• 08.05.2011 06:06

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Brawn hat keine Angst vor einem Concorde-Streit

Ross Brawn erwartet Verhandlungen, die "bei weitem nicht so schwierig wie beim letzten Mal" werden - Gerard Lopez freut sich über Murdochs Interesse

(Motorsport-Total.com) - In den vergangenen zwei Wochen haben die politischen Positionsspielchen hinter den Kulissen deutlich an Dynamik zugelegt. Das liegt einerseits daran, dass die Verhandlungen über ein neues Concorde-Agreement langsam in die entscheidende Phase gehen, andererseits aber auch an der Absicht der Investmentgruppen Exor und News Corporation, die Formel 1 zu übernehmen.

Titel-Bild zur News: Stefano Domenicali und Ross Brawn

Ross Brawn (rechts) glaubt, dass die Verhandlungen weniger zäh werden

Doch während viele Insider für die nächsten Monate einen noch schmutziger geführten Machtkampf als 2009 befürchten, als während der Verhandlungen über das derzeitige Concorde-Agreement sogar eine "Piratenserie" nicht mehr ausgeschlossen schien, misst Bernie Ecclestone dem derzeitigen Säbelrasseln auf allen Seiten keine allzu große Bedeutung bei: "Das ist das ganz normale Vorspiel, bevor diese Dinge passieren", winkt der Formel-1-Geschäftsführer ab.

Einfachere Verhandlungen als 2009?

Wahrscheinlich muss auch diese demonstrative Gleichgültigkeit als Verhandlungstaktik gewertet werden, aber der 80-Jährige findet Zustimmung bei Ross Brawn: "Ich glaube nicht, dass die Vereinbarungen, die wir in den nächsten Jahren ausarbeiten müssen, so schwierig werden wie früher", glaubt der Mercedes-Teamchef. "Ich bin sehr optimistisch, dass das die normalen, sehr hart geführten Verhandlungen sind. Aber es ist bei weitem nicht so schwierig wie beim letzten Mal."

Heute ist übrigens ein Treffen der Teamvereinigung FOTA geplant, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen, auch im Hinblick auf das Übernahmeinteresse von Exor und News Corporation. Sogar eine Beteiligung der Teams selbst hat FOTA-Chef Martin Whitmarsh zuletzt nicht mehr ausgeschlossen. Darüber kann Ecclestone nur lachen: "Ich sage auch nicht zu den Eigentümern, dass ich Anteile ihres Restaurants haben möchte, nur weil ich dort esse."

Doch die Teams haben angebissen und würden offenbar gerne mit Rupert Murdoch und seinen Partnern verhandeln. Allerdings verhindert das Concorde-Agreement noch bis 1. Januar 2012 jeden Versuch einer Abspaltung. "Es ist eine knifflige Situation", gibt Whitmarsh zu. "Wir müssen die derzeitigen Eigentümer des Sports respektieren, aber es gibt derzeit viele Leute, die über das zukünftige Geschäftsmodell der Formel 1 spekulieren. Das ist nicht unbedingt förderlich."


Fotos: Großer Preis der Türkei


Am wichtigsten sei ohnehin, "dass die Teams zusammenarbeiten. Wir müssen mit dem Inhaber der kommerziellen Rechte kooperieren, auch mit dem Verband. Wir müssen sicherstellen, dass wir diesen Sport unterhaltsam und interessant gestalten und dass wir als ein Stück weltweites Entertainment wachsen. Da haben wir eine Menge zu tun, also sollten wir unsere Energie nicht dafür verschwenden, einander zu bekämpfen", appelliert der McLaren-Teamchef.

Fahrer wollen keine Beteiligungen

Zwischenfrage an Jenson Button: Wenn sich die Teams eine Formel-1-Beteiligung vorstellen können, warum dann nicht auch die Fahrer? "So viel Geld haben wir nicht, sonst würden wir unsere eigenen Teams besitzen", lacht er. "Aber wir interessieren uns natürlich für die Zukunft des Sports, denn es ist ein Sport, mit dem wir aufgewachsen sind, den wir lieben und von dem wir ein Teil sind. Wir werden alles tun, was wir können, um sicherzustellen, dass der Sport auch in Zukunft interessant ist."

"Ich finde, wir müssen uns nach den Zuschauern richten. Die Zuschauerzahlen sind im Moment so hoch, das ist fantastisch. So muss es bleiben", ist dem Weltmeister von 2009 bewusst. Also bleibt das einzig realistische Übernahmeszenario wohl jenes um Exor und News Corporation. Nur: Ecclestone und CVC Capital Partners, Mehrheitseigentümer der obersten Formel-1-Holding Delta Topco, haben zumindest offiziell nicht vor, die Königsklasse zu verkaufen.

Gerard Lopez

Das Concorde-Agreement hat laut Gerard Lopez allerhöchste Priorität Zoom

Daher würde Gerard Lopez "nicht viel drauf geben", dass CVC aussteigen wird: "Wie ich das sehe, muss erst das Concorde-Agreement unterschrieben werden. Darauf sollten wir uns konzentrieren", betont der Renault-Eigentümer gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Ich weiß nicht, ob der Verkäufer verkaufen möchte, ohne dass das Concorde unterschrieben ist, und ich weiß nicht, ob ein Käufer kaufen möchte, ohne diese Art von Sicherheit zu haben."

Doch unabhängig von der tatsächlichen Wahrscheinlichkeit einer Übernahme freut er sich über die derzeitigen Gerüchte, denn: "Die Formel 1 ist riesig", hält Lopez fest. "Wenn ein Unternehmer wie Murdoch Interesse zeigt, beweist das, dass die Formel 1 ein interessantes Spekulationsobjekt ist. Aber ich denke, wir sind von all dem noch weit weg. Voraussetzung ist ein langfristiger Businessplan, aber der muss erst noch definiert werden."