Australien-Sieger David Coulthard im Interview
Der erste Saisonsieger des Jahres 2003 im ausführlichen Gespräch über seine großartige Leistung heute in Melbourne
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ein chaotisches Rennen, aber für dich lief es eigentlich ziemlich glatt. Kannst du uns deine Rennstrategie näher erklären?"
David Coulthard: "Naja, während dem Rausfahren auf die Startaufstellung ist mir aufgefallen, dass die Strecke im hinteren Teil noch ziemlich nass war ? zu nass für Trockenreifen. In der Aufwärmrunde wurde mir dann aber klar, dass es gerade an der Grenze war, also habe ich dem Team gefunkt, dass ich früh reinkommen würde, um die Reifen wechseln zu lassen. Ohne die Safety-Cars hätte uns das in eine sehr schlechte Position befördert, aber so, wie das Rennen heute gelaufen ist, haben wir eine guten Boxenstrategie erwischt. Ich hatte auch genug Glück, nicht mit Strafen belegt zu werden, und konnte das Auto auf der Strecke halten."

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Bravo, David! Coulthard gewann heute sein 13. Formel-1-Rennen
Frage: "Ein schwieriges Qualifying, aber im Rennen habt ihr jetzt beide Autos auf dem Podium. Wie betrachtest du die Performances eures Autos an diesem Wochenende?"
Coulthard: "Wenn man die Qualifying-Positionen beiseite lässt, sind wir der Meinung, mindestens so konkurrenzfähig wie der Williams zu sein, wenn nicht diesmal sogar wie der Ferrari. Natürlich setzen wir aber große Hoffnungen in das neue Auto, das zum fünften oder sechsten Rennen fertig werden sollte. Damit können wir den Rückstand zu Ferrari hoffentlich egalisieren. Bei einem normalen Saisonverlauf wird es nicht immer optimal für sie laufen und eventuell haben wir mit Michelin in Malaysia einen Vorteil."
Coulthard will nun den Erfolg genießen
Frage: "Wegen der vielen Zwischenfälle und Variablen ist es schwer einzuschätzen, wie die Saison nun weitergehen wird, nicht wahr?"
Coulthard: "Ja. Aus Sicht des Teams sollten wir jetzt einfach unseren ersten und dritten Platz genießen. Die Umstände haben uns diesen Tag in der Geschichte beschert und darüber freuen wir uns sehr. Natürlich müssen wir aber noch arbeiten, bevor wir genauso konkurrenzfähig wie Ferrari sind. Jetzt müssen wir sicherstellen, die neuen Regeln optimal zu verstehen, damit wir nächstes Mal auch das Qualifying hinbekommen."
Frage: "Es gibt keine Möglichkeit, die Meisterschaft besser zu beginnen, David."
Coulthard: "Das stimmt. Ganz der Gegensatz zu dem, wie wir uns gestern Nachmittag gefühlt haben. Das ist ein großartiges Resultat. Vielleicht sind wir vom reinen Speed her noch nicht so gut wie Ferrari, aber es ist gut zu wissen, dass wir in Rennen wie diesem, wo das Glück und die Strategie eine Rolle spielen, gewinnen können. Wir können zufrieden sein."
Frage: "Eine erstaunliche Aufholjagd vom elften Startplatz..."
Coulthard: "Naja, ich habe auf der Strecke nicht gerade viele Fahrer überholt, aber das haben die schlechten Bedingungen vertuscht. Am Anfang hatte ich fälschlicherweise Regenreifen drauf und ich musste früh reinkommen, was verheerend gewesen wäre ohne Safety-Car, aber anhand der Erfahrungen hier in den letzten vier Jahren musste man davon ausgehen, dass das Safety-Car zumindest einmal kommen würde. Überraschend, dass es zweimal gekommen ist, aber nicht einmal. Danach haben wir gute Entscheidungen getroffen und ein paar Leute wurden sich selbst zum Verhängnis. Ich bin einfach innerhalb meiner Grenzen gefahren. Im Qualifying habe ich mir das Leben selbst schwer gemacht, das wollte ich mir im Rennen nicht noch einmal antun."
"Man kann sich kaum beschweren, wenn man gewinnt"
Frage: "War deine ursprüngliche Strategie auf einen Stopp ausgerichtet?"
Coulthard: "Ich bin zweimal reingekommen und habe beide Male auch Benzin nachgetankt."
Frage: "Sonst keine Probleme?"
Coulthard: "Man kann sich kaum beschweren, wenn man das Rennen gewinnt. Es ist bei solchen Bedingungen nie einfach, sonst würden die Leute ja nicht ausfallen. Man muss zufrieden sein, wenn man nach Melbourne kommt und zehn Punkte mitnehmen darf. Ich bin natürlich extrem glücklich."
Frage: "Zum ersten Mal sind alle Fahrer auf dem Podium mit Michelin-Reifen unterwegs gewesen. Zufall oder eine Trendwende?"
