• 23.09.2004 13:47

Briatore: "Mehr Rennen in den Kalender aufnehmen"

Der Renault-Boss geriet in der Donnerstags-Pressekonferenz mit den Journalisten aneinander, redete dann aber doch...

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Flavio, wir sind hier in China, in einer außergewöhnlichen Anlage. Kannst du etwas über die Bedeutung dieses ersten Formel-1-Rennens in China sagen?"
Flavio Briatore: "Ich stimme dem zu, was ohnehin schon alle gesagt haben - die Strecke ist großartig! Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass Asien viel besser ist als Europa - man muss sich ja nur Malaysia, Bahrain und jetzt Shanghai anschauen. Dagegen sehen die Strecken in Europa wirklich sehr, sehr alt aus. Wir sollten die Veranstalter aus Europa, aus Magny-Cours und Silverstone, einmal hierher einladen..."

Titel-Bild zur News: Flavio Briatore

Flavio Briatore im Rahmen der heutigen FIA-Pressekonferenz in Shanghai

Frage: "Willst du damit sagen, dass die europäischen Anlagen nicht zufrieden stellend sind?"
Briatore: "Nein. Ich meine, schaut euch Bahrain an, vergesst Malaysia einmal, das ist alles fantastisch. Und diese Anlage hier zu schlagen, ist sowieso unglaublich schwierig. Für mich war Bahrain schon beeindruckend, aber das hier übertrifft alles. Wirklich, die Anlagen in Europa sehen dagegen ziemlich armselig aus. Es gibt sechs oder sieben Rennen, die auf Strecken ausgetragen werden, die man eigentlich nicht einmal mehr Anlagen nennen kann, aber wir bezahlen trotzdem denselben Preis dafür."#w1#

Briatore findet, dass mehr Rennen ausgetragen werden sollten

Frage: "Andererseits leisten die Strecken in Europa zum Teil schon seit 30, 40, 50 Jahren ihren Anteil für die Formel 1. Wie kann man das mit neuen Strecken wie hier vergleichen, zumal wir ja auch alle eine gewisse Tradition erhalten wollen?"
Briatore: "Ich finde, wir sollten mehr Rennen in den Kalender aufnehmen, denn im Moment verhält es sich so, dass wir doppelt so viel testen wie wir Rennen fahren. Ich bin auch der Meinung, dass wir mehr von den Einnahmen bekommen sollten, ganz klar, aber ich bin sicher, das wird eines Tages auch der Fall sein. Gleichzeitig müssen wir aber auch die Ausgaben kürzen, denn wenn wir 50 Millionen Dollar haben, geben wir sie natürlich auch aus. Die Leute in der Formel 1 sind Weltmeister im Ausgeben von Geld. Wenn sie zehn Millionen haben, geben sie elf aus. Wir brauchen mehr Rennen. Unser Job ist das Rennfahren, nicht das Testen, denn das Testen kostet genau dasselbe. Wir brauchen mehr Rennen wie dieses hier, denn das ist großartig für die Sponsoren, fantastisch für die Formel 1. In unserem Geschäft werden schließlich Millionen von Dollars investiert."

Frage: "Bernie Ecclestone hat angedeutet, dass das Drei-Auto-Team kommen könnte. Was für Auswirkungen hätte das für Renault?"
Briatore: "Ich finde, diese Pressekonferenz macht so keinen Sinn. Wir sind zum ersten Mal in China und eigentlich reden alle nur von den Problemen von Jordan. Wenn Jordan und Tony (Purnell, Jaguar-Teamchef; Anm. d. Red.) ein Problem haben, dann ist das hier sicher nicht der geeignete Ort, um es zu lösen. Anstatt euphorisch zu sein, wo wir an eine so tolle Anlage kommen, für die sich die Menschen hier so viel Mühe gegeben haben, wird wieder einmal alles ins Negative verkehrt. Wirklich. Ich bin nicht bereit, solche Fragen zu beantworten, denn es sollte während dieser Pressekonferenz nicht um die Probleme gehen, die die Formel 1 hat. Jeder hat so seine Probleme, nicht nur in diesem Bereich. Wir müssen diese Probleme lösen. Wenn jemand 300 oder 400 Millionen Dollar in die Formel 1 investiert, dann ist das doch eine positive Sache, aber ihr Journalisten dreht immer alles um. Es gibt so viel Eifersucht und die Journalisten gehören dazu. Ich finde diese Pressekonferenz ekelhaft."

