• 18.08.2005 18:14

Barrichello: "Habe noch den Traum, Weltmeister zu sein"

Der Brasilianer über seinen Wechsel von Ferrari zu BAR-Honda, seine Tipps an seinen Nachfolger Felipe Massa und den Türkei-Grand-Prix

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Was denkst du aus technischer Sicht über diese Strecke? Wird sie hart zu den Reifen sein?"
Rubens Barrichello: "Hier ist alles großartig. Ich habe an dieser Strecke tolle Anlagen gesehen. Aber es ist schwierig, den Kurs zu kennen, ehe wir nicht das Gripniveau gesehen haben, denn der Kurs ist sehr breit, es gibt viele Linien, die müssen wir morgen zunächst lernen."

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello: Noch geht er am BAR-Honda-Motorhome vorbei

Frage: "Was hältst du von der ersten Kurve?"
Barrichello: "Für mich sieht es so aus, als wäre es eine Kurve, bei der man sich immer wieder sagen muss, dass man noch später bremsen kann. Der Bremspunkt liegt noch auf dem geraden Streckenteil, aber danach geht es bergab. Es wird passieren, dass man sich da überschätzt, aber manchmal wird man auch zu sich selbst sagen, dass noch mehr möglich gewesen wäre. Es ist schon sehr interessant, weil man den Einlenkpunkt nicht sieht, außerdem kann man an einigen Stellen auf dem Kurs überholen."#w1#

Frage: "Am ersten Tag wird es zudem noch sehr rutschig auf der Strecke sein."
Barrichello: "Der Belag vermittelt schon eine Haftung, ist aber natürlich noch schmutzig. Das ist bei einem neuen Kurs immer so."

Sennas Meinung über Honda beeinflusste auch Barrichello

Frage: "Rubens, ab dem nächsten Jahr fährst du für BAR-Honda, noch stehen aber sechs Rennen bei Ferrari an. Was ist deine beste Erinnerung an deine Ferrari-Zeit?"
Barrichello: "Ich möchte diese Gelegenheit ergreifen, um ihnen (bei Ferrari; Anm. d. Red.) zu danken. Ich hatte und habe eine tolle Zeit. Ich habe die Tatsache, dass ich das Team verlassen würde, gar nicht so ernst genommen, denn ich hatte einen Vertrag für das nächste Jahr - ohne Ausstiegsklauseln. Es lag also an Jean Todt (Ferrari-Rennleiter; Anm. d. Red.), dass es geklappt hat. Ich habe seit langer Zeit mit BAR geredet, aber erst in diesem Jahr kam Bewegung in die Sache."

"Dann ging ich zu Jean und fragte ihn, ob er einverstanden sei, wenn ich gehen wollte. Er sagte: 'Du hast eine Woche, um dich zu entscheiden, denn ich zähle für das nächste Jahr auf dich.' Dann kam ich mit den Neuigkeiten zurück, daher muss ich ihm und dem Team wirklich danken, denn ich hatte eine großartige Zeit. Ohne Ferrari wäre ich nun, 33 Jahre alt, nicht da, wo ich jetzt bin. Ich habe noch den Traum, Weltmeister zu sein, deshalb bin ich hier und nehme diese Herausforderung an."

Frage: "Warum hast du dich für einen Wechsel zu BAR-Honda entschieden?"
Barrichello: "Jeder Wechsel bringt auch einen Motivationsschub, aber es geht auch um die Ressourcen und die Menschen. Ayrton Senna erzählte mir eines Tages über Honda. Bei ihnen läuft alles nach Plan und BAR wird im nächsten Jahr sehr gut sein. Die Motivation ist gut, sie wollen jemanden haben, der jung und noch motiviert ist, das alles in eine gute Bahn zu lenken. Ich werde aber nicht ankommen und sagen: 'Ändert dies und das.' Ich werde lernen, wie das Team arbeitet, und ich bringe 13 Jahre Erfahrung mit, um es zu einem Siegerteam zu machen."

