• 23.10.2010 15:43

  • von Stefan Ziegler

Brawn will Mercedes "zurück an die Spitze führen"

Mercedes-Teamchef Ross Brawn gibt sich kämpferisch: Mit seinem Fahrerduo und dem Team will er die Silberpfeile zu Siegerautos machen

(Motorsport-Total.com) - Mittelmaß zu sein, ist nicht sein Ding: Mercedes-Teamchef Ross Brawn hat sich aus diesem Grund fest vorgenommen, die schwierige Saison 2010 schnellstmöglich durch bessere Resultate vergessen zu machen. Im kommenden Rennjahr sollen seine beiden Piloten Nico Rosberg und Michael Schumacher sowie die Mitarbeiter des Rennstalls mithelfen, die Silberpfeile siegfähig zu machen.

Titel-Bild zur News: Mercedes-Container

"Handle with care": Ross Brawn möchte Mercedes wieder ganz nach vorne bringen

Die Motivation für dieses Vorhaben liegt auf der Hand: "Weder Mercedes noch ich sind zufrieden damit, wo wir im Augenblick stehen. Die vierte Position in der Gesamtwertung - 2008 kann man getrost vergessen, denn damals bin ich Honda beigetreten und konnte nicht viel ausrichten - ist wahrscheinlich das schlechteste Ergebnis, seit ich im höheren Management tätig bin", sagt Brawn.

"Sollte das Team weiterhin mittelmäßig unterwegs sein, werde ich wahrscheinlich nicht mehr arg lange als Teamchef tätig sein. Wichtig ist jedenfalls, dass ich zu wissen glaube, wo wir falsch abgebogen sind", gibt der Brite gegenüber dem 'Telegraph' zu Protokoll. "Um ein Beispiel zu geben: Einer meiner Ingenieure wollte eine Hinterradaufhängung mit einer Zugstange umsetzen."

"Als wir uns entscheiden mussten, wählten wir aber einen eher konservativen Weg und blieben bei dem, was wir bereits kannten. Ich sah nicht, dass wir uns damals in einer Position befanden, um diese Richtung einzuschlagen. Wäre es schiefgegangen, würden wir uns nun möglicherweise in einer noch schlechteren Situation befinden", meint Brawn, der jetzt eine andere Herangehensweise anpeilt.¿pbvin|512|2950|mercedes|0|1pb¿

Mercedes gibt den passenden Rahmen vor

"Ich habe jetzt das Gefühl, eine Organisation zu haben, die mir richtig gut gefällt. Wenn die Mitarbeiter solche Herausforderungen angehen wollen, werde ich sie dazu ermutigen", kündigt der Teamchef an und fügt hinzu: "In diesem Business geht es nun einmal ausschließlich darum, Teller an der Spitze von dünnen Stäben zu balancieren. Sobald du die Teller nicht mehr rotieren lässt, fallen sie herunter."

"In diesem Business geht es darum, Teller an der Spitze von dünnen Stäben zu balancieren." Ross Brawn

"Das ist uns im vergangenen Jahr mit einigen unserer Teller passiert. Jetzt sind sie wieder an Ort und Stelle und wir lassen sie bereits wieder kreiseln", erklärt Brawn. Die Beziehung zu Mercedes sei in diesem Zusammenhang "überaus wichtig". "Das bringt uns finanzielle Stabilität - nicht zwangsweise in Bezug auf das reine Geld, denn das ist so viel nicht. Vielmehr geht es um die Marke an sich."

"Sie verschafft unseren Partnern um Petronas einen Mehrwert, indem sie Teil des Teams sind. Wir haben nun die Finanzierung für die kommenden fünf Jahre in der Tasche", sagt Brawn. "Gibt es dabei auch Schattenseiten? Ja, ich muss viermal im Jahr an einer Vorstandssitzung teilnehmen. Das ist neu für mich. Ich kann allerdings versichern, dass Mercedes nicht in die Teamleitung eingreift."

Es gibt kein "Schumacher-Auto" bei Mercedes

"Sie sind nicht zufrieden mit den Ergebnissen und ich bin es in gleichem Maße ebenfalls nicht. Ich schulde es ihnen, zu zeigen, wie wir die Situation verbessern können", hält der frühere Technische Direktor von Ferrari fest und stellt klar: "Norbert ist ein alter Freund von mir. Wir beide sind enttäuscht von den Ergebnissen, aber nicht voneinander. Wir hatten keinen Streit oder dergleichen."

"In unserer Strategie geht es seit jeher um beide Piloten." Ross Brawn

Ebenso wenig entspreche das Gerücht der Wahrheit, Mercedes dränge Brawn zum Bau eines "Schumacher-Autos", damit der Ex-Champion endlich glänzen könne. "Das ist eine ausgefeilte Theorie, aber eben nicht die Wahrheit. Michael genießt ein hohes Ansehen. Schneidet er gut ab, ist er ein wertvoller Zugewinn für das Team. Tut er das nicht, könnte man quasi das Gegenteil behaupten."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Südkorea


"In unserer Strategie geht es aber seit jeher um beide Piloten", erklärt Brawn und fügt hinzu: "Michael hat gerne ein positives Auto, das ihm eine gute Rückmeldung gibt. Es gab in diesem Jahr einige Rennen, in denen er versuchte, sich durchzukämpfen. Nur spielte das Fahrzeug dabei halt nicht mit. Würde er einen Red Bull fahren, würde es klappen, denke ich." Zweifel an "Schumi" habe er nicht.

Brawn: Erst siegen, dann kürzer treten

"Nachdem zu urteilen, was ich sehen kann, sind sein Talent und seine Fähigkeiten noch immer vorhanden. Um das einmal klarzustellen: Michael wird zu einhundert Prozent auch im kommenden Jahr hier sein - genauso wie Norbert und ich. Ich habe nicht vor, irgendwo anders unterzukommen", gibt Mercedes-Teamchef Brawn vor dem Endspurt der aktuellen Formel-1-Saison zu Protokoll.

"Ich möchte damit beginnen, an einem Nachfolgeplan zu arbeiten." Ross Brawn

Fest steht demnach nur, dass er irgendwann einmal kürzer treten wolle: "Ich möchte damit beginnen, an einem Nachfolgeplan zu arbeiten, sodass ich es etwas langsamer angehen lassen kann. Ich will noch immer in der Formel 1 arbeiten, aber irgendwann vielleicht nicht mehr 20 Rennen oder dergleichen pro Jahr besuchen. Doch so einfach ist das halt nicht", sagt der 55-Jährige.

"Ich habe ein paar Leute unseres Teams im Auge, von denen ich glaube, dass sie gute Arbeit für uns leisten könnten. Dafür gehen aber wahrscheinlich noch ein paar Jahre ins Land", meint Brawn. "Meine Priorität ist, dieses Formel-1-Team zurück an die Spitze zu führen. Ich bin zuversichtlich, dass wir 2011 ein besseres Auto haben werden. Ob dieses Fahrzeug dann gut genug ist, wird sich zeigen."