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  • 01.02.2011 21:12

  • von Dieter Rencken

Barrichello: "Es gibt zu viele Knöpfe am Lenkrad"

Rubens Barrichello ist angesichts der Vielzahl neuer Knöpfe am Lenkrad besorgt - Stimmung im Williams-Team großartig

(Motorsport-Total.com) - Williams-Pilot Rubens Barrichello ist mit 305 Grand-Prix-Starts der Rekordhalter der Formel 1. Das Jahr 2011 markiert für den Brasilianer bereits die 19. Saison in der Königsklasse. Im Interview spricht er über die ersten Testfahrten im neuen FW33, seine Sorgen bezüglich des neuen Heckflügels sowie die Stimmung im Team.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello konnte den FW33 in Valencia erstmals ausprobieren

Frage: "Rubens, was kannst du über das neue Auto berichten?"
Barrichello: "Wir haben einiges gelernt. Leider haben wir am Morgen zunächst einige Zeit verloren, etwa zweieinhalb Stunden, da es ein Problem mit KERS gegeben hat, das erst analysiert werden musste. Am Beginn der Entwicklung ist es notwendig, alles auseinanderzunehmen, um dem Problem auf den Grund zu kommen. Was das Auto betrifft, wird ab sofort ein neues Setup verlangt, da es ein komplett neues Fahrzeug ist."

"Ich fuhr heute in erster Linie, um Kilometer auf das Auto zu bekommen. Die Balance war heute noch nicht sehr gut. Es wird generell schwierig werden, mit der Spritmenge, mit der wir unterwegs sind, ein Auto zu haben, das sich gut anfühlt. Verglichen mit leeren Tanks bedeutet das einen Unterschied von über drei Sekunden. Unter diesem Aspekt betrachtet, kann man unsere Zeiten sicher nicht mit den schnellsten des Tages vergleichen. Es ist genau wie im letzten Jahr - hopp oder topp kann sehr schnell gehen. Im ersten Rennen qualifizierte ich mich außerhalb der besten Zehn, obwohl ich bei einer der Testfahrten zuvor der Schnellste gewesen war. Das zeigt, wie viel die Spritmenge ausmachen kann."


Fotos: Testfahrten in Valencia


Zu viele Knöpfe am Lenkrad

"Einer der negativen Punkte des heutigen Tages ist sicherlich, dass man sich kaum auf das Fahren konzentrieren kann. Es gibt einfach zu viele Knöpfe am Lenkrad. Das macht keinen Spaß, du bist nur mit Drücken beschäftigt. Dazu kommen die Gangwechsel, dann quatscht dir jemand auf dem Funk rein: 'Könntest du den Knopf etwas früher betätigen?' Ich kann nur hoffen, dass sich die Show dadurch um 100 Prozent verbessert. Falls das nicht der Fall sein sollte, macht mir das ganze keinen Spaß."

Frage: "Fernando Alonso hat gesagt, dass es speziell auf Strecken wie Singapur oder Monaco extrem schwierig werden wird, all die Knöpfe zu betätigen. Glaubst du als Vorsitzender der GPDA, dass davon sogar eine Gefahr ausgehen kann?"
Barrichello: "Was die reine Betätigung angeht, kann man das so sehen. Es benötigt wahrscheinlich bald ein anderes Lenkrad, um die Knöpfe einfacher bedienen zu können. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass du deine Augen von der Straße weg auf das Lenkrad richten musst. Es gibt nicht eine einzige Gerade, wo wir nicht einen Knopf am Lenkrad drücken werden - zusätzlich zum Gangwechsel wohlgemerkt. Ich bin besorgt, dass es zu einem großen Unfall kommen kann, wenn ein Fahrer vor dir plötzlich Gas wegnimmt und dich auffahren lässt, weil du selbst in dem Moment mit den Knöpfen beschäftigt bist."

Frage: "Wirst du das Thema innerhalb der GPDA ansprechen?"
Barrichello: "Die GPDA hat im Moment ganz klare Ziele, was die Tests des Systems angeht. Ich glaube allerdings nicht, dass in dieser Hinsicht viel passieren kann, bevor wir es wirklich im Rennen einsetzen. Die FIA wird uns einfach noch eine gewisse Zeit damit üben lassen. Ich höre schon die Kommentare: 'Damit müsst ihr zurecht kommen.' Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Ich glaube nicht, dass davon im Moment eine unmittelbare Gefahr ausgeht. Sorgen macht es mir allerdings schon."

