• 08.05.2011 06:54

  • von Pit Lane

Erst die Webber-, nun die Kobayashi-Show?

Kolumnist Pit Lane analysiert, warum Kamui Kobayashi in Istanbul eine ähnliche Show hinlegen könnte wie zuletzt Mark Webber in Schanghai

Titel-Bild zur News: Pit Lane

Unser Kolumnist Pit Lane empfiehlt euch heute: Schaut genau auf Kobayashi!

Liebe Racing-Friends,

ziemlich cool, wie viel in der Formel 1 derzeit überholt wird, oder? Ich gebe zu, Schanghai hat mich vom Hocker gerissen, auch wenn ich von Haus aus ja ein Purist bin. Ich halte es schon ein bisschen mit Max Mosley, der einmal einen passenden Vergleich angestellt hat: Viel mehr Menschen schauen Fußball als Basketball, obwohl im Basketball mehr Tore (Körbe) fallen. Doch jedes Soccer-Tor ist mehr wert als ein schöner Dreipunkter im Basketball. So ähnlich sehen das viele auch mit den Überholmanövern in der Formel 1.

Ich auch, ganz ehrlich. Klar, Schanghai war superspannend bis zum Schluss - das haben wir vor allem Pirelli zu verdanken. Aber als Lewis Hamilton in der Schlussphase mit zu dem Zeitpunkt überlegenem Material ohne das geringste Problem an einer eigentlich unmöglichen Stelle an Sebastian Vettel vorbeigefahren ist, fand ich das nur bedingt prickelnd - früher oder später hätte mein Landsmann euren Weltmeister mit seinen frischeren Pirellis sowieso gekriegt.

In der Reifenlotterie hat mir stattdessen am meisten die Aufholjagd von Mark Webber imponiert. Mark ist ein No-Bullshit-Guy und mir als solcher grundsätzlich sympathisch. Insofern leide ich mit ihm, wenn ich sehe, dass er gegen euren "Super-Seb" im Moment kein Land sieht. Aber seine Performance in Schanghai war Weltklasse - von P18 auf P3!

¿pbvin|512|3653||0|1pb¿Das lag natürlich nicht nur an seinem Fahrkönnen und am überlegenen Newey-Red-Bull, sondern auch daran, dass er von allen Topfahrern die meisten frischen Reifen hatte. Das frühe Aus in Q1 wurde so im Nachhinein betrachtet zum Segen. Gestern hat es Kamui Kobayashi erwischt. Übrigens: Ist euch aufgefallen, dass der unterhaltsame Kamikaze-Japaner im Freien Training einmal nach rechts statt nach links aus der Box gefahren ist? Und wisst ihr auch, wer ihm dabei entgegengekommen ist? Genau, Mark Webber. Vielleicht ein Omen für heute...

Denn Kamui hat als einziger Fahrer gleich fünf (!) komplett frische Pirelli-Reifensätze für das Rennen. Hat ein Satz drei oder vier Runden drauf, ist er pro Runde um drei bis vier Zehntelsekunden langsamer als ein brandneuer Satz. Das summiert sich auf einen kompletten Stint gerechnet ganz schön - und lässt mich darauf hoffen, dass wir in Istanbul eine große "Kamuikaze"-Show erleben werden! Dass der Sauber-Fahrer überholen kann, hat er ja schon oft bewiesen.

"2010 wurde ich in Budapest vom 23. Platz noch Neunter", kündigt Kamui im 'Blick' an, was er heute vorhat. Ich traue ihm (fast) alles zu. Nicht nur wegen der frischen Reifen, sondern auch wegen seiner unglaublichen Racer-Qualitäten und wegen der Streckencharakteristik in Istanbul, die Überholmanöver zulässt - am ehesten vor Kurve zwölf, mit ein bisschen Mut auch vor Kurve eins. Aber das ist noch nicht alles, was für ihn spricht.

Denn Kobayashi hat möglicherweise auch das schnellste Auto im Feld. Sein Teamkollege Sergio Perez wurde im Qualifying mit 322,6 km/h "geblitzt" - ein Tempo, das nicht einmal McLaren (319), geschweige denn Red Bull (312) mitgehen konnte. Zehn km/h Sowieso-Überschuss, noch einmal zehn km/h durch das Drag-Reduction-System - da erwarte ich vom vielleicht besten Überholer der Formel 1 jede Menge Action...


Fotos: Großer Preis der Türkei


"Wir freuen uns schon darauf, wie Kamui in der ersten Runde von ganz hinten auf den zehnten Platz durchsägt", stimmt mir Sauber-Technikchef James Key zu. "Erstens wissen wir, dass er ein großartiger Rennfahrer ist, der keine Angst vor dem Überholen hat. Er hat viele neue Reifen - und seit Webber in Schanghai wissen wir, was das bringen kann. Ich sage nicht, dass wir Dritter werden, aber die Reifen sind ein eindeutiger Vorteil. Punkte sind möglich."

Go, Kamui! Du bist meine größte Hoffnung, dass wir auch heute wieder eine Art Webber-Show erleben werden. Und mein Siegertipp? Wünschen würde ich mir, dass es "Jense" mal packt, denn er war das ganze Wochenende megastark unterwegs. Auch Lewis und Nico Rosberg würde ich es gönnen. Aber wenn ich sehe, wie stark Vettel momentan fährt, dann führt wohl kein Weg an ihm vorbei - zumal Red Bull sicher aus dem strategischen Patzer von Schanghai gelernt hat.

In diesem Sinne, c'est la vie,


Pit Lane

PS: Ich schaue mir das Rennen nicht in Istanbul und auch nicht zu Hause in München an, sondern in meiner alten Heimat London, bei den Eltern meiner Freundin Kelly. Bin schon gespannt, wie David Coulthard und Martin Brundle ihren Job als Kommentatoren der 'BBC' so machen!