Beteiligte wägen ab: Pro und Contra von "Cockpithauben"

Im Fahrerlager gibt es einige Befürworter und einige Gegner der "Cockpithauben", in einem Punkt sind sich aber alle sicher: Es muss sich etwas ändern

(Motorsport-Total.com) - Der Startunfall von Spa-Francorchamps hat eine Sicherheitslücke in der Formel 1 auf dramatische Art und Weise offensichtlich gemacht: Das offene Cockpit. Romain Grosjean kollidierte bei der Anfahrt auf die erste Kurve mit dem McLaren von Lewis Hamilton und flog anschließend mit seinem Lotus über das Cockpit des Ferraris von Fernando Alonso.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Das offene Cockpit ist die klare Schwachstelle eines Formel-Autos

Dessen Helm verfehlte der Bolide dabei nur knapp, um ein Haar wäre es zu einer Katastrophe gekommen. Seitdem sind alle Beteiligten, egal ob Fahrer, Teamchefs oder andere Verantwortliche, alarmiert. Beim nächsten Mal könnte ein Fahrer nicht das Glück haben, das Alonso am vergangenen Sonntag in Belgien hatte: Der Spanier blieb bis auf einen steifen Hals unverletzt.

Seit ungefähr einem Jahr tüfteln Ingenieure im Auftrag des Motorsport-Weltverbandes FIA an einer Lösung, was die Thematik betrifft. Derzeit wird neben einer aus durchsichtigem Polykarbonat gefertigten Hauben, wie sie bei Kampfjets bereits Verwendung findet, auch eine Art Überrollbügel erprobt, welcher sich vor dem Cockpit des Fahrers befindet. Bei beiden Tests müssen die Konstruktionen dem Einschlag von Reifen Stand halten, die mit rund 225 km/h auf das entsprechende Objekt geschossen werden.

Zu Beginn der Forschungen, in die auch Technikchefs diverser Formel-1-Teams einbezogen werden, haben sich die Beteiligten als Ziel gesetzt, bis 2014 eine Lösung bezüglich des offenen Cockpits zu finden. Derzeit machen sich viele Beteiligten im Fahrerlager ihre Gedanken, die Pro und Contras werden abgewogen. In einem Punkt sind sich jedoch alle sicher: Es muss sich etwas ändern.

Schumacher: "Das muss die Zukunft sein"

"Ich denke, das muss die Zukunft sein", lautet beispielsweise die Meinung von Rekordweltmeister Michael Schumacher. "Wenn man sieht, wie sich die Formel 1 über die Jahre entwickelt hat, dann erkennt man viele Verbesserungen bei der Sicherheit des Cockpits. Da gab es in den vergangenen zehn bis 20 Jahren einige sehr große Verbesserungen."

"Der einzige Bereich, der nach wie vor offen ist, ist im Prinzip die Öffnung des Cockpits", fährt der Kerpener fort. "Und da findet sich nun einmal der Kopf des Fahrers. Der Kopf reicht über das Cockpit hinaus. Der jüngste Unfall um Fernando (Alonso; Anm. d. Red.) in Spa zeigt ganz klar: Wenn jemand zur falschen Zeit am falschen Ort ist, dann könnte das tödliche Folgen haben."

Die Optik sollte dabei laut Schumacher eine untergeordnete Rolle spielen und sei Gewöhnungssache: "Das sollte sicherlich eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist gar keine Frage", fährt Schumacher fort. "Ich nehme jetzt einmal unsere Nasen als Beispiel. Das war zu Beginn der Saison ein ziemlich großes Thema. Die letzten Wochen oder Monate habe ich niemanden von den Medien darüber reden hören, weil man sich einfach daran gewöhnt. Es ist ein Teil der Sache. Es gibt einen Grund, warum das so ist."