Ein bisschen wie bei Speed Racer

Frage: "Was den verstellbaren Heckflügel als solches angeht, konntest du da einen Unterschied spüren?"
Barrichello: "Zu Beginn haben wir uns Sorgen gemacht, ob man ein Überholmanöver überhaupt wird abschließen können, bevor die nächste Kurve kommt. Sam (Michael; Anm. d. Red.) hat mir im Internet ein Video gezeigt, wo man bei Sauber die gleichen Bedenken hat. Aber das wird sich legen. Im Moment fühlt es sich ein bisschen an wie bei Speed Racer mit dem Mach 5 (aus dem gleichnamigen Comic; Anm. d. Red.), nur ohne die dazugehörigen Sounds."

Frage: "Was sagst du zu den Pirelli-Reifen?"
Barrichello: "Ich bin die meiste Zeit mit der Medium-Mischung gefahren. Wir müssen uns darüber mit Pirelli unterhalten, mein persönlicher Eindruck ist, dass die Reifen für diese Strecke viel zu hart sind, genau wie schon in Abu Dhabi. Man rutscht damit viel herum. Der weiche Reifen scheint im Gegensatz dazu in Ordnung zu sein. Soweit ich weiß, hat Pirelli drei Mischungen nach Valencia gebracht, aber ich habe noch nicht alle ausprobieren können."

Frage: "Es ist unwahrscheinlich, dass es an den kommenden zwei Tagen regnen wird. Für den Fall, dass es in Jerez und Barcelona ebenfalls nicht regnen wird, dann werdet ihr eure ersten Erfahrungen mit den Pirelli-Regenreifen wohl erst an einem Rennwochenende sammeln können. Bereitet dir das Kopfzerbrechen?"
Barrichello: "Um ehrlich zu sein, habe ich darüber noch nicht nachgedacht. Wenn wir Regen haben wollen, sollten wir nach Brasilien fahren, dort kommt eine Menge Regen runter. Wenn Pirelli Anlass zur Sorge sieht, sollten wir uns damit näher beschäftigen, denn sie haben bereits im Regen getestet. Was ich bisher mitbekommen habe, gibt es keine Probleme."

Frage: "Vor genau einem Jahr habt ihr bei Williams viel Zeit damit verbracht, euch auf den Cosworth-Motor einzuschießen. Wie steht ihr in diesem Jahr da?"
Barrichello: "Viel besser. Was das Heck des Wagens angeht, haben die Jungs einen fantastischen Job gemacht. Das mag überraschend klingen, wenn man nur auf die Zeiten schaut. Aber wie ich schon sagte, so kann man es nicht sehen. Die Spritmenge macht einen großen Unterschied. Aber das ist bei allen Teams so. Beim ersten Test nach der Winterpause ist es immer das Gleiche. Man hat in der Regel nicht die Probleme aus dem vergangenen Jahr, dafür gibt es zwei, drei neue Probleme."

Gute Stimmung im Team

Frage: "Du hast dich kürzlich lobend darüber geäußert, wie man dir bei Williams zuhört. Inwiefern glaubst du, dass sich das Team in der Zeit deiner Zugehörigkeit entwickelt hat?"
Barrichello: "Ich denke, das Team hat sich stark entwickelt. Meine Ideen werden zu jeder Zeit erhört. Man hat mich erst im Januar in die Fabrik gerufen und meinen Rat erbeten, obwohl ich zu dieser Zeit eigentlich nicht dort sein sollte. Ich fühle mich in der Mannschaft sehr wohl. Jetzt müssen wir beweisen, dass unser Auto gut genug ist, um dorthin zu kommen, wo wir sein sollten."

Frage: "Was hältst du davon, in diesem Jahr mit Pastor Maldonado wieder einen Neuling als Teamkollegen zu haben?"
Barrichello: "Das bereitet mir keine Sorgen. Wenn ich etwas Erfahrung neben mir brauchen würde, wäre das vielleicht anders. Aber mit meinen 19 Jahren Formel-1-Erfahrung ist es toll, jemanden neben mir zu haben, der mich anspornt, noch schneller zu fahren. Ich habe Pastor neulich in der Fabrik getroffen, und basierend darauf, was ich bisher von ihm gesehen habe, ist er dazu in der Lage."

Pastor Maldonado

Barrichellos neuer Teamkollege Pastor Maldonado aus Venezuela Zoom

Frage: "In welcher Sprache verständigst du dich mit Pastor?"
Barrichello: "Wir unterhalten uns auf Spanisch"

Frage: "Damit das Team es nicht versteht?"
Barrichello: "Genau, ich möchte nicht, dass das Team erfährt, worüber wir uns unterhalten. Ich möchte vermeiden, dass er Englisch lernt." (lacht)