Berger: "Der Markt muss auch Michael mögen"

Während Gerhard Berger findet, dass Michael Schumacher aufhören sollte, findet Jochen Mass unwürdig, wie Mercedes die Trennung vollzogen hat

(Motorsport-Total.com) - Die Zukunft von Michael Schumacher ist nach der Bestätigung des Wechsels von Lewis Hamilton zu Mercedes das bestimmende Thema in den Gerüchteküchen der Formel 1. Während man seiner Managerin Sabine Kehm nachsagt, schon bei Sauber angeklopft zu haben, raten immer mehr Experten dem siebenmaligen Weltmeister, die aktive Karriere im Cockpit zu beenden.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher, Gerhard Berger

Gerhard Berger ist sich nicht sicher, ob Michael Schumacher ein Team findet Zoom

"Es ist Zeit aufzuhören", wird beispielsweise Schumachers Ferrari-Vorgänger Gerhard Berger von 'auto motor und sport' zitiert. "Ich würde es Michael vergönnen, wenn er noch einen Platz fände, weiterzufahren. Doch jetzt ist eigentlich Zeit, etwas anderes zu machen. Irgendwann muss man sich eingestehen, dass man im Alter in einem professionellen Sport auf höchstem Niveau nicht ewig weitermachen kann."

Berger selbst gestand sich das Ende 1997 im Alter von 38 Jahren ein; Schumacher wäre beim Saisonauftakt 2013 schon 44 Jahre alt. "Ob es nun Pech oder Unfälle oder technisches Versagen war, das ihn gebremst hat, spielt keine Rolle", bekräftigt der Österreicher seine Meinung und begründet: "Nach Punkten liegt er deutlich hinter Rosberg. Es ist ohnehin schon unglaublich, dass er mit einem Jungen wie Rosberg mithalten konnte."

Statistik spricht gegen Schumacher

Die Zahlen, die Berger anspricht, sprechen eine klare Sprache: 2010 kam Schumacher auf 50,7 Prozent der WM-Punkte seines Teamkollegen Nico Rosberg, 2011 schon auf beachtliche 85,4 - und 2012 steht er derzeit bei 46,2. Im Qualifying-Duell aller drei Jahre liegt Schumacher mit 16:36 zurück, betrachtet man jedoch die Saison 2012 isoliert, so führt er mit 8:6. Alle Experten sind sich einig: Der erfolgreichste Rennfahrer aller Zeiten fährt gerade die beste Saison seit seinem Comeback.

Schlüsselt man die Einzel-Qualifyings 2012 auf, führt Rosberg zwar immer noch mit 18:16, und auch in den Freien Trainings hat der jüngere Mercedes-Pilot die Nase mit 22:20 vorne. Aber so knapp dran war Schumacher zuvor noch nie: 2011 verlor er das Qualifying-Duell mit 12:35, 2010 sogar mit 11:39. In den Freien Trainings unterlag er Rosberg 2011 mit 24:33 und 2010 mit 20:37. Die Formkurve des siebenmaligen Weltmeisters zeigte also zuletzt deutlich nach oben.

Schumacher wurde auch wesentlich öfter als sein Teamkollege Opfer von Pleiten, Pech und Pannen - und versiebte die eine oder andere Großchance selbst, etwa die auf der Rennstrecke erkämpfte Pole-Position in Monte Carlo, die er wegen eines Blackouts zwei Wochen zuvor in Barcelona abgeben musste, oder zuletzt in Singapur, wo er Jean-Eric Vergne ins Heck rauschte. Vor den TV-Kameras gab er dafür der Technik die Schuld, später gestand er bei den FIA-Kommissaren einen Fahrfehler ein.

Bei Mercedes ist man offenbar davon überzeugt, mit Lewis Hamilton das bessere Gesamtpaket einzukaufen, sonst hätte man sich von Schumacher nicht getrennt. Aber: "Die Art und Weise, wie man sich jetzt von einem siebenfachen Weltmeister trennt, ist - um es milde auszudrücken - unter der Gürtellinie", schreibt der ehemalige Formel-1-Pilot Jochen Mass in einem Gastbeitrag für 'Auto-Presse.de' und nimmt seinen Landsmann in Schutz: "Michael gab, was er konnte."

Hatte Schumacher eine "rosarote Brille" auf?

Vorwerfen könne man dem Rekord-Champion höchstens, dass er die mangelnde Performance des Mercedes-Teams "durch seine Brille" gesehen und falsch eingeschätzt habe. Mass findet dafür klarere Worte: "Man war technisch einfach nicht auf Augenhöhe, auch nicht - das ist das Unangenehme - mit Teams wie Sauber und auch Renault. Raikkönen, der wie 'Schumi' wieder zurückgekommen war, hatte einfach das schnellere Auto."

"Dass nun der Eindruck entstanden ist, Michael Schumacher sei gefeuert worden, ist die Sache nicht wert. So zeigt man sich kleinmütig in der Niederlage", kritisiert er die Silberpfeile. "Gern hatte man die Fahne der Erfolge 'Schumis' aus den Tagen der Ferrari-Zeiten hochgehalten, doch nun trennt man sich - so zumindest kommt es außen an - mit genervtem Fingerzeigen ob der fehlenden Erfolge und der Fahrfehler, die freilich erklärungsbedürftig sind."

Jochen Mass

Jochen Mass findet schade, wie die Trennung über die Bühne gegangen ist Zoom

Die Trennung habe ein "Geschmäckle", findet der langjährige TV-Kommentator: "Weder der Mercedes-Rennstall noch Michael Schumacher sehen dabei gut aus." Nicht ausgeschlossen, dass das Verhältnis zwischen Schumacher und Mercedes unter der Art und Weise der Trennung in der vergangenen Woche gelitten hat - was wiederum die Frage aufwirft, ob der 43-Jährige, wie ursprünglich geplant, Lust darauf hat, als Botschafter und Berater an Bord zu bleiben.

Denkbar wäre, dass er sich ein neues Renncockpit sucht, etwa bei Sauber oder Lotus. "Erst muss Michael mögen", kommentiert Berger gegenüber 'auto motor und sport' alle Transfergerüchte, "aber der Markt muss auch ihn mögen." Zur Hamilton-Verpflichtung könne man Mercedes unabhängig davon "nur gratulieren. Mit Hamilton und Rosberg haben sie jetzt eine Bomben-Fahrerpaarung - wahrscheinlich die beste, die man haben kann."