• 30.11.2001 09:28

BMW blickt auf die Formel-1-Saison 2001 zurück

BMW blickt auf eine turbulente Formel-1-Saison mit vielen Höhen aber auch vielen Tiefen zurück

(Motorsport-Total.com) - Das Rennergebnis beim Finale in Japan war bezeichnend: Die Autos von Ferrari, dem BMW-Williams-Team und McLaren Mercedes machten die Punkteränge unter sich aus. Die Formel 1 hat mittlerweile drei Top-Teams ? das BMW-Williams-Team ist schon in der zweiten Saison in diesen elitären Kreis aufgestiegen. Mit vier Siegen ? drei durch Ralf Schumacher, einer von Juan-Pablo Montoya ?, vier Polepositions und acht schnellsten Rennrunden wurden die kühnsten Erwartungen übertroffen. Der dritte Rang in der Weltmeisterschaft der Konstrukteure wurde verteidigt und der Rückstand zur Spitze verkürzt.

Titel-Bild zur News: Ralf Schumacher

Ralf Schumacher feierte in Imola 2001 seinen ersten Formel-1-Sieg

Die deutsch-englische Mannschaft lag sogar in noch mehr Grands Prix auf Kurs für Siege und Podiumsplätze. Allerdings mangelte es 2001 an Konstanz und Zuverlässigkeit: Die beiden FW23 mit dem BMW V10-Zylinder absolvierten nur etwas mehr als zwei Drittel der möglichen Rennrunden. Zehn technische Defekte, darunter sechs am Motor beziehungsweise in dessen Umfeld schmälerten die Bilanz ebenso wie sechs Fahrfehler und zwei unverschuldete Unfälle.

"Wir sind stolz auf unsere Leistungsfähigkeit und das Erreichte", sagt BMW-Motorsport-Direktor Dr. Mario Theissen. "Dass wir so schnell aus eigener Kraft siegfähig wurden, ist auch eine starke Bestätigung für unsere Entscheidung, das Formel-1-Projekt am BMW-Standort in München durchzuführen.? BMW Motorsport Direktor Gerhard Berger erklärt: "Auf einigen Strecken waren wir 2001 auch für das Weltmeister-Team von Ferrari unschlagbar. Wir sind der Spitze im Vergleich zum Vorjahr deutlich näher gekommen und haben damit unser Ziel erreicht.?

Im kommenden Jahr will das BMW-Williams-Team nach den Sternen greifen: WM-Platz zwei lautet das Ziel. "Wir werden uns technisch weiterentwickeln. Die stärkste Fahrerbesetzung der Formel 1 haben wir ohnehin?, so Berger weiter. "Aber den Rückstand auf Platz eins werden wir wohl trotzdem noch nicht aufholen können. Man muss sehen, dass uns 100 WM-Punkte vom Titel trennen.?

Bescheidener Start in die Saison
Das BMW-Williams-Team startete mit einem komplett neuen Motor, dem P80, einem neuen Chassis, dem FW23, einem neuen Fahrer, Juan-Pablo Montoya, und dem neuen Reifenpartner Michelin in die Saison 2001. Doch es sind gar nicht diese Unbekannten, die in erster Linie für das schwache Abschneiden bei den drei Überseerennen zu Saisonbeginn verantwortlich werden.

An technischen Pannen gibt es lediglich beim ersten Rennen in Melbourne eine undichte Ölleitung zu beklagen, die zum Ausfall Montoyas führt. Auffahrunfälle sind das Problem zum Saisonstart, in Melbourne mit tragischen Folgen. Jacques Villeneuve fährt auf Ralf Schumachers Auto auf und steigt mit seinem BAR-Honda auf. Ein Streckenposten wird von Wrackteilen tödlich getroffen.

In Malaysia fährt Rubens Barrichello (Ferrari) Ralf ins Heck. Der Deutsche kann zwar weiterfahren, wird aber zunächst ans Ende des Feldes zurückgeworfen. In Brasilien sieht Juan-Pablo Montoya nach einem phantastischen Überholmanöver gegen Michael Schumacher schon wie der sichere Sieger aus, als er vom überrundeten Jos Verstappen (Arrows) gerammt wird und ausfällt. Die magere Bilanz nach drei Rennen: eine Zielankunft und zwei Punkte für Ralf in Malaysia.

