• 06.09.2005 16:04

Analyse: Hätte Alonso in Monza gewinnen können?

Die Nachbetrachtung von Monza aus Renault-Sicht: Wie Alonso gewonnen hätte, warum Fisichellas Podium etwas Besonderes war

(Motorsport-Total.com) - Lange haben die Tifosi warten müssen, doch beim diesjährigen Grand Prix von Italien war es wieder soweit: Zum ersten Mal seit Michele Alboreto im Jahr 1988 hat mit Giancarlo Fisichella einer ihrer Landsmänner beim Heimrennen wieder den Sprung aufs Podest geschafft - ein Trost angesichts der enttäuschenden Vorstellung des Ferrari-Teams.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Bei den Boxenstopps in Monza hat Alonso mehr Zeit verloren als Montoya

"Das war einfach phantastisch", schwärmte der Römer bei seiner Rückkehr ins Renault-Motorhome, wo ihn alle Teammitglieder erneut mit stehenden Ovationen empfingen. "Ich habe ein ziemlich anstrengendes Rennen hinter mir. Gegen Ende des Grand Prix wurde es noch einmal richtig knapp. Kimi Räikkönen kam immer schneller näher. Meine Ingenieure haben mich über Funk stets genau informiert, wie groß mein Vorsprung noch ist. Ich musste attackieren bis zur Ziellinie. Doch der Sprung aufs Podest war die Mühe auf jeden Fall wert. Einfach toll, sich von seinen eigenen Fans so bejubeln lassen zu dürfen!"#w1#

Fisichella widmete sein Podium Michele Alboreto

"Dafür möchte ich dem gesamten Team danken, insbesondere aber meinen Mechanikern und Ingenieuren. Sie haben sich seit dem Saisonauftakt in Melbourne enorm engagiert", sagte er. "Ich weiß, dass es Michele Alboreto war, der es vor mir als Letzter hier in Monza aufs Podium geschafft hat. Ich kenne ihn noch gut aus gemeinsamen Tourenwagen-Zeiten. Er gehörte für mich zu den ganz großen Sportlern, er war ein ganz besonderer Mensch. Ihm möchte ich dieses Ergebnis widmen."

Alboreto kam am 25. April 2001 - lange nach dem Ende seiner durch fünf Grand-Prix-Siege gekrönten Formel-1-Karriere - auf tragische Weise am Steuer eines offenen Sportwagens bei Testfahrten auf dem Lausitzring ums Leben.

Eine Frage begleitet Fernando Alonso praktisch seit Beginn der Saison: die nach seinen Chancen auf den Fahrertitel. In Monza schaffte der Spanier zum elften Mal im 15. Rennen den Sprung unter die besten Drei und ist damit der aussichtsreichste Kandidat auf die Nachfolge des bereits entthronten Michael Schumacher. Doch wie denkt der 24-Jährige selbst darüber?

Alonso vor den letzten Rennen nicht überheblich

"Wir wissen genau, welche Aufgabe wir in den kommenden Rennen lösen müssen", erläutert der Renault-Pilot. "Wir sollten auch die letzten vier Grands Prix dieser Saison in den Punkten beenden, also voll auf die Zuverlässigkeit unserer R25 setzen. Es ist, was ich seit Jahresbeginn immer wieder betont habe: Jener Fahrer, der es bei den meisten Rennen bis aufs Podest schafft, wird am Ende im Kampf um die Fahrer-WM nur schwer zu schlagen sein. Die gleiche Strategie haben wir auch in Monza verfolgt."

"Ich weiß, wie gut diese Saison bislang für mich gelaufen ist", meinte der Spanier weiter. "Ich habe 103 Punkte auf meinem Konto und einen phantastischen Rennwagen dazu - ein Ergebnis, das nicht durch Zufall zustande kam, sondern durch harte Arbeit. Dass ich unter Umständen bereits am kommenden Wochenende in Spa den Titel sichern kann, spielt in meinen Augen überhaupt keine Rolle."

Und weiter: "Ich werde den Grand Prix angehen wie immer: Mit dem festen Willen, das bestmögliche Resultat für mich und mein Renault-Team herauszuholen. Der Ardennenkurs gehört zu meinen absoluten Lieblingsstrecken, denn dort ist es noch der Fahrer, der den Unterschied ausmacht. Ich hege keine Zweifel daran, dass McLaren in Belgien erneut sehr schnell sein wird. Aber wir werden sie einmal mehr unter Druck setzen, bis sie Fehler begehen", fügte er an.

