• 17.10.2006 13:22

Bell: "Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied"

Renault-Chassischef Bob Bell im Interview über das Rennen in Japan sowie seine Erwartungen an das bevorstehende WM-Finale in Brasilien

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Bob, in Suzuka gewann das Renault-Team erstmals seit dem vergangenen Juni wieder. War es ein glücklicher Sieg?"
Bob Bell: "Höchstens in dem Sinne, dass wir keinen direkten Einfluss auf die Zuverlässigkeit von Ferrari haben. Renault hat über das gesamte Jahr sehr hart gearbeitet und selbst in schwierigen Phasen gaben wir niemals auf. Fernando Alonso befand sich dank der Leistungsfähigkeit des Renault R26 in der bestmöglichen Position, um aus Michael Schumachers Missgeschick in Japan Kapital zu schlagen."

Titel-Bild zur News: Bob Bell

Bob Bell freut sich schon auf das große WM-Finale am kommenden Wochenende

"Man könnte daher auch sagen, dass wir Ferrari so sehr unter Druck gesetzt haben, dass sie ihren Motor stärker beanspruchen mussten, als ihnen lieb war. Wie im richtigen Leben gilt auch in der Formel 1: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied."#w1#

Renault lässt sich nicht unter Druck setzen

Frage: "Vor dem Grand Prix von Brasilien ergeben sich zahlreiche Szenarien, bei welchem Rennausgang Renault die Weltmeisterschaft entscheiden kann. Welche Ziele formulierst du für das kommende Wochenende?"
Bell: "Das Wichtigste wird sein, dass wir nichts an unserer Herangehensweise ändern und uns nicht unter Druck setzen lassen. Wir wollen jeden Grand Prix gewinnen. Das gilt auch für Brasilien. Wir werden unsere Arbeit ganz normal erledigen und nichts als selbstverständlich ansehen. Renault wird das Rennen offensiv angehen. Sollten die Umstände es verlangen, werden wir entsprechend reagieren. Es gibt viele mathematischen Möglichkeiten, wie wir alles gewinnen oder viel verlieren können. Für das Team ändert sich dadurch aber nichts. Unser Motto lautete immer, dass du Meisterschaften für dich entscheidest, indem du Rennen gewinnst."

"Es darf sich niemand täuschen: Michael wird Brasilien voll auf Angriff fahren." Bob Bell

Frage: "Michael Schumacher hat den Kampf um die Fahrer-WM nach eigenen Angaben praktisch aufgeben. Das macht die Aufgabe für Fernando Alonso deutlich leichter, oder?"
Bell: "Es darf sich niemand täuschen: Michael wird Brasilien voll auf Angriff fahren, so wie er es immer macht. Er ist bekannt dafür, dass er niemals aufgibt. Deshalb hat er nach dem Japan-Grand-Prix auch in Jerez getestet. Außerdem gibt es für ihn noch einen weiteren Grund, in Interlagos offensiv aufzutreten: Der Grand Prix von Brasilien ist das letzte Rennen seiner Karriere. Ich bin davon überzeugt, dass er sich würdig verabschieden will."

Frage: "Der Kurs in Interlagos gilt allgemein als sehr wellig. Könnte sich das Fehlen des Schwingungstilgers negativ auf das Fahrverhalten des Renault R26 auswirken?"
Bell: "Um ehrlich zu sein, ist das 'Autodromo Carlos Pace' nicht mehr der gefürchtete Waschbrettkurs, der er einst war. Im vergangenen Jahr setzten wir in Brasilien erstmals den Schwingungstilger ein - und die Fahrer merkten deutlich, wie er ihnen half. Aber seit dem Verbot haben wir hart gearbeitet, den Renault R26 zu optimieren. Der Wagen erwies sich in dieser Saison auf allen Arten von Kursen als sehr konkurrenzfähig. Wir sind zuversichtlich, dass sich daran in Brasilien nichts ändern wird."

Vollstes Vertrauen in Reifenpartner Michelin

Frage: "Das Grand-Prix-Wochenende in Japan verlief aus Reifensicht merkwürdig. Einem Leistungsdefizit im Qualifying folgte ein Vorteil während des Rennens. Was erwartest du für Brasilien?"
Bell: "Wir haben hart an unserer Reifenwahl für das kommende Wochenende gearbeitet. Der Einsatz unseres Partners Michelin über die vergangenen Monate zeigt, wie entschlossen sie sind, sich bestmöglich aus der Formel 1 zu verabschieden. Aber wir müssen die ersten Trainingssitzungen abwarten, bevor wir Vorhersagen treffen können. Wir sind davon überzeugt, über konkurrenzfähige und konstant leistungsfähige Reifen zu verfügen."

"Mit Fernandos Abschied geht für Renault sicherlich eine Ära zu Ende." Bob Bell

Frage: "Fernando Alonso wird in Brasilien seinen vorerst letzten Grand Prix für Renault bestreiten. Was denkst du darüber?"
Bell: "Wir wissen seit langem, dass uns Fernando nach diesem Rennen verlassen wird. Über das gesamte Jahr haben wir eine exzellente Arbeitsbeziehung miteinander genossen. Mit seinem Abschied geht für Renault sicherlich eine Ära zu Ende. Wir sind fest entschlossen, diese mit dem erneuten Gewinn beider WM-Titel zu beschließen. Danach werden wir mit großem Optimismus nach vorne schauen und uns mit großem Ehrgeiz den Herausforderungen der Saison 2007 stellen."

Frage: "Was sagst du zum Kampf mit Ferrari um die Konstrukteurs-WM 2006 im Vergleich zum Duell mit McLaren-Mercedes im Vorjahr?"
Bell: "Zu allererst: Beide Auseinandersetzungen waren gleichermaßen hart. Das Renault-Team hat sich im Vergleich zu 2005 weiter verbessert. Wir haben mehr Punkte gesammelt und mehr Rennen beendet. Wir sehen uns einem Ferrari-Team gegenüber, das das Maximale aus seinen Möglichkeiten holt. Hinzu kommt ein Michael Schumacher, der sich auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft befindet. Sollten wir das Duell für uns entscheiden, erhält dieser Sieg ein noch höheres Prestige als der aus dem Vorjahr - vor allem wenn man bedenkt, welche Rückschläge wir in diesem Jahr weggesteckt haben. 2005 konnten wir den ersten und den letzten Grand Prix des Jahres gewinnen und so unseren Einsatz über die gesamte Saison unterstreichen. Exakt dasselbe wollen wir in diesem Jahr wiederholen."