• 13.03.2002 11:44

  • von Reinhart Linke

Berger: "Ralf hat den Unfall abgehakt"

BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger erklärt im Interview, warum er in Malaysia einen engen Kampf an der Spitze erwartet

(Motorsport-Total.com/sid) - Nach der ersten Standortbestimmung in Melbourne am 3. März beim Saisonauftakt geht die Formel-1-Weltmeisterschaft nun in die zweite Runde. Beim Grand Prix von Malaysia werden am Wochenende in Sepang heiße Temperaturen und eine hohe Luftfeuchtigkeit erwartet. Deshalb wird das Rennen in Sepang nicht nur für die Fahrer eine harte Angelegenheit, sondern auch für die Autos und Motoren. Trotzdem gibt sich BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger vor dem zweiten von 17. WM-Läufen optimistisch.

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger (BMW-Motorsportdirektor)

Gerhard Berger freut sich auf den zweiten Saisonlauf am Sonntag in Sepang

Der Österreicher erwartet, dass es diesmal an der Spitze wesentlich enger zugehen wird und Ferrari einen nicht so großen Vorsprung wie in Melbourne haben wird. Folglich erwartet der ehemalige Formel-1-Rennfahrer einen spannenden Grand Prix, auch wenn der Weltmeister für ihn schon feststeht.

Berger: BMW-Williams ist die zweite Kraft

Frage: "Wo steht BMW-Williams vor dem zweiten Rennen in Malaysia im Vergleich zur Konkurrenz?"
Gerhard Berger: "Auf Platz zwei. Der Motor hat die Feuertaufe bestanden, die Basis ist gesund, das Auto hat durchgehalten. Ich glaube, dass wir in Malaysia einen Riesenschritt näher an Ferrari rankommen, aber einholen werden wir sie noch nicht. Ferrari war in Melbourne verdammt stark mit dem modifizierten Auto des Vorjahres. Und dann ist da noch McLaren-Mercedes. Zuletzt waren wir einen Tick schneller."

Frage: "Müssen sich die Fans angesichts der Überlegenheit von Ferrari auf eine langweilige Saison einrichten?"
Berger: "Auf eine langweilige Saison nicht, aber auf einen Weltmeister Michael Schumacher. Doch das haben wir schon vorher gewusst. Für uns gilt: Wie nahe können wir an ihn rankommen?"

Frage: "Und was glauben Sie?"
Berger: "Für uns wäre es wichtig, wenn wir im Gegensatz zu 2001 einen Schritt ausgleichen können ? und zwar in der Standfestigkeit. Ferrari war 2001 unglaublich standfest. Wenn wir da auf eine Ebene kämen, wären wir schon einen großen Schritt weiter."

Berger: "Der Abstand zur Spitze sollte sich drastisch reduzieren"

Frage: "Michael Schumacher hat die Konkurrenz schon mit seinem Vorjahresmodell beherrscht. Was muss da erst der neue Ferrari leisten?"
Berger: "Der neue Ferrari wird besser. Aber wir haben ebenfalls Reserven und werden nachlegen. Ich erwarte, dass sich der Abstand drastisch reduzieren wird im Vergleich zu Melbourne. Aber ich gehe nicht davon aus, dass wir Ferrari einholen werden. Das wird auf einigen Rennstrecken gelingen. Aber über die Saison hinweg wird Ferrari ganz klar die Messlatte sein."

Frage: "Welche Bedingungen wünschen Sie sich für das Rennen in Malaysia?"
Berger: "40 Grad, kein Regen. Je heißer, desto besser."

Frage: "Was muss ein Pilot in dieser Hitze beachten?"
Berger: "Dass er sehr viel trinkt und konditionell fit ist. Im Winter haben die einen Vorteil, die in warmen Ländern zuhause sind, zu meiner Zeit war das Ayrton Senna. Der ist in Brasilien bei 40 Grad mittags laufen gegangen. Ich habe damals zuhause bei minus 10 oder 20 Grad trainiert und bin dann auf eine feuchte heiße Luft in Brasilien gestoßen. Für mich war das ungleich schwerer, damit zurecht zu kommen und den Körper darauf einzustellen. Ich habe deshalb auch mal mit dem Fahrrad in der Sauna trainiert, damit der Kreislauf richtig belastet wird. Aber Ralf hat seinen eigenen Fitnessmann, ist Profi und weiß genau, was er zu tun hat."

Den Fahrern steht eine Hitzeschlacht bevor

Frage: "Wie macht sich ein Wasserverlust bemerkbar?"
Berger: "Die Konzentration lässt nach. Man wird müde, schwach und weich. Der Biss fehlt plötzlich. Das merkt man an der Atmung im Rennen, wenn man Sauerstoffmangel hat oder in den Bereich kommt, in dem man schwach wird. Man trocknet regelrecht aus, der Mund wird trocken, man atmet sehr schnell. Das geht bis zur Übelkeit."

Frage: "Zurück zum Saisonauftakt und zum Thema Startunfall. Wie verarbeitet ein Fahrer wie Ralf Schumacher einen so einen Crash?"
Berger: "Der Unfall selbst hat spektakulär ausgeschaut. Aber für den Fahrer selbst gab es keinen harten Einschlag. Der Aufprall war relativ einfach zu verkraften. Das Thema hat Ralf sicherlich schon abgehakt."

Frage: "Schaut man sich die Bilder eigentlich noch mal an?"
Berger: "Die Bilder schaut man sich an, setzt ein Lächeln auf und denkt: Gott sei Dank ist es gut ausgegangen."

Frage: "Schon werden zur besseren Sicherheit Reifenschützer gefordert, um tückische Berührungen der Gummis zu verhindern ..."
Berger: "Ich glaube, Ralf ist nicht wegen der Reifen abgeflogen. Er ist einfach über das Getriebe von Barrichellos Ferrari gefahren. Das war kein typischer und gefürchteter Reifen-an-Reifen-Unfall, das war ein Auffahrunfall. Da würde auch ein Reifenschutz nicht helfen."

Berger: "Die Formel 1 ist relativ sicher"

Frage: "Ist die Sicherheitsdiskussion somit überflüssig?"
Berger: "Es gibt Expertenkomitees in der FIA, die sich damit ständig befassen. Man kann jetzt nicht einen Unfall hernehmen und sagen, jetzt machen wir da eine Stoßstange dran und beim nächsten Mal bauen wir dort ein Dach drauf. Das funktioniert nicht. Die FIA hat ein ganz ausgeprägtes Sicherheitsdenken und wird die richtigen Maßnahmen treffen."

Frage: "Warum ist das Thema Sicherheit so sensibel?"
Berger: "Du kannst nicht einfach ohne Berechnungen, Statistiken und Expertenwissen irgendeine Entscheidung treffen. Knautschzonen, Kurvenradien, Crashtests, Auslaufzonen, die Beschaffenheit des Kies ? das alles ist ein irrsinnig komplexes Thema. Man darf nicht nur eine Stoßstange dran bauen und sagen: Jetzt ist alles besser. Beim nächsten Mal bohrt sich die Stoßstange dann womöglich in den Fahrer."

Frage: "Hat der Pilot in seinem Auto Angst?"
Berger: "Jeder, der in diesem Job tätig ist, ist sich bewusst, dass ein Restrisiko vorhanden ist und man dieses nicht ausschalten kann. Die Formel 1 hat in den vergangenen 20 Jahren extrem viele Sicherheitsvorkehrungen getroffen, und man kann sie heute als relativ sicher einstufen."