Harsche Kritik von Briatore an den Fragen der Journalisten

Frage: "Man muss aber manche Fragen stellen, schließlich wird sich Ford aus dem Sport zurückziehen. Das ist eben von Interesse für uns Journalisten."
Briatore: "Ja, aber ich glaube nicht, dass sich die Menschen in China so stark für Cosworth oder Jordan interessieren. Die sind nur am Rennen am Sonntag interessiert, und wenn alle dabei sein werden, wovon wir ausgehen können, ist das gut. Ob Jordan jetzt 2005 in Melbourne am Start sein wird, ist eine Frage, die sollte man Eddie nicht stellen. Eddie hat ein Team und Berater. Wir sind nicht schüchtern, aber wir werden unsere Probleme nicht in der Öffentlichkeit lösen. Das ist verrückt. Wir verlieren Zeit. Ihr verliert eure Fragezeit für nichts und wieder nichts."

Frage: "Wenn es mehr Rennen geben soll und wenn tatsächlich so viel Geld in die Formel 1 gesteckt wird, warum haben es dann die kleinen Teams so schwer?"
Briatore: "Die Formel 1 hat sich verändert. Ich habe ein oder zwei Jahre vor Eddie begonnen, damals auch mit einem sehr kleinen Team. Einmal habe ich sogar versucht, Eddie für mein Team zu gewinnen - damals hatte er noch sein Formel-3000-Team. Alles ist anders geworden, die Welt verändert sich. Ich kann auch sagen warum, das ist ja kein Geheimnis: Die Formel 1 kostet zu viel. Für jeden Sponsor ist das ein großes, großes Investment. Heutzutage muss so eine Entscheidung der Vorstand einer Firma treffen, wohingegen wir damals den Deal einfach mit dem Marketingchef gemacht haben. Heute kostet alles so viel Geld, dass der Vorstand der Firmen so etwas erst absegnen muss. Das ist das Problem. Wir müssen die Kosten senken. Zuerst brauchen wir mehr Geld von Bernie oder den Banken oder wem auch immer die Formel 1 gehört, und dann können wir uns um die Sponsoren kümmern. Im Moment verlangen wir von den Sponsoren zu viel, aber sie bekommen im Gegenzug zu wenig retour, finde ich."

Über Journalisten verärgert: "Dieser Unsinn macht mich krank"

Frage: "Möchtest du Fragen darüber beantworten, wie es zur Verpflichtung von Jacques Villeneuve gekommen ist?"
Briatore: "Ja, denn das gehört zum Rennen, ist Teil der Show, die wir in China aufs Parkett legen wollen. Diese Frage beantworte ich gerne. Wenn ich aber gefragt werde, wie mein Budget aussieht, wie Renaults Budget aussieht, ob ich Motoren an Eddie liefern will und so weiter, dann lehne ich dankend ab. Dieser Unsinn macht mich noch krank."

Frage: "Okay, dann frage ich dich, wie es zum Villeneuve-Deal gekommen ist..."
Briatore: "Jacques Villeneuve fährt morgen für mich, er beginnt wie alle anderen Fahrer auch morgen mit dem Training. Wir wollen ihm so viele Kilometer wie möglich geben, denn er ist ja seit Monaten in keinem Auto mehr gesessen. Ich halte das für gute Neuigkeiten für die Formel 1, denn jetzt, wo Michael als Weltmeister feststeht, fragt niemand mehr danach, ob er auch das nächste Rennen gewinnt oder ob doch endlich auch einmal ein anderer Fahrer zuschlägt. Die guten News, die anderen News sind Villeneuve. Ich glaube, dass wir damit einen Beitrag dazu leisten, dass die Formel 1 positiv ins Gespräch kommt."