Alonso verlor bei den Boxenstopps fast sieben Sekunden

Der analytische Blick auf den Verlauf des des Rennens in Monza wirft Fragen auf - wie zum Beispiel die nach den Boxenstopps von Alonso. Juan-Pablo Montoya benötigte für seine beiden Tankmanöver 52,108 Sekunden, Fisichella 52,326 Sekunden. Alonso jedoch stand 58,951 Sekunden still - rund 6,8 Sekunden länger als der spätere Sieger. Gegen Rennende litt der kolumbianische McLaren-Mercedes-Pilot unter Reifenproblemen. In Runde 47 lag Alonso noch 10,713 Sekunden hinter Montoya. Eingangs der Finalrunde betrug der Abstand nur noch 3,544 Sekunden. Hätte der Spanier den Grand Prix ohne die bei den Boxenstopps verlorene Zeit gewinnen können?

Pat Symonds, Chefingenieur von Renault: "Das lässt sich so einfach nicht beantworten. Auch wenn Montoya mit massiven Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, so konnte er auf den langen Geraden dennoch sehr schnell fahren. Seine Zeit im ersten Sektor war zum Beispiel auch weiterhin überaus konkurrenzfähig. Es ist in der Formel 1 so: Einen Konkurrenten einzuholen ist nur die eine Seite der Medaille. Ihn auch zu überholen, die andere. Allerdings wissen wir genau, dass wir die McLarens so stark wie nur möglich unter Druck setzen müssen, um sie in einen Fehler oder einen mechanischen Defekt zu hetzen. Wäre Fernandos Rückstand auf Montoya um sechs Sekunden geringer gewesen, dann hätten wir ihn noch mehr und für eine längere Zeit ans Limit treiben können. Ob es uns etwas genutzt hätte, wird für immer unbeantwortet bleiben", analysierte er.

Erstmals seit 1961 sahen alle Autos die Zielflagge

"Die eigentliche Nagelprobe steht allen Teams erst noch bevor." Rob White

Der Grand Prix von Italien 2005 war das erste Formel-1-Rennen seit 44 Jahren, das alle Teilnehmer auch beendet haben. Ein Phänomen, das zum letzten Mal 1961 beim Grand Prix der Niederlande in Zandvoort aufgetreten ist - und damals gingen nur 15 Autos an den Start. In Monza stritten immerhin 20 Monoposti um Podiumsplätze und WM-Punkte - und der Kurs im Königlichen Park ist dafür bekannt, insbesondere für die Motoren der Formel-1-Boliden die größte Herausforderung der gesamten Saison darzustellen. Viele der V10-Zylinder jedoch müssen auch noch das kommende Grand-Prix-Wochenende in Belgien überstehen.

"Jeder Techniker weiß, wie wichtig es heute ist, die Rennen auch zu beenden", erläutert Rob White, der Leitende Motoreningenieur des Renault-Teams. "Eine Null-Fehler-Quote wie in Monza zählt dennoch zu den außergewöhnlichen Ergebnissen. Leider ist die perfekte Standfestigkeit unserer Aggregate aber nicht die einzige Aufgabe, die wir lösen müssen. Was wir benötigen ist ein Motor, der zugleich leistungsfähig genug ist, um an der Spitze zu kämpfen, und der genügend Kraft besitzt, damit wir am Ende jenes Team mit den schnellsten Rennwagen sind."

"Jede neue Entwicklungsstufe birgt neue Risiken in sich", sagte White weiter. "In Monza funktionierten beide RS25-Zehnzylinder perfekt. Wir waren konkurrenzfähig genug, um die McLarens unter Druck zu setzen. Wir konnten das Potenzial unserer Aggregate mit einer aggressiven Strategie voll ausreizen, ohne dabei jene Limits zu überschreiten, die wir uns zuvor im Hinblick auf die Haltbarkeit gesetzt haben. Dennoch haben wir damit erst die erste Hälfte der aus Sicht des Motorenspezialisten schwierigsten Aufgabe der gesamten Saison gelöst - denn die Kombination aus Monza und Spa ist überaus anspruchsvoll. Die eigentliche Nagelprobe steht allen Teams erst noch bevor."