Imola ? der erste Sieg im 21. Grand Prix
Das BMW-Williams-Team trägt die Ausfälle mit Humor: In Imola rollen die beiden FW23 im freien Training mit der Aufschrift "Keep your Distance? am Heckflügel aus der Box. So unwahrscheinlich ein Zusammenhang auch ist, immerhin endet die kuriose Unfallserie mit der Aufforderung zum Abstandhalten. Und der Große Preis von San Marino in Imola bringt den ersten Sieg ? exakt 399 Tage oder 21 Grands Prix nach dem Wiedereinstieg. Das Imponierendste an diesem Sieg ist seine Souveränität: Ralf beschleunigt von Startplatz drei beide McLaren-Mercedes aus, übernimmt die Führung und gibt sie nicht mehr ab.

Für Williams ist der Sieg das Ende einer vierjährigen Durststrecke, für Ralf ein schon fast überfälliger Erfolg und für BMW ein Motivationsschub, der das ganze Unternehmen durchdringt. Kaum eine Abteilung, in der nicht gewettet, mitgefiebert und gefeiert wird. Theissen und Berger bedanken sich schriftlich bei der BMW-Belegschaft, die dem Projekt Rückhalt gibt. Und damit auch im Werk gefeiert werden kann, wird die Produktion für eine halbe Stunde angehalten. Der erste Platz von Imola wird der insgesamt zehnte Formel-1-Sieg für BMW und der 104. für Williams.

Spanien, Österreich und Monaco bringen drei Ausfälle für Ralf
In Barcelona dreht er sich von der Strecke, auf dem A1-Ring und in Monte Carlo fällt er mit Defekten am Fahrzeug aus. Juan-Pablo Montoya indes kommt in Barcelona erstmals ins Ziel und wird Zweiter. In Österreich liegt er in Führung, kämpft mit härtesten Bandagen gegen Michael Schumacher und fällt schließlich wegen eines Hydraulikproblems aus. In Monte Carlo ist er an seinem Ausfall selber schuld: Er rutscht auf dem engen Stadtkurs in die Leitplanke. Ähnlich ergeht es ihm in Kanada. Nach seinem Fahrfehler sieht er zu, wie Ralf ein fehlerfreies Rennen fährt, hinter Michael besonnen darauf wartet, dass seine Boxentaktik aufgeht und schließlich souverän gewinnt. Ein Sieg wie aus dem Lehrbuch, das empfindet auch Juan-Pablo so.

Nürburgring und Hockenheim ? Erfolge in der BMW-Heimat
Ende Juni gastiert die Formel 1 erstmals in der Saison 2001 in Deutschland, und der Gran Prix von Europa auf dem Nürburgring wird ein weiterer Erfolg für das BMW-Williams-Team: Zum ersten Mal kommen beide Piloten ins Ziel ? Juan-Pablo wird Zweiter, Ralf trotz einer Stop-and-Go-Strafe wegen Überfahrens einer weißen Linie noch Vierter.

Beim Großen Preis von Frankreich wird ein weiteres Etappenziel erreicht: die erste Poleposition. Ralf schlägt seinen Bruder um eine Hundertstelsekunde. Juan-Pablo startet als Sechster und liegt an zweiter Stelle gut im Rennen, ehe er mit Motorschaden ausfällt. Ralf bringt in Magny-Cours Platz zwei ins Ziel. In Silverstone trifft ihn das Pech eines Motorschadens, Juan-Pablo wird Vierter.

Der Große Preis von Deutschland wird zum Triumphzug des BMW-Williams-Teams. Juan-Pablo erzielt auf dem Hockenheimring seine erste Poleposition in der Formel 1, Ralf nimmt neben ihm Aufstellung. Erstmals ist die erste Startreihe weiß-blau, dem Dritt-platzierten fehlen beachtliche sieben Zehntelsekunden auf die Bestmarke. Im Rennen führt Juan-Pablo 22 Runden lang, ehe ihn ein weiteres Mal das Pech ereilt: Erst hält ihn eine defekte Tankanlage an der Box auf, dann geht der Motor kaputt, was auf die lange Standzeit zurückgeführt wird. Ralf erbt die Führung und gewinnt mit 46 Sekunden Vorsprung auf den Ferrari von Barrichello. "So ein Erfolg beim Heimrennen?, gibt Gerhard Berger zu, "schmeckt natürlich besonders süß.?

Der winklige Hungaroring ist ein schwieriges Pflaster ? der dort geforderte Abtrieb ist eine Schwäche des FW23, und mangels langer Geraden kann der BMW Motor seine Kraft nicht ausspielen. Mit den Plätzen vier (Ralf) und acht (Juan-Pablo) zieht sich das BMW-Williams-Team achtbar aus der Affäre.