FIA testet Haubenkonstruktion für Formel-Cockpits

Vettel ist kein Fan von Hauben

Weltmeister Sebastian Vettel ist hingegen kein Fan einer Haubenkonstruktion, sieht die Umsetzung des Konzepts jedoch als Notwendigkeit zur Verbesserung der Sicherheit an: "Ich denke, man hat gesehen, wie unvorhersehbar etwas Schlimmes passieren kann und wie wenig in diesem Fall gefehlt hat, dass dem Fernando etwas Schlimmes zugestoßen wäre", so der Heppenheimer.

Vettel weiter: "Gott sei dank ist nichts passiert. Ich bin kein Fan von den Hauben. Ich denke, dass es in der Zukunft aber unvermeidbar sein wird. Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis wir so etwas haben werden." Besonders optisch sagten Vettel die Hauben nicht zu und passten zudem nicht zur Formel 1.

"Ich bin kein Fan von den Hauben. Ich denke, dass es in der Zukunft aber unvermeidbar sein wird." Sebastian Vettel

Ähnlich sieht es Landsmann Timo Glock, der findet, dass die Formel 1 dadurch etwas an Reiz einbüßen würde. Die Sicherheit müsse allerdings auch laut ihm oberste Priorität haben: "Wenn eine solche Haube zur Sicherheit beiträgt, dann ist mir das recht", so der Marussia-Fahrer. "Ich muss nicht unbedingt erst einen schweren Unfall sehen, bevor man dann reagiert. Klar geht das ein bisschen von der Formel 1 und vom Rennsport mit freien Cockpits weg, aber wenn es der Sicherheit dient, wäre es meiner Meinung nach schon ein richtiger Schritt."

Kaltenborn: "Man muss das Ganze zu Ende denken"

Sauber-Geschäftsführerin Monisha Kaltenborn weist indes darauf hin, dass man das Konzept erst komplett durchdenken müsse, ehe man es tatsächlich umsetzt. Vor allem bei einem Unfall könnte sich die Haube als ungeeignete Lösung entpuppen: "Es gibt Vor- und Nachteile. Bei manchen Dingen muss man genau prüfen, welche Konsequenzen das hat", gibt die Österreicherin zu bedenken. "Was passiert, wenn es zur Bergung des Fahrzeugs kommt - wenn sich das Auto gedreht hat? Man darf sich da keine zusätzlichen Probleme schaffen."

Ein weiteres Problem sei die Hitzeentwicklung innerhalb des Cockpits, die laut Kaltenborn momentan teilweise ohnehin schon hoch wären: "Müssen wir dann eine Kühlung einbauen, damit dem Fahrer nicht zu heiß wird?", fragt sich Kaltenborn, die zudem glaubt, dass man dadurch den Charakter der Rennserie ändern würde, was einen wiederum vor die Frage stellen würde, wie das beim Fan ankommt: "Dieser Aspekt ist nicht relevant für die Sicherheit, aber es gibt viele Bereiche, die man prüfen und analysieren muss."

Monisha Kaltenborn (Sauber-Geschäftsführerin)

Monisha Kaltenborn hat Bedenken, was die Cockpithauben angeht Zoom

Ein gewisses Restrisiko werde es laut Kaltenborn im Motorsport immer geben: "Das weiß jeder und mit der Einstellung geht auch jeder an die Sache. Man sieht ja auch, wie hoch der Sicherheitsstandard ist", erklärt die indischstämmige Geschäftsfrau, die zumindest keinen überstürzten Handlungsbedarf bezüglich der Hauben-Thematik sieht: "Ich glaube nicht, dass wir uns in einer Situation befinden, in der sofortiges Handeln gefordert ist. Man sollte das auf jeden Fall weiter prüfen."

McLaren-Pilot Jenson Button sieht das ähnlich: "Wir müssen vorsichtig sein und dürfen nichts überstürzen", so der Brite. "Ein geschlossenes Cockpit bringt auch viele Nachteile mit sich. Einer davon ist die Sicht. Ein anderer ist die Frage des Herauskommens aus dem Auto."

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