• 16.04.2011 16:00

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Brawn macht Mercedes-Tief zur Chefsache

Nach Sepang setzte sich Ross Brawn höchstpersönlich mit seinen Ingenieuren zusammen, um zu überlegen, wie man den MGP W02 schneller machen könnte

(Motorsport-Total.com) - Nach dem durchwachsenen Saisonauftakt mit gerade mal zwei Punkten in zwei Rennen wäre es für Mercedes ein Leichtes gewesen, in Panik zu verfallen und überhastet ein Notfallprogramm in die Wege zu leiten. Stattdessen behielt Teamchef Ross Brawn kühlen Kopf und sparte sich zwischen Sepang und Schanghai sogar die Heimreise nach Europa.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Ross Brawn hat keine Scheu davor, auch als Teamchef selbst anzupacken

Allerdings machte er nicht etwa Urlaub auf Langkawi, sondern er krempelte die Ärmel hoch, um die Probleme höchstpersönlich anzugehen: "Wir sind nicht nach Brackley oder Stuttgart zurückgeflogen, sondern ich bin ein paar Tage hier geblieben, um mit den Ingenieuren zu diskutieren", berichtet Brawn. "Das waren produktive Tage, in denen wir unsere Herangehensweise verändert haben. Das hat geholfen."

Mit kleinen Details zum Erfolg

Hier eine Feder anders abgestimmt, dort ein bisschen am Stabilisator gedreht - und schon ist Mercedes dritte Kraft! Nico Rosberg fehlten heute nur noch zwei Zehntelsekunden auf McLaren, während er nach hinten eine halbe Sekunde Puffer zu den Ferraris hatte. Dabei hatte das Team nicht einmal neue Teile dabei. Brawn grinst: "Norbert hat zu mir gesagt: 'Machen wir's wie Ende letzten Jahres. Da haben wir auch nichts getan und wurden plötzlich schneller...'"

Tatsächlich bewährte sich der Ansatz, nicht fieberhaft neue Teile zu entwickeln, sondern stattdessen lieber die alten zu verstehen. "Unsere bisherige Herangehensweise war möglicherweise noch zu sehr auf die Reifen abgestimmt, die wir in den vergangenen Jahren hatten", erklärt Brawn, "aber mit diesen Reifen muss man vielleicht einen anderen Weg einschlagen. Außerdem sind die Autos relativ problemlos gelaufen."

"Es steckt viel Zeit in den Autos, wenn man einmal versteht, worauf sie wie reagieren, wie man sie einstellen muss. Wir haben nichts Dramatisches geändert, sondern wir haben über das Setup nachgedacht und über unsere Prioritäten. Das haben wir dieses Wochenende getan", ist der 56-Jährige zufrieden. Dass man das Glück hatte, zumindest ein Auto sicher durch das Q2-Chaos ins Top-10-Finale zu bringen, war dabei natürlich hilfreich.


Fotos: Mercedes, Großer Preis von China, Samstag


So erlebte Rosberg bisher das erste reibungslose Rennwochenende eines Mercedes-Piloten in dieser Saison. Brawn: "In Melbourne hatten wir viele Probleme und in Malaysia bereitete uns die Kühlung Schwierigkeiten. Daher mussten wir Kompromisse eingehen. Hier sind die Temperaturen niedriger und die Kühlung ist kein Thema. Daher können wir einfach versuchen, das Auto hinzukriegen, ohne an etwas anderes denken zu müssen."

Viele Reifen schon gebraucht

Dafür gibt es diesmal einen anderen Nachteil: "Wir haben keine frischen Soft-Pirellis mehr auf Halde. Das könnte morgen ein Faktor sein, aber das Renntempo ist definitiv besser, als es in den ersten zwei Rennen war", glaubt Brawn. Zudem konnte das KERS-Problem bei Michael Schumacher gelöst werden; der verstellbare Heckflügel mach hingegen immer noch Probleme: "Wir bekommen für Istanbul einen neuen, mit dem dieses Problem eliminiert werden sollte."

"Eine unserer Prioritäten für die nächsten Rennen muss zudem sein, ein neues Kühlsystem einzuführen", ist dem Briten bewusst. Denn Schumacher klagte schon im Training am Boxenfunk über einen überhitzenden Motor, möglicherweise in Zusammenhang mit KERS. Außerdem gab es ein Problem mit einer Verkabelung bei einem Hitzeschild. Diese Dinge will Mercedes abstellen, um in Rennen wie dem morgigen konkurrenzfähig sein zu können.

Michael Schumacher

Michael Schumacher verpasste auch im dritten Versuch den Q3-Einzug Zoom

"Unser Renntempo war dieses Wochenende ein bisschen besser", hofft Brawn. "Wir haben am Freitag einige längere Runs mit viel Benzin absolviert, die nicht so schlecht waren. Meine Einschätzung auf Basis des Freitags lautet, dass Ferrari im Renntempo vielleicht ein bisschen schneller sein wird als wir, aber wir alle hatten natürlich den ganzen Samstag Zeit, unsere Autos zu verbessern. Mal schauen, wie es morgen ausgehen wird."