• 29.11.2008 13:58

  • von Roman Wittemeier

Briatore sieht Sparpotenzial: "50 Prozent und mehr"

Renault-Teamchef Flavio Briatore will der Entwicklungswut der Formel 1 ein Ende bereiten: "Entweder volle Freiheiten oder gleiche Bauteile"

(Motorsport-Total.com) - Renault-Teamchef Flavio Briatore untermauert seine Forderungen nach drastischen Sparmaßnahmen in der Formel 1 erneut. Der Italiener ist im Zuge der Kostenexplosion im Grand-Prix-Sport als einer der wenigen Vertreter seiner Zunft mittlerweile zum Befürworter von Einheitsbauteilen geworden. Immerhin muss Briatore seine Ausgaben in der Renault-Konzernzentrale erklären. Die Führungsetage erwartet Einsparungen. "Mindestens 50 Prozent. Es sollte aber noch mehr möglich sein", erklärte der Teamchef im interview mit der 'Auto motor und sport'.

Titel-Bild zur News:

Flavio Briatore hätte KERS gern um mindestens ein Jahr aufgeschoben

Nach Ansicht von Briatore hat FIA-Chef Max Mosley Recht, wenn er die Teams bezüglich der Sparpotenziale in die Pflicht nimmt. "Wir haben es selber in der Hand", machte der Italiener Druck auf seine Kollegen in der Teamvereinigung FOTA. "Wir müssen schnell handeln, sonst sterben die Privatteams und es springt mehr als einer ab. Wir leben nicht im goldenen Käfig. Um uns herum brennt es", formulierte Briatore die drohenden Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise.#w1#

FOTA muss auf einen Nenner kommen

Man könne es sich nicht erlauben, nach Super Aguri noch weitere Teams zu verlieren. "Wir brauchen Lösungen für die Zeit von 2010 bis 2012. Ich schlage vor: Steckt alle, die in der Formel 1 etwas zu sagen haben in ein Hotel und gebt ihnen maximal eine Woche Zeit. Dann muss wie bei der Papstwahl weißer Rauch aus dem Kamin aufsteigen." Bisher kennt die FOTA nur wenig Einigkeit. Der Schritt zum Einheitsmotor wird ebenso blockiert wie ein Aufschub für KERS.

Die Entwicklung der Hybridtechnologie für die Formel 1 verschlingt zurzeit viele Millionen. Ausgerechnet in einer Zeit, wo Sparen angesagt wäre. "Ferrari und Renault sind die einzigen beiden Hersteller, die die Privatteams mit Motoren unterstützen. Für die kommt zu der Motoren-Rechnung auch noch die KERS-Rechnung. BMW tut sich da leicht, sie liefern ja noch nicht einmal Motoren an die Privatteams, bürden ihnen aber mit ihrem Festhalten an KERS zusätzliche Kosten auf."

Lenkrad

Das Lenkrad ist das Kontrollzentrum der Einheitselektronik Zoom

Gerade beim Antrieb könne man enorm Kosten einsparen, erklärte Briatore. Viele Hersteller meiden das Thema Einheitsmotor wie der Teufel das Weihwasser. Doch der Renault-Teamchef ist anderer Ansicht: "Wenn sowieso schon alle Motoren fast gleich sind, warum setzen wir dann nicht alle den gleichen ein?" Das Standardtriebwerk dürfe ebenso wenig ein Tabuthema sein, wie andere Baugruppen auch. "Entweder wir erlauben auf einem Gebiet die volle Freiheit oder wir fahren alle mit dem gleichen Bauteil."

Formel-1-Cockpits: Raumfahrt oder Rennstrecke?

"Ich habe mir mal beim GP Brasilien die Lenkräder der Autos angeschaut", beschrieb Briatore. "Die sehen aus, als wollten wir mit unseren Autos zum Mars fliegen. Irgendwie schauen sie aber doch alle gleich aus. Da frage ich mich: Wozu stecken wir soviel Energie und Geld da rein? Da werden nur die Egos der Ingenieure befriedigt." Auch beim Thema Schnellschaltgetriebe schoss Briatores Blutdruck in die Höhe: "Da werden neue Maschinen, neue Prüfstände gekauft, Leute eingestellt, und der Ballon bläht sich zu einem unkontrollierbaren Monster auf."

"Wenn sowieso schon alle Motoren fast gleich sind, warum setzen wir dann nicht alle den gleichen ein?" Flavio Briatore

Man müsse in vielen technologischen Bereichen der Formel 1 einen kleinen Rückschritt wagen, um die Kosten wieder in eine passende Relation zu bringen, sagte der erfahrene Manager weiter. Um das Niveau mache er sich keinerlei Sorgen: "Es muss ja nicht gleich die GP2 sein. Es ist absoluter Irrsinn, 1.000 Leute zu beschäftigen und 300 Millionen Dollar auszugeben, nur um zwei Autos im Kreis fahren zu lassen. Ein GP2-Auto ist sieben Sekunden pro Runde langsamer. Die Teams machen das mit drei Millionen Dollar pro Jahr. Da muss es etwas dazwischen geben."