powered by Motorsport.com

Als Williams plötzlich vom Verlierer zum Seriensieger wurde

Williams hat einen bitteren Saisonstart hinter sich, doch schon einmal katapultierte sich das Team während der Saison an die Spitze der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Williams kommt in dieser Saison nicht so recht vom Fleck. Die Fortschritte in Monaco, als Rubens Barrichello für das erfolgsverwöhnte Traditionsteam die ersten zwei Punkte der Saison einfuhr, sind eher auf die Charakteristik des Kurses, als auf entscheidende technische Fortschritte zurückzuführen. Dabei hätte man diese dringend notwendig - so wie damals, im Jahr 1979, als sich Williams mitten in der Saison von hinten an die Spitze katapultierte und zum Seriensieger avancierte.

Titel-Bild zur News:

Alan Jones beim Debüt des Schürzen-Williams in Jarama 1979

Die Situation ist durchaus vergleichbar: Auch damals zählte Williams nicht zu den finanzkräftigen Spitzenteams, der geniale Lotus-Gründer Colin Chapman hatte im Jahr davor die Wing-Cars erfunden. Dabei handelte es sich um ein Prinzip, bei dem das komplette Auto als Flügel verwendet wurde - mittels Schürzen an den Seitenkästen, die den Boden streiften, baute man über den geformten Unterboden einen Unterdruck auf, der für einen Saugeffekt sorgte.

"Wir hatten die Effektivität des Groundeffekts beim Lotus 79 gesehen, also zogen wir im Oktober 1978 Fotos heran, um ein Windkanal-Modell im Maßstab 1:4 zu bauen", erinnert sich Technikchef Patrick Head. Dieses Modell - eine exakte Kopie des Lotus 79 - wurde daraufhin im Campbell-Windkanal am Imperial College in London getestet, mit großem Erfolg.

Verblüffende Windkanal-Ergebnisse

"Wir verbrachten dort eine Woche und die Resultate zeigten sich sofort", so Head. "Die Lotus-79-Kopie generierte ein ganz anderes Abtriebsniveau als unser 1978er-Auto, das wir für Vergleichstests dabei hatten. Die Schürzen generierten einen Unterdruck unter dem Auto und saugten es sprichwörtlich auf den Boden."

Mit der Kopie der Chapman-Erfindung hatten Head & Co. den Stein der Weisen entdeckt: "Von dem Moment an konzentrierten wir uns darauf, die Schürzen an unserem 1979er-Auto, dem FW07, zu optimieren. Damals war unser Team sehr klein und Neil Oatley und ich begannen, eine Schürzenbox mit einem Federungsmechanismus zu bauen. Frank Dernie half bei der Feinabstimmung, als er im Januar 1979 zur Firma stieß."

"Die Lotus-79-Kopie generierte ein ganz anderes Abtriebsniveau als unser 1978er-Auto." Patrick Head

Katastrophaler Saisonstart 1979

Das durchaus komplexe System funktionierte auf Anhieb wie vorgesehen. "Unser Schürzensystem war gut entwickelt", bestätigt der Brite. "Es wurde durch eine Scherenanordnung gefedert. Es stellte sich später als eine der großen Stärken des FW07 heraus. Wenn sich die Schürze nur 25 Millimeter vom Boden entfernte, verlor man ungefähr 50 Prozent des Abtriebs. Daher war es entscheidend, dass sie den Asphalt berühren, und das haben wir sehr effektiv hinbekommen."

Um die Entwicklung des Systems auszureizen, entschied sich Williams dazu, mit dem Vorjahres-Auto in die neue Saison zu starten. "Die Entwicklung der Schürzen im Winter 1978 auf 1979 benötigte viel Zeit, also setzten wir zu Saisonbeginn auf das alte Auto. Alan Jones hatte die Saison 1978 in Watkins Glen mit Platz zwei beendet", argumentiert Head die Entscheidung. "Ich dachte also, dass das Auto schnell genug war, um in den ersten Rennen mithalten zu können. Da lag ich aber falsch."

"Ich dachte, dass das 1978er-Auto schnell genug ist, um in den ersten Rennen mithalten zu können." Patrick Head

Williams mutiert mit FW07 zum Seriensieger

Wie 2011 legte Williams auch 1979 einen enttäuschenden Saisonstart hin - bei den ersten drei Rennen kamen Jones und Teamkollege Clay Regazzoni nicht über zwei neunte Plätze hinaus - auf dem Stadtkurs in Long Beach, wo die Aerodynamik keine große Rolle spielte, erkämpfte Jones Platz drei.

Dennoch war allen bei Williams klar, dass man mit dem alten Auto auf normalen Rennstrecken längst chancenlos war. "Alle hatten im Winter gute Fortschritte gemacht und wir lagen bei den ersten Rennen weit außerhalb der Punkteränge", blickt Head zurück. "Ich erinnere mich, dass Frank schon sehr leicht reizbar war und mich drängte, das neue Auto so schnell wie möglich zu bringen."

"Wir setzen das neue Auto in Spanien ein und es war sofort schnell." Patrick Head

In Madrid-Jarama war es dann endlich soweit: "Wir setzen es in Spanien ein und es war sofort schnell. Es ging auch so weiter und wir gewannen in Silverstone mit Clay unser erstes Rennen." Bei den folgenden Rennen in Deutschland, Österreich und der Niederlande hatte dann Teamkollege Jones die Nase vorne. Da der "Aussie" auch noch in Kanada triumphierte, verzeichnete Williams in der zweiten Saisonhälfte eine beeindruckende Bilanz: Die damalige Aufsteiger-Truppe gewann fünf von sieben Grands Prix. Einen ähnlichen Geistesblitz könnte man jetzt gut gebrauchen.