Spa ? Tiefpunkt der Saison
"Wir haben Fehler, die für eine ganze Saison gereicht hätten, in ein Rennen gepackt?, stellte Mario Theissen nach dem Großen Preis von Belgien trocken fest. Das Team war mit großen Erwartungen angereist. Ralf hatte ein neues und weiterentwickeltes Chassis bekommen, und Spa gilt als Motorenstrecke. Das Qualifying bei abtrocknender Strecke verläuft hochspannend und wird ein fulminanter Erfolg: Juan-Pablo erringt seine zweite Poleposition, Ralf bezieht wieder Startplatz zwei.

Das Feld braucht am Sonntag zwei Einführungsrunden, beim Start zur zweiten stirbt der Motor an Montoyas Auto ab. Er muss sich hinten anstellen. Nach fünf Runden wird das Rennen wegen eines schweren Unfalls von Luciano Burti (Prost) unterbrochen, der Brasilianer kommt mit einer Gehirnerschütterung glimpflich davon. Als sich das Feld auf den Weg zur dritten Einführungsrunde macht, steht Ralfs Auto noch aufgebockt in der ersten Startreihe.

"Das sah natürlich unprofessionell aus?, ist Berger klar, "war aber in diesem Moment konsequent und notwendig. Es war am Heckflügel gearbeitet worden. Das ist ein sicherheitsrelevantes Teil, und wenn so eine Arbeit nicht rechtzeitig abgeschlossen werden kann, darf man deshalb nichts überstürzen. Dass nicht früher mit den Arbeiten begonnen wurde, hat verschiedene Ursachen. Dazu gehören auch Fehler, aus denen man lernen muss.? Ralf wurde beim Grand Prix von Belgien schließlich noch Siebter, Juan fiel mit Motorschaden aus.

Monza ? verdienter Sieg von Montoya
Endlich! Beim GP Italien wird eine weitere starke Vorstellung Montoyas mit einem Sieg belohnt. Unmittelbar nach den Terroranschlägen in den USA und unter dem Eindruck des folgenschweren Unfalls von Alex Zanardi in Deutschland ist die Stimmung in Monza gedrückt und gespenstisch. Jetzt heißt es: Nerven bewahren. Die Strecke ist wie maßgeschneidert für die Power des BMW Motors, und jetzt hat auch Juan-Pablo ein neues FW23-Chassis. Er setzt die Bausteine zu seiner dritten Poleposition zusammen und gewinnt am Sonntag souverän. Ralf wird Dritter. Beide Piloten auf dem Podium - das wird das beste Resultat der Saison 2001 für das BMW-Williams-Team.

Enttäuschung in Indianapolis ? starkes Finale in Japan
Beim Großen Preis der USA sollte das nächste gute Resultat folgen ? ein Kurs mit 23 Sekunden Vollgas am Stück ist nach BMW-Geschmack. Aber es gestaltet sich schwierig, diesen Hochgeschwindigkeitsabschnitt bei der Fahrzeugabstimmung mit dem winkligen Teilstück des Innenraums in Einklang zu bringen.

Ralf und Juan starten dennoch von den Plätzen zwei und drei, fallen im Rennen aber beide aus. Ralf dreht sich von der Strecke, Juan ist auf Siegkurs, als die Hydraulikpumpe ihren Dienst quittiert. Damit ist der zweite Platz in der Weltmeisterschaft der Konstrukteure nicht mehr zu schaffen.

Beim Finale in Japan merzt das BMW-Williams-Team die Niederlage von Indianapolis aus. Solide Trainingsleistungen münden in die Startplätze zwei und drei für Juan und Ralf. Lediglich Weltmeister Michael Schumacher bleibt in Suzuka unbezwingbar. Juan-Pablo Montoya, der als Neuling auf diesem außerordentlich schwierigen Kurs verblüfft, kommt als Zweiter ins Ziel.

Ralf Schumacher kassiert eine Stop-and-Go-Strafe, weil er nach einem Verbremser in der Schikane geradeaus gefahren ist, steuert als Sechster aber auch noch einen WM-Zähler zur Bilanz bei. Zum dritten Mal sind beide Autos im Ziel und beide in den Punkterängen. Ende gut, alles gut. Daran will das BMW-Williams-Team 2002 anknüpfen.