Boullier wehrt sich gegen Kritik der Medien

Renault-Teamchef Eric Boullier reagiert auf die Kritik an seiner Person und fordert von seinen Ingenieuren weiterhin Mut zur Kreativität

(Motorsport-Total.com) - Erst die Stagnation in der Weiterentwicklung, bedingt durch das revolutionäre Front-Auspuffsystem, dann die nach außen etwas unglücklich kommunizierte Trennung von Nick Heidfeld, schlussendlich auch noch das PR-Chaos um die Pressemitteilung zum Nicht-Comeback von Robert Kubica: Eric Boullier hat in den vergangenen Wochen nicht immer gut ausgesehen.

Titel-Bild zur News: Eric Boullier

Eric Boullier glaubt nicht, dass er seinen Job besonders schlecht erledigt

Besonders von manchen deutschen Medien bekam er dafür sein Fett ab - möglicherweise eine gekränkte Reaktion auf den Heidfeld-Rausschmiss. So schoss sich dann beim Grand Prix von Brasilien ein deutscher Journalist auf Boullier ein und drückte den Franzosen im Rahmen der internationalen FIA-Pressekonferenz mit einer kritischen Frage an die Wand. Tags darauf setzte sich das Spielchen bei der Medienrunde in der Renault-Hospitality fort.

Boullier blieb zwar gefasst, machte dem Journalisten aber unmissverständlich klar, dass er von der Aktion bei der Pressekonferenz nicht begeistert war. Dass 2011 nicht alles nach Wunsch gelaufen ist, leugnet er gar nicht, allerdings habe man es nach dem Kubica-Unfall nicht leicht gehabt. Und den Vorwurf, dass man dem Polen den Rallyesport vertraglich nicht erlauben hätte sollen, lässt er sowieso nicht gelten, schließlich habe er den Vertrag nicht einmal selbst ausgehandelt.

Alles begann mit Kubicas Unfall...

"Wenn du dich in einer Negativspirale befindest, ist es sehr schwierig, aus dieser herauszukommen", verteidigt sich Boullier. "Im Vorjahr haben sich Erwartungen aufgebaut, auch bei uns intern, und dann hatten wir einen guten Saisonbeginn. Leider hatte Robert den Rallye-Unfall. Ich habe seinen Vertrag nicht ausgehandelt, aber er durfte das machen und er hatte diesen Unfall. Man hat mir die Schuld dafür gegeben, aber ich habe seinen Vertrag nicht gemacht."

"Dann haben wir uns für einen anderen Fahrer (Heidfeld; Anm. d. Red.) entschieden, der nicht das gebracht hat, was wir uns erhofft hatten. Das lag nicht am Fahrer, sondern am Paket. Unsere Auspuffinnovation war zu innovativ", erklärt er. Man halte Heidfeld nicht grundsätzlich für einen schlechten Fahrer, aber der Tapetenwechsel sei notwendig gewesen, denn: "So gelangten wir an einen Punkt, wo wir die Spirale durchbrechen mussten."

Die Frage, womit man konkret unzufrieden gewesen sei, lässt der Renault-Teamchef unbeantwortet: "Ich werde das nicht kommentieren, denn ich kann es nicht. Er hat mich darum gebeten, darüber nicht zu sprechen." Anschließend kam Bruno Senna an Bord, der beim Debüt in Spa-Francorchamps und zuletzt in Sao Paulo zwei hervorragende Qualifyings ablieferte, aber: "Bruno fehlt es noch ein bisschen an der notwendigen Konstanz."

¿pbvin|512|4282||0|1pb¿Einer der Kritikpunkte des deutschen Journalisten, der bei der Pressekonferenz angesprochen wurde, war auch das negative Interview von Petrow, in dem das Team scharf kritisiert wurde. Nach dem logischen Aufruhr schickte Petrow an alle Teammitglieder in Enstone eine E-Mail, um sich zu entschuldigen. "Witali hat den Fehler gemacht und zu offen mit den Medien gesprochen. Das passiert mir auch manchmal", zeigt Boullier grundsätzlich Verständnis.

"Natürlich ist er manchmal frustriert über das Team", sagt er, weist den Russen aber gleichzeitig in seine Schranken: "Er macht auch viele Fehler - zum Beispiel im letzten Qualifying. Ich werfe ihm das nicht vor, denn das bringt nichts. Wenn er die ganze Zeit um eine halbe Sekunde schneller ist als Bruno, warum ist er dann in Q2 auf einmal um sieben Zehntelsekunden langsamer? Warum hat er entschieden, in Hamiltons Windschatten zu fahren?"

Ärger über Morellis Vorwürfe

Am meisten ärgert Boullier jedoch der in den Medien geäußerte Vorwurf von Kubica-Manager Daniele Morelli, man habe bei der Bekanntgabe des Nicht-Comebacks die Worte des Polen verdreht und falsch an die Medien weitergegeben: "Morelli hat die Zitate selbst freigegeben. Ich kann Ihnen gerne die E-Mail zeigen", spielt er den Ball zurück. "Ich sage nicht, dass ich immer recht habe, aber die E-Mail wurde bestätigt. Was soll ich dazu noch sagen?"

Beurteilen, ob er seinen Job richtig mache, müssen die Teameigentümer, sagt Boullier und ergänzt: "Vor zwei Jahren war dieses Team Achter in der Weltmeisterschaft, obwohl sie vom Personal her das drittgrößte Team und drei Jahre davor noch Weltmeister waren. Geben Sie mir also ein bisschen Zeit! Und vergessen Sie nicht, dass wir alles um Kubica herum aufgebaut haben, aber der Kerl verschwindet nach einer Testwoche. Damit war mein Fundament weg."

¿pbvin|512|4281||0|1pb¿Dabei hatte der Winter so gut begonnen - in der ersten Testwoche stellte Kubica sogar die absolut schnellste Zeit auf. Bei den beiden ersten Rennen gab es zwei Podestplätze, doch gegen Saisonmitte hin stagnierte die Weiterentwicklung. Das wurde mit dem technischen Konzept rund um das Auspuffsystem begründet, das sich im Nachhinein als Fehlentscheidung herausgestellt hat. Boullier selbst hatte dieses von seinen Ingenieuren abgesegnet.

Trotzdem wird er seinem Team nicht auftragen, für 2012 ein konservativeres Auto zu designen, aber: "Jetzt habe ich die Erfahrung von diesem Jahr, in dem wir uns nicht genug gegen die Änderung des Reglements geschützt haben. Das ist ein Fehler der Jugend, für den ich die Schuld auf mich nehme", gibt der 38-Jährige zu. "In Zukunft werde ich vorsichtiger sein, wenn die Anpressdruck-Strategie hauptsächlich auf heißem Anströmen beruht."

Aber von allzu viel Vorsicht im technischen Bereich hält er nichts: "Einer der Gründe, warum das Team 2009 Achter in der Weltmeisterschaft war, ist die Tatsache, dass es zu konservativ war. Sie mussten auch konservativ sein, denn Renault stand unmittelbar vor dem Ausstieg. Es war meine Aufgabe, den Ingenieuren wieder Freiheiten einzuräumen und ihre Kreativität zu fördern", steht er zu seiner bisherigen Führungslinie.