"Es ist schwierig, zwei Fahrer in ein Auto zu setzen"

Frage: "Glaubst du, dass Jacques noch immer ein potenzieller Sieger ist? Wenn ja, warum hast du ihn dann nicht auch für nächstes Jahr verpflichtet?"
Briatore: "Ich weiß es nicht. Ich habe etwas im Team gebraucht und befinde mich nicht in derselben Situation wie Tony oder Jordan. Meine Situation für die letzten vier Rennen war die, dass ich 800 Leute im Team hatte, die ich antreiben musste, damit sie immer alle Teile fertig bekommen, damit das Auto konkurrenzfähiger wird, aber ein Fahrer strengte sich nicht so sehr an wie der andere. Das war für das Team sehr schwierig und ich musste etwas unternehmen. Ich denke, dass ich etwas Vernünftiges getan habe - es war ohnehin meine einzige Möglichkeit. Ich habe mit Jacques gesprochen und er machte einen halbwegs guten Eindruck. Er wollte unbedingt fahren und er ist gegen BAR sehr motiviert, was ein zusätzliches Plus ist. Morgen werden wir sehen, wozu er am Sonntag in der Lage ist. Er wird mit dem Auto in die Punkte fahren. Das brauche ich von Jacques - er soll das Team motivieren, er soll Fernando antreiben und ein paar Punkte holen, damit wir Zweiter in der Weltmeisterschaft werden. Und nächstes Jahr? Da hatte ich schon Fisichella unter Vertrag. Es ist schwierig, zwei Fahrer in ein Auto zu setzen."

Frage: "Hast du auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, euren Testfahrer Franck Montagny in den letzten drei Rennen zum Zug kommen zu lassen?"
Briatore: "Offensichtlich nicht. Nie. Nicht einmal im Fall höherer Gewalt hätten wir uns so entschieden, denn wir haben Jacques Villeneuve für die letzten drei Rennen an Bord. Das haben wir vor einer Woche bekannt gegeben und bei dieser Entscheidung bleiben wir."

Briatore hat kein Interesse, Cosworth zu kaufen

Frage: "Vor Jahren hast du die Motorenschmiede Supertec geleitet und warst in einer ähnlichen Situation wie Cosworth jetzt. Würde es dich - als Geschäftsmann Flavio Briatore, nicht als Renault-Teamchef - reizen, Cosworth zu übernehmen?"
Briatore: "Damals war das Timing anders. Sicher, wir waren damals bei Renault und wurden ein Jahr im Vorhinein verständigt. Wenn man ein Jahr vorher Bescheid weiß, kann man sich überlegen, was man nachher macht. Die Situation für Tony und Eddie ist viel komplizierter als damals für Renault. Renault hat mir damals gesagt, dass sie sich im Jahr darauf zurückziehen würden. War ich daran interessiert, Renault Sport zu übernehmen? Ich konnte ein Jahr darüber nachdenken und hatte ein Jahr Zeit, einige Kunden zu finden, denn das war damals das Problem. Am Ende habe ich den Deal gemacht. Es war großartig für mich, für Renault, für das Team. Jetzt ist die Situation anders, denn die Formel 1 ist sehr fordernd und für Hersteller sehr schnelllebig und teuer geworden. Außerdem habe ich alle Hände voll damit zu tun, mit Renault den zweiten Platz in der Weltmeisterschaft zu erreichen und sie vielleicht nächstes Jahr zu gewinnen. Für Cosworth habe ich daher keine Zeit."