Coulthard: "Die Umstände haben natürlich in die Hände von Michelin gespielt, aber darauf ist man bei solchen Bedingungen eben angewiesen. Niemand sollte aber auf die Idee kommen, dass Ferrari auf einmal nicht mehr konkurrenzfähig ist. Das sind sie nämlich, aber heute hatten sie einfach nicht die richtige Strategie und wir waren eben schneller."
McLaren so schnell wie Williams, noch knapp hinter Ferrari
Frage: "War das ein reiner Glücksfall oder glaubst du, dass du jetzt um den WM-Titel kämpfen kannst?"
Coulthard: "Heute hatten wir wie gesagt wirklich außergewöhnliche Umstände, denn in der Regel können Autos, die aus der Boxengasse gestartet sind oder von so weit hinten kommen, nicht auf das Podium fahren. Dennoch denke ich, dass wir von der Pace her bei Williams dabei sind, auf Ferrari fehlt noch ein wenig. Das wird sich ändern, wenn wir auf andere Strecken kommen. Niemand weiß, was die Zukunft bringen wird, aber ich kann nur noch einmal betonen, dass wir uns viel vom neuen Auto erwarten. Ihr Journalisten seid auch lange genug dabei, um Leistungen einschätzen zu können, aber am Ende eines Wochenendes ist der Sieg die Reflektion einer Leistung und den kann uns niemand mehr wegnehmen."
Frage: "Ist es erleichternd, dass Ferrari auch einmal Probleme hat, was ja letztes Jahr nie so war?"
Coulthard: "Ja, das ist schon ermutigend, weil sie ganz offensichtlich ein schnelles Auto haben, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die schnellsten Autos nicht immer ganz einfach zu fahren sind und manchmal machen, was sie wollen. Was mit Rubens passiert ist, habe ich nicht mitbekommen, aber er ist ganz offensichtlich abgeflogen. Mir hat noch niemand gesagt, welche Strategie Michael hatte. Kam er dreimal an die Box? Ja? Wie gesagt, unter Druck können sie auch Fehler machen und heute waren die Bedingungen einfach ungewöhnlich."
Frage: "Wir haben heute ein außergewöhnlich spannendes Rennen gesehen. Hat das neue Reglement dazu beigetragen oder sind nur die Umstände dafür verantwortlich?"
Coulthard: "Das können wir nur nach der Saison wirklich beurteilen, aber ich tendiere dazu zu sagen, dass es heute eher eine Sache der Bedingungen war. In der Vergangenheit hat so etwas auch schon zu solchen Rennen geführt. Im ersten Rennen der Saison kommt außerdem meistens das Safety-Car gleich in der ersten Kurve raus, das muss man auch einrechnen. Heute kam es eben ein bisschen später."
Frage: "Können wir in Malaysia einen Reifenvorteil für Michelin erwarten?"
Coulthard: "Michelin hat bei den Wintertests große Fortschritte gemacht, was das 'Körnen' der Reifen angeht. Bei den Rillenreifen ist das mehr ein Thema als mit Slicks. Daher sind wir für Malaysia ziemlich optimistisch. Natürlich hatte Bridgestone über den Winter auch so viel Zeit zum Entwickeln wie Michelin, aber auf dieser Strecke haben wir heute das Beste von den Michelin-Reifen gesehen und ich bin zuversichtlich, dass wir so etwas noch auf einigen Strecken erleben werden."
Coulthard wollte erst sehen, wie es der Konkurrenz ergeht
Frage: "Wo und wann hast du dich vor dem Start hinsichtlich der Reifen entschieden?"
Coulthard: "Während der Aufwärmrunde merkte ich, dass es trockener geworden war. Da habe ich dem Team gefunkt, dass sie sich auf einen frühen Reifenwechsel einstellen sollen. Mit den Regenreifen habe ich in den ersten paar Runden Zeit verloren. Ich wollte aber zumindest in der ersten Runde sehen, wie es den anderen Fahrern mit ihrer Strategie ergeht, und hatte auch ein Auge auf den Himmel, um zu sehen, ob es noch einmal regnen könnte. Im Nachhinein war das die falsche Entscheidung, aber dank der Safety-Cars haben wir eine zweite Chance bekommen. Wir konnten nachtanken und länger draußen bleiben und das hat sich später dann bezahlt gemacht."
Frage: "Hast du über Kimis Entscheidung Bescheid gewusst?"
Coulthard: "Ich habe gewusst, dass er einen Boxenstopp machen würde, weil ich ihn neben mir in die Boxengasse einbiegen sah."
Frage: "Was glaubst du, wie es in Malaysia laufen wird?"
Coulthard: "Dazu muss ich mir erst ein Bild davon machen, wer heute welche Strategie hatte. Wir wissen, dass wir im Qualifying von der Pace her in der zweiten Reihe hätten stehen müssen, aber ob sich davon ein Trend ablesen lässt, wer im Qualifying was machen wird, kann man noch nicht sagen. Ich sehe es in Malaysia aber nicht groß anders auf uns zukommen. Wahrscheinlich wird es wieder so ähnlich wie hier laufen, nur sind wir dann hoffentlich weiter vorne dabei."


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