• 22.02.2008 14:06

Als die Formel 1 um ihren Superstar zitterte

Eine Rückblende: Vor 50 Jahren wurde Juan Manuel Fangio vor dem Grand Prix von Kuba von Fidel Castros Rebellen entführt

(Motorsport-Total.com/sid) - Als die Nachricht im Fahrerlager eintraf, wurde sie zunächst für einen Scherz gehalten: Juan Manuel Fangio sollte entführt worden sein! Undenkbar, aber dennoch wahr. Der Argentinier, als fünfmaliger Formel-1-Weltmeister erst 45 Jahre später (2002) von Michael Schumacher als Rekordchampion eingeholt, wurde am Tag vor dem Grand Prix von Kuba in Havanna von Fidel Castros Rebellen aus der vollbesetzten Hotelhalle gekidnappt und 25 Stunden gefangen gehalten.

Titel-Bild zur News: Juan Manuel Fangio

Immer noch ein unvergessener Pionier der Formel 1: Juan Manuel Fangio

Castros Untergrundbewegung des 26. Juli, die mit dieser Aktion ihre politischen Ziele verbreiten wollte, hatte bereits im Jahr zuvor die Entführung des wegen seiner Bescheidenheit überaus populären Ausnahmefahrers angekündigt. Zwölf Monate später folgte die gleiche Drohung, Fangio erhielt Polizeischutz.#w1#

Entführung in der Hotellobby

Niemand dachte aber daran, dass die Dreistigkeit der Kidnapper so weit gehen würde, in die Halle des Hotels Lincoln in Kubas Metropole einzudringen. Die Gangster warteten vor der Halle in einer dunklen Limousine. Zunächst vergewisserten sie sich noch einmal, dass es sich wirklich um Fangio handelte. Ein untersetzter Mann von etwa 30 Jahren trat auf die Gruppe zu, in der Fangio stand, fragte nach dem Argentinier und schüttelte ihm lange und überschwänglich die Hand.

Juan Manuel Fangio und Alfred Neubauer

Reims 1954: Rennleiter Alfred Neubauer gibt vor dem Start letzte Anweisungen Zoom

Kurz darauf betrat ein etwa 40-jähriger Mann den Raum, drückte Fangio einen Revolver in den Rücken und sagte: "Mitkommen!" Man dachte an einen Scherz. Als Fangio aber anfing, sich zu wehren, und ihm die Gäste zu Hilfe eilen wollten, drohte der Gangster zu schießen, schob den Weltmeister in den draußen mit laufendem Motor wartenden Wagen und verschwand in der Dunkelheit.

Alle Ausfallstraßen von Havanna wurden gesperrt, der gesamte Flugverkehr wurde eingestellt, doch von Fangio fehlte jede Spur. Alle anderen Fahrerkollegen sowie der deutsche Rennleiter Huschke von Hanstein erhielten Polizeischutz.

Fangios Manager Giambertone bat Castro, der ein Jahr später Kubas Staatschef werden sollte, über Rundfunk, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Daraufhin erhielt Fangios Frau einen Brief ihres Mannes, dass er wohlauf und gesund sei.

Rennen fand ohne Fangio statt

Am Nachmittag erfolgte ein anonymer Anruf, dass Fangio bald freigelassen würde. Die Veranstalter verschoben daraufhin den Start des Rennens um rund eineinhalb Stunden, in der Hoffnung, Fangio könne doch teilnehmen. Doch dieser Wunsch blieb unerfüllt. Erst am Abend traf Fangio in der argentinischen Gesandtschaft in Havanna ein, dafür aber gesund und munter.

Juan Manuel Fangio

Juan Manuel Fangio beim Grand Prix in seiner Heimat Buenos Aires 1955 Zoom

"Ich fühle mich wunderbar und wurde sehr korrekt behandelt", sagte der zu diesem Zeitpunkt 46-jährige Fangio. Man habe ihm die Ziele der Bewegung erklärt. Dass er dann immer wieder darauf gedrängt habe, mit der argentinischen Gesandtschaft in Kontakt zu treten, habe schließlich zu seiner Freilassung geführt.

Am 6. Juli 1958 nach Platz vier beim Grand Prix von Frankreich im Maserati beendete Fangio seine grandiose Formel-1-Karriere. Zu diesem Entschluss führte der tödliche Unfall seines Freundes Luigi Russo, der auf der Rennstrecke in Reims in seinem Ferrari ums Leben kam.

Fangio, der am 17. Juli 1995 im Alter von 84 Jahren starb, gehört zu den ganz Großen des Rennsports. Fünf WM-Titel errungen mit vier verschiedenen Marken (1951 auf Alfa Romeo, 1954 und 1955 auf Mercedes, 1954 und 1957 auf Maserati und 1956 auf Ferrari) können bis heute nur er selbst und Michael Schumacher aufweisen. Die Quote von 24 Siegen in 51 WM-Rennen ist dagegen unerreicht; Schumacher kam auf 91 Erfolge in 250 WM-Läufen.