• 27.09.2007 18:23

Big in Japan - aber nicht auf der Strecke

Eine Analyse: Warum Toyota und Honda dem Erfolg hinterherfahren und welchen Stellenwert das Duell der Automobilgiganten in Japan hat

(Motorsport-Total.com) - Für dieses Jahr waren regelmäßige Podestplätze vorgesehen, stattdessen kurven die Autos von Toyota und Honda im hinteren Teil des Feldes herum. Der Schmach begegnen die Japaner mit Durchhalteparolen. Denn aufgeben ist nicht vorgesehen in den strengen Statuten von Japans Vorzeigeunternehmen, wie unsere Kollegen vom 'emagazine' der Credit Suisse recherchiert haben.

Titel-Bild zur News: Toyota

One Aim, aber kein Erfolg: Toyota und Honda warten auf den Durchbruch

Der Heimvorteil beim Großen Preis von Japan hat gewechselt: Nicht wie in den letzten zwei Jahrzehnten im Honda-Land von Suzuka wird das Rennen ausgetragen, sondern auf einem von Toyota bezahlten Retortenkurs unterhalb des Fujisan. Am heiligen Berg müssen die beiden japanischen Autokonzerne drei Rennen vor Saisonende eine ernüchternde Bilanz dieses Formel-1-Jahres ziehen: Klassenziel komplett verfehlt.#w1#

Ungarn 2006: Sternstunde für Honda

Zum ersten Mal in der Geschichte der Formel 1 ertönte im vergangenen August die japanische Nationalhymne bei einer Siegerehrung - die Honda-Mannschaft hatte mit Jenson Button in Budapest gewonnen. Was für den Rest der Welt nur eine Episode der Renngeschichte war, ist als Prestigeerfolg für alle Nicht-Japaner gar nicht zu ermessen. Honda, vergleichsweise klein auf dem PKW-Markt gegenüber Toyota, dem mächtigsten Automobilhersteller der Welt, konnte den historischen Erfolg für sich verbuchen.

Die Antwort von Toyota, das 2002 mit einer in Köln stationierten Rennmannschaft die Formel 1 mit den gleichen Methoden zu erobern sucht wie in der Serienproduktion, konnte nur lauten: noch mehr Aufwand, noch mehr Yen in das Rennen ums Image stecken. Insider schätzen, dass dort in den letzten fünf Jahren drei bis fünf Milliarden Euro in das ehrgeizige Projekt gesteckt wurden, sich aus eigener Kraft an die Spitze der Königsklasse zu katapultieren. Für 2007 stand, eifersüchtig beflügelt vom Honda-Erfolg, der erste Sieg fest im Programm.

Jubel bei Honda

Sternstunde: In Ungarn 2006 gewann Jenson Button auf Honda den Grand Prix Zoom

Heute müssen beide japanische Rennmannschaften ernüchtert Bilanz ziehen: Honda, 2006 mit 86 WM-Punkten strahlender Vierter der Konstrukteurswertung, hat bisher zwei Ehrenpünktchen ergattert und ist Ranglistenachter; Toyota, im Vorjahr mit 35 Zählern als Sechster notiert, hält zwar diesen Platz, kommt aber nur auf magere zwölf Punkte. Was noch beschämender für die Milliardenunternehmen ist: Die Teams, die Leihmotoren aus japanischer Fertigung beziehen, liegen jeweils vor ihnen. Toyota leidet somit unter dem Erfolg seines Partnerteams Williams, Honda unter dem von Ableger Super Aguri - beides Privatrennställe, die mit einem Bruchteil der Konzernmöglichkeiten auskommen müssen.

"Kaizen" ist nur ein PR-Gag

Die Gesetze des Sports scheinen die ausgefeilten und beispielhaften Methoden japanischer Serienfertigung ("Kaizen") nicht zuzulassen. Die eigentliche Problematik betrifft aber weniger das Materielle und die Fertigung - es geht mehr um die Menschen und Mentalitäten. Gelockt mit vielen Versprechungen und noch mehr Geld sind in Köln-Marsdorf und in Brackley, wo Honda die Hallen des BAR-Teams bezogen hat, zwar Teams entstanden, aber keine verschworenen Mannschaften. Der stete Personalwechsel, die immer wieder neuen, zum Teil verzweifelten Umstrukturierungen verhindern auch einen gefestigten gemeinsamen Geist.

