noch aus."

Frage: "Hat dich bei den Fahrern und Teams jemand besonders positiv oder negativ überrascht?"
Brundle: "Vettel hat zweifelsohne seine Sache bisher toll gemacht. Im BMW war ich nicht so sehr von ihm beeindruckt, aber dann im Toro Rosso. Auch Nico Rosberg ist für Williams großartig unterwegs. Bei den Teams hat BMW einen guten Job gemacht. Heikki Kovalainen sticht in diesem Jahr auch hervor."

Brundle verweilt noch im Jahr 2007

Frage: "Wie könnte sich das alles im nächsten Jahr gestalten? Vor allem im Hinblick auf die Teamwechsel."
Brundle: "Alonso wird wohl zurück zu Renault gehen. Wen McLaren dafür holt? Ich weiß es nicht. Ich muss gestehen, dass ich derzeit nur auf dieses Jahr und dieses Rennen achte. An das nächste Jahr habe ich noch gar nicht richtig gedacht."

Frage: "Noch eine Frage zum Einstieg von Prodrive. McLaren hat erklärt, dass der Vertrag zur Zusammenarbeit auf Eis liegt. Welche Möglichkeiten bleiben Prodrive nun noch?"
Brundle: "Es sieht so aus, als ob es schon zu spät ist. Sie warteten auf die Bestätigungen ihrer Anmeldung, dann warteten sie auf die Beteiligung an den TV-Geldern. Um ein Team aufzubauen, selbst wenn es nur um das Grundlegende wie Tankanlagen und Lkw geht, gehört verdammt viel Arbeit. Da sind das Personal, die Hardware und die Fahrer noch gar nicht dabei. Die Zeit dafür ist einfach weg. Ob sie es noch schaffen oder nun für 2009 planen, weiß ich nicht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nun zu Ferrari gehen und wie aus dem Nichts einen Vertrag bekommen."

Frage: "Was ist deine Meinung über die Kundenautos?"
Brundle: "In der Formel 1 sollte es um Spitzenleistung gehen. Alles, was die Gesamtleistung des Feldes verbessert, ist gut."