• 02.02.2010 14:18

Brawn: "Michael sollte wettbewerbsfähig sein"

Interview mit Mercedes-Teamchef Ross Brawn: Wie er Michael Schumachers ersten Testtag bewertet und was er vom neuen Silberpfeil hält

(Motorsport-Total.com/SID) - Drei Zehntelsekunden fehlten Michael Schumacher bei der gestrigen Weltpremiere des Mercedes-Silberpfeils in Valencia auf Spitzenreiter Felipe Massa im Ferrari. Das bedeutete den dritten Platz, ungefähr eine halbe Sekunde vor Teamkollege Nico Rosberg. Teamchef Ross Brawn analysiert im Interview den ersten Tag der Wintertestfahrten.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Teamchef Ross Brawn ist überzeugt von Michael Schumachers Speed

Frage: "Ross, nach einem Testtag kann man vielleicht nicht sagen, ob ein Auto gewinnen wird oder nicht, aber man gewinnt schon Eindrücke, was für eine Saison es werden könnte. Welchen Eindruck hast du nach der Jungfernfahrt des MGP W01?"
Ross Brawn: "Ich glaube nicht, dass wir schon das ganze Bild kennen. Das Auto macht keine fundamentalen Probleme. Valencia ist keine gute Strecke, um ein Auto einzuschätzen, aber es ist ein guter Anfang. Es gibt keine Hinweise darauf, dass etwas nicht stimmen könnte, aber für Prognosen ist es noch viel zu früh."#w1#

Valencia keine ideale Teststrecke

Frage: "Warum ist Valencia nicht dafür geeignet, die Performance einzuschätzen?"
Brawn: "Es gibt keine große Bandbreite an Kurven - die sind alle im zweiten oder dritten Gang. Die erste Kurve ist ein bisschen schneller, Kurve zehn ist auch schnell, aber kurz. Da fehlt die Bandbreite."

Frage: "Kann man schon Konkurrenzvergleiche anstellen?"
Brawn: "Nein, das ist schwierig einzuschätzen. Man kann vielleicht Teams sehen, die keine Probleme haben. Ferrari hat ein sehr gutes Auto, der Sauber scheint brauchbar zu sein, Renault und Williams wirken noch so, als hätten sie Probleme. Aber das ist alles noch zu früh."

Frage: "Wie hast du Michael Schumachers ersten Testtag erlebt?"
Brawn: "Michael war sehr enthusiastisch. Es war schön, diesen Enthusiasmus zu sehen."

"Michael war sehr enthusiastisch. Es war schön, diesen Enthusiasmus zu sehen." Ross Brawn

Frage: "Hat es dich überrascht, dass er so schnell wieder sein altes Tempo gefunden hat?"
Brawn: "Nein. Es wäre eine größere Überraschung für mich gewesen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Es war einfach nur die Bestätigung dessen, was wir beide gedacht hatten. Michael sollte absolut wettbewerbsfähig sein."

Frage: "Er war sogar schneller als Nico Rosberg..."
Brawn: "Nicos Zeit ist angesichts der Probleme, die er im Auto mit seiner Sitzposition hatte, nicht ganz repräsentativ. Das beeinträchtigt ein bisschen die Beurteilung seiner Leistung. Wir kennen die Benzinmengen beider Fahrer und ich denke, Nico war gut unterwegs. Von Michael war ich nicht überrascht. Wir alle wissen, wie schnell sich Michael anpasst. Wir sind optimistisch - ich bin sicher, er auch. Es wird noch einiges kommen. Mit Ausnahme einiger kleinerer Tests hatte er immerhin drei Jahre lang kein Formel-1-Auto gefahren. Es ist wirklich vielversprechend."

Frage: "Hat dich sein Auftritt an eure frühere gemeinsame Arbeit erinnert?"
Brawn: "Nicht in bestimmten Punkten. Aber eine Sache, die sich wieder gezeigt hat, ist Michaels Präzision. Die war sofort wieder da, das war ein bisschen wie in alten Tagen."

Lob für Schumacher

Frage: "Ist es einfacher, mit einem Fahrer wie Michael ein Auto weiterzuentwickeln?"
Brawn: "Michael beschreibt sehr präzise, was passiert und was er will, was nach seinem Gefühl nötig ist. Er hat klare Vorstellungen, in welche Richtung Dinge verändert werden sollten. Dafür war Michael in seiner ganzen Karriere bekannt. Je klarer die Aussagen sind, umso einfacher ist es für die Ingenieure."

"Im Moment ist er sehr zufrieden mit dem Auto, aber ich bin sicher, wenn er sich besser damit auskennt und weiter ans Limit geht, wird er sich eine Meinung darüber bilden, wo das Auto verbessert werden muss. Das ist der größte Unterschied zu Rubens und Jenson, auch wenn die auch sehr gute Informationen liefern konnten. Problem war das im Vorjahr keines. Aber Michael kann noch präziser beschreiben, was vor sich geht."


Fotos: Testfahrten in Valencia, Montag


Frage: "Hattest du Angst, dass Michael nicht die schnelle Zeit fahren würde, die er für sein Selbstvertrauen braucht?"
Brawn: "Nein. Michael hat glaube ich kein Problem mit dem Selbstvertrauen."

Frage: "Könnte der Mittwoch aufregend werden, wenn Michael erstmals auf der Strecke auf Titelverteidiger Jenson Button und den zweimaligen Weltmeister Fernando Alonso trifft?"
Brawn: "Beim Testen geht es um Arbeitsprogramme. Ich denke nicht, dass er sich darüber Gedanken macht. Für uns ist das kein Thema, so etwas könnte das Testprogramm stören. Aufregend wird es erst beim ersten Rennen."

Frage: "Sicher hast du dich gefreut, Felipe Massa wieder fahren zu sehen, nicht wahr?"
Brawn: "Ja. Stefano Domenicali hat mich immer informiert. Ich habe auch mit Felipe gesprochen, als er das erste Mal an der Strecke war. Ich freue mich, denn er ist ein extrem netter Kerl. Er ist sehr ehrgeizig, aber nett - es wäre schwierig gewesen, zu akzeptieren, dass er kein Comeback geben kann. Aber er ist eindeutig heiß und vielleicht hat ihm die Pause sogar gut getan."