Die jeweilige Teamführung leidet zudem darunter, dass alle wichtigen Entscheidungen mit den Zentralen im fernen Tokio abgestimmt werden müssen. In einer buchstäblich rasenden Branche wie der Formel 1 ist das alles andere als zielführend, zumal oft auch nach fernöstlichen Prinzipien, weniger nach den Bedürfnissen des Rennsports entschieden wird. Durch die ungewöhnliche hohe Zahl an Personal und den langwierigen Weg durch viele Gremien wird zwar die Höflichkeit gewahrt, nicht aber die Effizienz genährt.

John Howett

Muss auf die Anweisungen aus Japan hören: Toyota-Teampräsident Howett Zoom

Aufgeben ist nicht vorgesehen in den strengen Statuten bei Toyota und Honda - vor allem im direkten Konkurrenzkampf untereinander, der weit härter (nur nicht so öffentlich) geführt wird als der Zwist zwischen Ferrari und McLaren-Mercedes. Schließlich will keiner der beiden Kontrahenten das Gesicht verlieren, zumal die japanischen Fans zu den treuesten und fanatischsten der Königsklasse gehören. Entsprechend hoch ist derzeit die Frustration bei den Motorsportfanatikern aus Fernost. Da kann auch die Honda-Umweltinitiative samt Weltkugellackierung auf den Boliden nichts ausrichten, ebenso wenig das große Toyota-Jubiläum "50 Jahre im Motorsport". Die Stimmung der Fans könnten nur positive Resultate wieder aufhellen, so wie sie Honda in den 1980er-Jahren als reiner Motorenlieferant von Williams und McLaren mit fünf Fahrer- und sechs Konstrukteurstiteln schon einmal hervorbrachte.

Der Terminkalender des Grand-Prix-Sports lässt keinen Raum für Rekonvaleszenz. Ist eine Autokonstruktion mal verfahren, wie es der aktuelle Honda RA107 und der Toyota TF107 nun mal sind, bleibt nur die Hoffnung auf einen Neuanfang in der nächsten Saison. Die jeweils zwischen - geschätzten - 300 und 400 Millionen Euro starken Jahresetats sind einmal mehr verpufft. Stillhalten und abwarten mag zwar als Tugend fernöstlicher Mentalitäten gelten, aber der Erfolgsdruck lässt diese Variante in der Formel 1 nicht zu: So mussten im Vorjahr die Technischen Direktoren Mike Gascoyne (Toyota) und Geoff Willis (Honda) gehen.

Ständige Personalrochaden bei den Teams

In dieser Saison hat Toyota seinen Statthalter Tsutomu Tomita ausgetauscht, bei Honda geht das Revirement um Teamchef Nick Fry munter weiter. Der Technikerstab erfährt starke Zukäufe, und immer noch wird der Traum geträumt, das bisherige Ferrari-Superhirn Ross Brawn für die Zukunft verpflichten zu können. Pilot Jenson Button sah seine eigene Karriere so sehr durch die Unruhe im Team gefährdet, dass er sich in seinen Privatjet setzte und persönlich beim Honda-Management in Tokio vorstellig wurde. Aber reicht ein Kulturattaché wirklich, um die unterschiedlichen Mentalitäten zu überwinden?

Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die große Wirkung haben: Bei Toyota passen die Felgen nicht richtig auf die Radträger, bei jedem Boxenstopp müssen die Räder extra fest angezogen werden - was ein Zeitverlust von einer halben Sekunde ausmacht. Der neue Mann am Toyota-Ruder in Köln aber, Tadashi Yamashima, ist auch kein Formel-1-Insider, sondern eher ein Aufpasser vom Mutterkonzern.

Ralf Schumacher

Kleinigkeiten wie die Boxenstopps sind es, die oft einen Unterschied machen Zoom

Es ist noch ein langer, harter und schwieriger Weg, den die beiden japanischen Teams zurückzulegen haben, wie die angesehene 'Automobilrevue' bereits früh feststellte: "Das Schlaraffenland vor Augen, frisst man sich immer noch durch Hirsebrei." Allein die Slogans der beiden Automobilhersteller zumindest versprechen bessere Perspektiven. Honda setzt auf "Power of dreams", Toyota bezieht den Kunden mit ein: "We try. You win."

Auf politischer Ebene steht das Duell zwischen David und Goliath einstweilen Unentschieden. Der Große Preis von Japan wird zwar in dieser und der nächsten Saison auf der von der Charakteristik her eher eintönigen Strecke von Fuji stattfinden, dann aber auf die modernisierte "Achterbahn" von Suzuka zurückkehren und von 2008 an im Wechsel stattfinden.