Frage: "Was genau hat Ayrton Senna denn über Honda berichtet?"
Barrichello: "Wir aßen zu dieser Zeit oft gemeinsam zu Abend und für gewöhnlich kam er zu spät, weil er noch mit den Leuten bei Honda an der Fahrbarkeit und der Leistung gearbeitet hat. Er sagte, dass sie solche Konversationen mögen würden und dass sie alles tun würden, um seinen Anforderungen nachzukommen. Ich habe das Gefühl, dass der Honda-Motor schon sehr kraftvoll ist, ich freue mich sehr auf diese Arbeit."

Der Brasilianer prägte Ferrari nachhaltig

Frage: "Michael Schumacher ist kein einfacher Teamkollege. Zum einen ist er wirklich schnell, aber man konnte in der Vergangenheit auch den Eindruck bekommen, dass er im Team bevorzugt wurde. Welchen Rat gibst du deinem Landsmann Felipe Massa, der nun zu Ferrari stoßen wird, mit auf den Weg?"
Barrichello: "Ich habe Felipe nur erklärt, dass er bei Ferrari nicht die obere Toilette benutzen sollte. Ansonsten soll er die Zeit genießen. Natürlich wird er auch schwere Zeiten haben, aber wenn ich in seiner Lage wäre, also jünger und mit dem Drang zu gewinnen, dann hätte ich wahrscheinlich auch so gehandelt. Ich bin stolz, sagen zu können, dass dieses Team nun anders ist als im Jahr 2000, als ich dort ankam. Es gibt mehr Gedankenvielfalt, es wird mehr an beide Fahrer gedacht, von daher könnte Felipe einen Vorteil gegenüber mir haben. Aber nun liegt es an ihm, seinen Speed zu zeigen. Das zählt mehr als Worte."

Frage: "Spielte bei deiner Entscheidung auch der Zweikampf mit Michael Schumacher in Monaco eine Rolle?"
Barrichello: "Ich hatte fantastische Zeiten bei Ferrari, aber auch schlechte. Die schlechten Zeiten lehrten dem Team und mir, dass wir uns verbessern müssen. Ich werde immer gefragt, was die schlimmste Zeit für mich bei Ferrari gewesen ist, und sie denken dabei an Österreich 2002. Aber für mich war das die beste Zeit, denn da hat sich alles geändert. Es war vielleicht ein Wendepunkt in meiner Karriere, denn sie wussten nun, dass ich Rennen auch ohne Hilfe gewinnen kann. Ich sah aber ein, dass es sehr schwierig für mich sein würde, die Meisterschaft zu gewinnen, denn sie haben zwei gute Fahrer. Und Michael ist länger im Team. Daher sehe ich meine Chancen in einem Team, das noch nicht gewonnen hat, aber den Wunsch und die Voraussetzungen dazu hat, als besser an. Daher wechselte ich."

Barrichello hätte keine Probleme mit Button

Frage: "Könnte es passieren, dass du schon in diesem Jahr bei BAR-Honda fahren wirst?"
Barrichello: "Ich denke, das wäre unmöglich. Es wäre respektlos, jetzt aufzuhören und zu sagen, dass es mir egal ist, was bei Ferrari passiert. Wir kämpfen noch um den Herstellertitel, und ich würde Ferrari lieber mit sechs als mit fünf Titeln verlassen. Wir werden dieses Jahr normal beenden."

Frage: "Glaubst du, dass Jenson Button im nächsten Jahr dein Teamkollege sein wird? Wenn ja, würdet ihr gut miteinander auskommen?"
Barrichello: "Ich habe dem Team erklärt, dass ich mit niemandem ein Problem hätte, es ist ihre freie Wahl. Natürlich gibt es mehrere Möglichkeiten, aber mehr möchte ich dazu nicht sagen. Mit Jenson habe ich keine Probleme, er ist ein netter Kerl, einer der wenigen Freunde im Paddock."

Frage: "Freust du dich nach der Pause wieder auf das Fahren?"
Barrichello: "Ich hatte eine gute Zeit, wie immer, wenn ich bei meiner Familie in Brasilien bin. Aber man möchte auch wieder in das Auto steigen. Ich denke, dass jeder diese zwei Wochen Pause genossen hat. Man spürt dann irgendwann, dass man auch auf öffentlichen Straßen schneller fährt, also sollte man wieder in das Rennauto steigen."